Entscheidungsdatum: 25.02.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2010 056 453
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Hermann und den Richter k.A. Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; kosmetische Badezusätze; Badesalze, nicht für medizinische Zwecke; Duftwasser; Haarfärbemittel; Haarspray; Haarwaschmittel; Haarwasser; Kosmetika; Lippenstifte
Klasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser; Fahrräder
Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente
Klasse 15: Musikinstrumente
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren
Klasse 20: Möbel, Spiegel, Bilderrahmen; Waren soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen
Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Bürsten und Pinsel (ausgenommen für Malzwecke); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlwolle; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
Klasse 27: Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material)
Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette
Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
Klasse 34: Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten
Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computer-hardware und -software
eingetragene Wortmarke 30 2010 056 453
CRYSIS
ist aus der für die Waren
Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis.
Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
Klasse 33: Weine, weinhaltige Getränke, Spirituosen, Liköre sowie alle übrigen alkoholischen Getränke (ausgenommen Biere)
geschützten älteren Wortmarke EM 000 988 345
CRISS
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 30. April 2013 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, da eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht zu besorgen sei.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG sei eine Marke zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit/Identität mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit/Identität der durch die Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Darüber hinaus sei die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser zukommende Schutzumfang in die Betrachtung einzubeziehen, wobei eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren bestehe.
Auch bei unterstellter rechtserhaltender Benutzung für die Waren "weinhaltige Getränke" sei eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen, da die jüngere Marke selbst bei identischen Waren den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "CRISS" sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als durchschnittlich einzustufen. Daher habe die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke einzuhalten. Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe sei ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand indessen noch gewahrt. So könne von einer Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht trotz gewisser Annäherungen nicht ausgegangen werden. Die Widerspruchsmarke werde "kriss" ausgesprochen. Bei einer englisch-sprachigen Aussprache der angegriffenen Marke wie "krai-sis" (im Hinblick auf das bekannte englische Wort "to cry" und wegen des Begriffsanklangs zu dem Wort "crisis"/Krise, das als "krai-sis ausgesprochen werde) stimmten die Vergleichswörter weder bei Silbenzahl (zweisilbig/einsilbig) noch Vokalfolge überein. Auch im Sprechrhythmus seien Abweichungen festzustellen, so sei das Gesamtklangbild der angegriffenen Marke wegen des Zwieklanglauts "ai" deutlich weicher und gedehnter, das der Widerspruchsmarke sei demgegenüber kurz und hart. Zu berücksichtigen sei ferner, dass keine Silbe der angegriffenen Marke identisch bzw. klangidentisch mit dem Widerspruchszeichen ist. Auch bei einer in geringerem Umfang zu erwartenden Aussprache wie "kri-sis" (im Hinblick auf Wörter wie "crystal") seien klangliche Unterschiede gegeben. Bei einer "deutschen" Aussprache der angegriffenen Marke als "krü-sis" (vgl. Wörter wie Hypo=Hüpo oder Crysantheme=Krüsantheme) schließlich seien die Vergleichsmarken ebenfalls im Hinblick auf Silbenzahl, Vokalfolge und Sprechrhythmus phonetisch ausreichend verschieden. Obwohl die Vergleichszeichen in fünf Buchstaben übereinstimmten, sei auch in schriftbildlicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen. Die Vergleichszeichen unterschieden sich in den zu berücksichtigenden verkehrsüblichen Wiedergabeformen (CRYSIS - CRISS/Crysis - Criss/crysis - criss) durch die Unterschiede an der dritten Buchstabenstelle und durch die nur in der Widerspruchsmarke enthaltene auffällige Verdoppelung des Buchstaben S am Wortende. Diese Unterschiede reichten aus, auch weil es sich vorliegend um relativ kurze Wörter handele. Schließlich trage zur besseren klanglichen und schriftbildlichen Unterscheidbarkeit der Marken hier auch der Begriffsanklang der angegriffenen Marke bei. Das Zeichen "CRYSIS" ist deutlich an den geläufigen englischen Begriff "Crisis" (für "Krise") angelehnt; diese Bedeutung sei dem breiten Publikum auch zweifellos bekannt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt sie weiterhin die Auffassung, die Marken seien schriftbildlich und klanglich verwechselbar.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 30. April 2013 aufzuheben und die Marke 30 2010 056 453 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss.
II.
Da die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und diese nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keine Erfolg, weil eine Gefahr von Verwechslungen im Sinn vom § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht besteht.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu löschen, wenn unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungs- bzw. Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht.
Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2010, 235 - Aida/Aidu; EuGH GRUR 2005, 1042 - Thomson Life).
Der Schutz der älteren Marke ist dabei auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2007, 318 - Adam Opel/Autec).
Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Der Gesamteindruck ist deshalb maßgeblich, weil der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelteile achtet (vgl. EuGH GRUR 2007, 700 - Limoncello; BGHZ 169, 295 - Goldhase).
Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken verneint.
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.
Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke ist, wovon auch die Beschwerdebegründung vom 19. Juni 2013 ausgeht, allein für die Waren "weinhaltige Getränke" zu unterstellen, wobei Identität zu den Waren der Widerspruchsmarke in Klasse 33 besteht.
Den danach erforderlichen deutlichen Abstand hält die jüngere Marke allerdings in allen Richtungen ein, wie die Markenstelle bereits in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und überzeugend herausgearbeitet hat, worauf daher Bezug genommen werden kann. Für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr ist die Nähe der Zeichen entgegen der Annahme der Widersprechenden nicht ausreichend.
Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, Schriftbild und Sinngehalt zu beurteilen, und dabei nach dem Gesamteindruck, wie Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verbraucher in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken.
Mit Rücksicht darauf scheidet auch zur Überzeugung des Senats eine Markenähnlichkeit wegen der Einsilbigkeit der Widerspruchsmarke und den darin verdoppelten, auffälligen "s" in visueller, akustischer und nicht zuletzt begrifflicher Hinsicht aus.
So ist zunächst entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht davon auszugehen, dass die Zeichen schriftbildlich verwechselbar wären. Der Senat kann der Markenstelle nur darin beitreten, dass der Buchstabe "Y" und die Verdoppelung in "ss" der Widerspruchsmarke deutliche Unterschiede bewirken.
Auch klanglich liegt eine Verwechselbarkeit fern, da selbst bei flüchtiger Aussprache das einsilbige "kriss" nicht wie das bei jeder Aussprachevariante zweisilbige und damit auch im Rhythmus abweichende "krai-sis", "krie-sis" oder "krü-sis" (die drei denkbaren Sprechvarianten, die auch die Markenstelle herangezogen hat) klingt.
Der mit Blick auf die anzunehmenden Warennähe zu fordernde deutliche Abstand der Zeichen ist schließlich aus dem auch von der Markenstelle herangezogenen Gesichtspunkt des Sinngehalts der Anmeldemarke gegeben. Denn angesichts dessen werden klangliche Unterschiede der gegenüberstehenden Bezeichnungen vom Verkehr wesentlich schneller erfasst, so dass es im Verkehr gar nicht erst zu Verwechslungen kommt, wenn eine der gegenüberstehenden Bezeichnungen einen für jedermann verständlichen Sinngehalt aufweist (vgl. BGH Z. 28, 320, 323 Quick/Glück; BGH GRUR 1992, 130 - Bally/Ball je m. w. Nachw.). Zurecht hat die Markenstelle auf die deutlich erkennbare Anlehnung an den Begriff "Krise" oder englisch "crisis" hingewiesen, die die angesprochenen Verkehrskreise bemerken werden.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).