Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.11.2014


BPatG 25.11.2014 - 27 W (pat) 40/14

Markenbeschwerdeverfahren – "LEAN@work" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
25.11.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 40/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 001 860.5

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. November 2014 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Hermann und Richter Schmid

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 16. April 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Anmelder haben am 19. März 2013 beim Deutschen Patent und Markenamt beantragt, die Wortmarke

2

LEAN@work

3

einzutragen.

4

Die Markenstelle für Klasse 41, besetzt durch eine Beamtin des höheren Dienstes, hat die Anmeldung durch Beschluss vom 16. April 2014 teilweise zurückgewiesen, nämlich für

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16: Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)

6

35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung bei der Koordinierung geschäftlicher Angelegenheiten oder kommerzieller Funktionen von Industrie- oder Handelsunternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung in Fragen der Geschäftsführung

7

41: Erziehung; Ausbildung; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexten, nämlich für Bildungsmaterialen; Organisation das und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen, Symposien und Seminaren; Berufsberatung; Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung) und Kolloquien; Personaltraining; Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen; bereitstellen von elektronischen Publikationen; Bereitstellung von Onlineveröffentlichungen; Herausgabe von Schulungsliteratur; Veröffentlichung von Lehrmaterialien in Form von Verlagsdruckerzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke) gespeichert auf elektronischen Medien.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen entbehre insoweit jeglicher Unterscheidungskraft, da es auf das angesprochene Publikum ausschließlich als sachbezogene Angabe wirke.

I.

9

Publikum werde das angemeldete Zeichen als Inhaltshinweis dahin verstehen, dass Dienstleistungen und Waren angezeigt würden, die die Verschlankung von Vorgängen und Prozessen im Zusammenhang mit der Arbeit beträfen bzw. sich inhaltlich hierauf bezögen. Das Kurzwort „LEAN“ stehe für „Lean Management“ und sei auf die Implementierung effizienter Arbeitsabläufe gerichtet. Das @-Symbol bedeute „at“ und in Verbindung mit dem dem englischen Grundwortschatz zurechenbaren Wort „work“ „bei der Arbeit“. Ob auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, könne dahingestellt bleiben.

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Gegen den am 23. April 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die am 23. Mai 2014 erhobene Beschwerde der Anmelder.

11

Der als Adjektiv einzuordnende Ausdruck „LEAN“ entziehe sich vorliegend einer naheliegenden Bedeutung. Für das von der Markenstelle angenommene substantivische Verständnis als Abkürzung von „Lean Management“ fehlten Anhaltspunkte. Jedenfalls sei diese Auslegung nicht plausibler als die wörtliche Bedeutung „schlank bei der Arbeit“. Das von der Markenstelle angenommene Zeichenverständnis erfordere zudem qualifizierte Englischkenntnisse und eine mit beachtlichem Analyseaufwand verbundene Verknüpfung der Komponenten. Ferner weise die dem Zeichen von der Markenstelle beigelegte Bedeutung keinen Bezug zu den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen auf. Ein Zusammenhang derart, dass das Zeichen als Themenangabe wirken könnte, rechtfertige nicht die Annahme fehlender Unterscheidungskraft.

12

Die Anmelder beantragen,

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den angegriffenen Beschluss aufzuheben.

II.

14

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.

15

Die angemeldete Marke „LEAN@work“ verfügt über einen zur Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 MarkenG erforderlichen (geringen) Grad an Unterscheidungskraft (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 - HOT). Sie erschöpft sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht in einer sloganhaften Sachaussage, die das hier angesprochene Fachpublikum, vorrangig die Geschäftsführung von Unternehmen, ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solches erfasst. Insofern ist einzubeziehen, dass eine Marke so wahrgenommen zu werden pflegt, wie sie dem Publikum entgegentritt, ohne dass eine analysierende Betrachtung stattfindet (vgl. BGH GRUR 2012, 270 Rn. 12 - Link economy; Beschluss vom 22. Mai 2014 – I ZB 64/13 Rn. 9 - ECR-Award).

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Selbst wenn die Verkehrskreise den Zeichenbestandteil „LEAN“ unmittelbar im Sinn von „Lean Management“ verstehen sollten, woran nicht nur im Hinblick auf die Bedeutungen als Adjektiv „schlank“ und als Verb „lehnen“ („(to) lean“), sondern auch unter Berücksichtigung gegenüber dem Begriff „Lean Management“ spezifischerer Fachausdrücke wie „Lean Development“ oder „Lean Production“ Zweifel bestehen, entzieht sich der angemeldete Ausdruck jedenfalls als Ganzes einer unmittelbar plausiblen Einordnung. „LEAN“ als Abkürzung von „Lean Management“ zeigt eine effiziente Gestaltung der gesamten industriellen Wertschöpfungskette (anknüpfend an Womack/Jones/Roos, 1992, Die zweite Revolution in der Automobilindustrie). Die auf dieser Grundlage von der Markenstelle angenommene Gesamtaussage Lean Management im Zusammenhang der Arbeit führt allerdings zu einer redundanter Formulierung. „LEAN“ als betriebswirtschaftlicher Fachbegriff bezieht sich danach nämlich immanent ausschließlich auf die Arbeitssphäre und weist keinen Zusammenhang zu privaten Anwendungen („at home“) auf. Unter den gegebenen Umständen bedarf dieser selbstverständliche Zusammenhang keiner Erläuterung. Er kann in den Verkehrskreisen gegebenenfalls sogar Zweifel daran aufwerfen, ob ein übereinstimmendes Begriffs- und Sachverständnis besteht.

17

Nach Sachlage kommt daher vorrangig ein Verständnis des Begriffs im Sinn „Lean Management/Konzept am Werk, in Entfaltung“ in Betracht (vgl. etwa die Buchtiteln entnommenen Wendungen „detectives at work“, „brain at work“). Da „LEAN“ selbst nicht arbeitet oder wirkt, handelt es sich allerdings nur um ein übertragenes Wortverständnis, das regelmäßig erst dann aufgegriffen wird, nachdem der nur eingeschränkt plausible Aussagegehalt der o.g. wortsinngemäßen und daher näher liegenden Auslegung erkannt worden ist. Wenngleich eine begriffliche Mehrdeutigkeit das Verständnis als lediglich werbende Sachaussage nicht ausschließt, setzt die Erfassung der zweiten Wortbedeutung jedenfalls unter Einbeziehung auch der Überlegungen, derer das zugrunde gelegte Verständnis von „LEAN“ bedarf, verschiedene Gedankenschritte voraus, die selbst ein sprachkundiges Publikum regelmäßig nicht vollziehen wird.

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Das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG greift ebenfalls nicht. Das von der Markenstelle angenommene Begriffsverständnis vermittelt keine einsichtige Sachaussage und kann daher nicht zur Beschreibung von Merkmalen der Waren bzw. Dienstleistungen im Sinn dieser Regelung dienen. Die Auslegung „Lean am Werk“ hat ihrer Natur nach eher anpreisenden Charakter. Ihr Verständnis bedarf überdies mehrerer Gedankenschritte (s.o.).

19

Die Beschwerde hat daher Erfolg.