Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.04.2016


BPatG 06.04.2016 - 27 W (pat) 39/16

Markenbeschwerdeverfahren – "FLOWLEARNING" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
06.04.2016
Aktenzeichen:
27 W (pat) 39/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 005 131.4

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. April 2016 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Deutschen Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 41, hat mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 die für die Waren und Dienstleistungen

2

Klasse 09: CDs; DVDs; Elektronische Geräte zur Übertragung von Audiosignalen; Geräte zur Aufzeichnung; Geräte zur Bildwiedergabe; Geräte zur Bildübermittlung; Geräte zur Bildübertragung; Geräte zur Speicherung von Daten; MP3-Abspielgeräte; Schulungshandbücher in elektronischer Form; Schulungshandbücher in Form von Computerprogrammen; Software

3

Klasse 16: Broschüren; Bücher; Druckereierzeugnisse; Druckereierzeugnisse für Unterrichtszwecke; Fachzeitschriften; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Prospekte; Zeitschriften [Magazine]

4

Klasse 35: Durchführung von geschäftlichen Veranstaltungen; Personalberatung Klasse 41: Ausbildung und Unterricht; Ausbildung und Weiterbildung; Betrieb von Schulungseinrichtungen; Coaching; Durchführung und Veranstaltung von Schulungen; Durchführung von Trainingskursen

5

angemeldeten Wortmarke 30 2015 005 131

6

Flowlearning

7

teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

8

Klasse 09: CDs; DVDs; Schulungshandbücher in elektronischer Form; Schulungshandbücher in Form von Computerprogrammen; Software

9

Klasse 16: Broschüren; Bücher; Druckereierzeugnisse; Druckereierzeugnisse für Unterrichtszwecke; Fachzeitschriften; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Prospekte; Zeitschriften [Magazine]

10

Klasse 35: Durchführung von geschäftlichen Veranstaltungen; Personalberatung

11

Klasse 41: Ausbildung und Unterricht; Ausbildung und Weiterbildung; Betrieb von Schulungseinrichtungen; Coaching; Durchführung und Veranstaltung von Schulungen; Durchführung von Trainingskursen.

12

nach vorangegangenem Beanstandungsbescheid vom 7. Mai 2015 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Den Begriff Flowlearning werde das Publikum dahingehend verstehen, dass es sich bei den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen um solche handele, die dem völlig vertieften, versunkenen bzw. konzentrierten Lernen dienen. Die Wortkombination stamme zwar aus der englischen Sprache, sei jedoch sprachüblich aus dem auch im Inland erkennbaren Wort „Flow“ für „fließen“ bzw. den Zustand höchster Konzentration oder Versunkenheit und „learning“ aus dem Grundwortschatz der englischen Sprache, das dem entsprechenden deutschen Wort „lernen" sehr ähnlich sei, gebildet. Sie werde von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen auch ohne weitere Englischkenntnisse unmittelbar im oben genannten Sinne verstanden. Es komme auch nicht darauf an, ob der Begriff lexikalisch nachweisbar sei oder in dem Zusammenhang häufig verwendet werde. Alle zurückgewiesene Waren und Dienstleistungen könnten mit besonders versunkenem oder konzentriertem Lernen zu tun haben, dazu dienen und dieses fördern oder sich thematisch mit entsprechenden Lerntechniken beschäftigen. Wie Flowlearning funktioniere, müsse nicht genau definiert sein. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Markenbegriffs führe nicht zu seiner Schutzfähigkeit, zumal sich aus dem Zusammenhang ergebe, worum es sich thematisch handele. Darauf, wer den Begriff ursprünglich kreiert habe, komme es ebenfalls nicht an, wenn er eine verständlichen Sachaussage enthalte. Der angemeldete Markenbegriff ergebe keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern weise direkt, in glatt beschreibender Form auf Art, Zweck und Thematik der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen hin, nämlich dass sie sich mit einer besonderen Form des Lernens, dem sehr versunkenen und vertieften Lernen, befassten.

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Dass der Begriff bereits im genannten Zusammenhang verwendet werde und nicht nur von der Anmelderin oder mit Bezug auf sie, sei aus den Recherchebelegen ersichtlich. Es handelt sich bereits um einen Fachbegriff aus dem Gebiet der Erziehung und des Lernens. Die angesprochenen Verkehrskreise werden auch nicht davon ausgehen, dass nur ein Unternehmen Waren und Dienstleistungen anbieten kann, die mit dieser Lerntechnik des Flowlearning zu tun haben. Der angemeldete Markenbegriff weise daher nicht zwingend auf die Anmelderin hin. Da der Markenbegriff hinsichtlich der zurückzuweisenden Waren und Dienstleistungen aufgrund seiner glatt beschreibenden Aussage nicht geeignet sei, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, fehle ihm diesbezüglich jegliche Unterscheidungskraft.

14

Ob auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, könne aufgrund der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

15

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

16

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 41, vom 8. Oktober 2015 aufzuheben.

17

Den Begriff Flowlearning gebe es weder im deutschen noch im englischen Sprachgebrauch. Das von der Anmelderin geschaffene Kunstwort könne keine Ware oder Dienstleistung beschreiben.

II.

18

Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG).

19

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchte Dienstleistung jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

20

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; EuGH GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; BGH GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 -Starsat; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Nr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 – EUROHYPO). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 134). Dabei sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914, Nr. 25 - WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH).

21

Es ist daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 38 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 35 und Nr. 36 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 39 - Vorsprung durch Technik).

22

Keine Unterscheidungskraft liegt vor, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) diesem (dem Zeichen) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn das Zeichen aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache besteht, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

23

Das von den Waren und Dienstleistungen angesprochene breite inländische Publikum wird die aus den zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörenden Wörtern „flow“ und „learning“ zusammengesetzte Wortfolge ohne weiteres mit „Lernen im Fluss“ übersetzen. In Bezug auf die beanspruchte Waren und Dienstleistungen wird das Publikum die angemeldete Bezeichnung lediglich in dem von der Markenstelle aufgezeigten Sinn als Werbeaussage verstehen, nämlich dass die angebotenen Waren und Dienstleistungen sich im Zusammenhang mit „Lernen im Fluss (bzw. eingedeutscht: im Flow)“ als besonders förderlich erweisen.

24

Im Übrigen wird zur Begründung der Schutzversagung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss verwiesen.

25

Da der Marke bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft der Schutz für die beanspruchte Dienstleistung zu versagen war, kann die Frage, ob einer Schutzgewährung auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, dahingestellt bleiben.