Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.06.2013


BPatG 18.06.2013 - 27 W (pat) 31/12

Markenbeschwerdeverfahren – "OpenChrom" – Unterscheidungskraft -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
18.06.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 31/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 054 990.4

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Kruppa sowie der Richterin Hartlieb

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle vom 26. Januar 2012 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

OpenChrom

3

ist für:

4

„Software zur Auswertung, Verarbeitung, Bearbeitung und Visualisierung von Analysedaten im Bereich der chemischen Analytik; Ausbildung, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Training, Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung) für die Nutzung und Anwendung von Software; Forschung an und mit einer Software zur Auswertung, Verarbeitung und Visualisierung von Analysedaten im Bereich der chemischen Analytik; Entwurf und Entwicklung von Software zur Auswertung, Verarbeitung, Bearbeitung und Visualisierung von Analysedaten im Bereich der chemischen Analytik“

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zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

6

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft mit Beschluss vom 26. Januar 2012 zurückgewiesen. Es handle sich um eine beschreibende Angabe, die dahingehend verstanden werde, dass es sich bei den Waren und Dienstleistungen um solche handle, die mit einer freien Software zum Analysieren massenspektrometrischer Daten der Chromatographie zu tun haben. Die Fachkreise aus der Computertechnik, der Chemie würden den Begriff unmittelbar im obengenannten Sinne einer bestimmten Software verstehen. „OpenChrom“ werde nicht (mehr) ausschließlich mit dem Anmelder in Verbindung gebracht, sondern sei zu einer Art Fachbegriff geworden, der auch von anderen verwendet werde, wie sich aus einer Internetrecherche ergebe.

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Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Die angemeldete Bezeichnung weise weder einen eindeutigen beschreibenden Bedeutungsgehalt auf noch wären Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden werde. Das von der Markenstelle angeführte Ergebnis einer Internetrecherche umfasse Belege über Nennungen des Begriffes „OpenChrom“, die auf eine Initiative des Anmelders zurückzuführen seien.

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Der Anmelder beantragt,

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den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.

II.

10

Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache Erfolg.

1.

11

Der angemeldeten Bezeichnung kann nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

12

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen zu dienen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik, BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 Rn. 67 - EUROHYPO; BGH GRUR 2012, 1044 Rn. 9 - Neuschwanstein).

13

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 – Link economy) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, zu diesen aber einen engen beschreibenden Bezug herstellen (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 - STREETBALL).

14

Bei der Prüfung ist von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor).

15

Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „OpenChrom“ über die erforderliche Unterscheidungskraft.

16

Das englische Wort „Open“ hat im Deutschen die Bedeutung „offen“ und ist im Computer- und IT-Bereich eine Fachbezeichnung, die je nach Sachzusammenhang entweder im Sinne von „jedermann zugänglich“ oder im Sinne von „system-, hersteller- bzw. plattformunabhängig“ zu verstehen ist (vgl. BPatG, BeckRS 2008, 25744, 24 W (pat) 197/03 - b2b-open). „Open“ bezeichnet in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, bei Datenverarbeitungs- und Kommunikationssystemen Standards und Schnittstellen möglichst weitgehend offen zu halten. Es enthält außerdem den Hinweis auf ein Produkt mit frei verfügbarem Quellcode (vgl. BeckRS 2009, 04030 27 W (pat) 197/03 - openCTI). Dementsprechend sind in diesem Bereich Zusammensetzungen bekannt wie z. B. „Open Source“ für ein frei zugängliches und veränderbares Programm mit Quellcode (vgl. Computerlexikon unter www.computerlexikon.com).

17

Der Bestandteil „Chrom“ steht für ein chemisches Element bzw. ein Metall (vgl. Duden – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. Mannheim 2007 – CD-ROM). Sichere Anhaltspunkte dafür, dass „Chrom“ als Abkürzung für „Chromatographie“ verwendet wird, bestehen dagegen nicht. Lediglich vereinzelt lassen sich kennzeichenmäßige Verwendungen mit dem Bestandteil Chrom feststellen, insbesondere in zusammengesetzten Marken, die Waren oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit Chromatographiedaten betreffen. Dagegen wird auch in Fachbeiträgen der Begriff Chromatographie nicht abgekürzt, sondern es wird stets von Chromatographie-Daten(systemen) gesprochen.

18

Die angemeldete Bezeichnung „OpenChrom“ in ihrer Gesamtheit wird vom angesprochenen Publikum daher – wenn überhaupt - mit „Offenes Chrom“ übersetzt werden, ohne dass sich damit ein bestimmter Sinngehalt feststellen ließe. Auch wenn man dem englischen Wort „open“ die im Computerbereich gängige Bedeutung von „frei zugänglich“ zugrundelegt, ergibt die Verbindung mit dem Begriff „Chrom“, der ein chemisches Element sowie ein Metall bezeichnet, keinen vernünftigen Sinn. Auch soweit die von dem angemeldeten Zeichen angesprochenen Verbraucher wegen der beanspruchten Softwareprodukte einen Zusammenhang mit Chromatographie herstellen, sehen sie darin keine reine (abgekürzte) Sachangabe, sondern eine Marke mit einer sprechenden Aussage in einer nicht gebräuchlichen Form. Der Kombination „OpenChrom“ kann für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein naheliegender beschreibender Aussagehalt entnommen werden, auch ein enger beschreibender Bezug lässt sich nicht feststellen.

2.

19

Da sich ein deutlich und unmissverständlich beschreibender Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung „OpenChrom“ nicht feststellen lässt, steht der Eintragung auch der Versagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen.

20

Die Beschwerde hat daher Erfolg.