Entscheidungsdatum: 11.06.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 055 348.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2009 und vom 17. Januar 2012 aufgehoben.
I.
Die am 17. September 2009 für die Waren und Dienstleistungen
„bespielte und unbespielte elektronische Ton-/Bildträger sowie Datenspeicher, insbesondere CDs, CD-ROMs, CDIs, MP3s, DVDs, Disketten, Videobänder, Mikrofilme je für On- und Offline-Betrieb, auch zur digitalen Datenübertragung; elektronische Publikationen jeder Art (gespeichert oder herunterladbar); Computerspiele (gespeichert oder herunterladbar); Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind; Druckerzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Büroartikel (ausgenommen Möbel); Werbung; Planung von Werbemaßnahmen; Gestaltung, Veröffentlichung und Verbreitung von Werbeanzeigen für Dritte, insbesondere in Druckerzeugnissen, im Internet und über mobile Telekommunikationsgeräte; Herausgabe und Veröffentlichung von Werbetexten; Präsentation von Firmen und Waren im Internet und anderen Medien; Veranstaltung und Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Veröffentlichung und Herausgabe von aus Texten (ausgenommen Werbetexte) und/oder Druckererzeugnissen mit Bildern und/oder Filmen bestehenden Werken, insbesondere Multimedia-Werke, soweit in Klasse 41 enthalten, jeweils auch zur Übertragung in digitalen Datennetzen; sportliche und kulturelle Aktivitäten; elektronische Publikationen (nicht herunterladbar)“
angemeldete farbige (rot, weiß, schwarz) Wort-/Bildmarke 30 2009 055 348.3
hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit zwei Beschlüssen vom 17. Dezember 2009 und vom 17. Januar 2012, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Dies wurde im Erinnerungsbeschluss damit begründet, der Wortbestandteil „medbiz“ bestehe ersichtlich aus der allgemein geläufigen Abkürzung „med“ und dem Begriff „biz“. Die Gesamtbezeichnung besitze keine ungewöhnliche Struktur und vermittle ohne weiteres Nachdenken eine verständliche Aussage. Das englische Wort „biz“ stehe umgangssprachlich für „business“ und werde in seiner Grundbedeutung von „Geschäft“ auch im Deutschen ohne weiteres verstanden. Es sei darüber hinaus den Verbrauchern bereits aus Wortzusammensetzungen wie „Business-TV“ oder „Business-Class“ geläufig. Im Deutschen bedeute Business weiterhin „Tätigkeit, Arbeit, Beruf, Gewerbe, Handel, Sache“. In Verbindung mit der gängigen Abkürzung „med“ ergebe sich daher ein Hinweis auf die Medizinbranche und je nach sachlichem Zusammenhang zwanglos eine Gesamtbedeutung wie „Medizingeschäft, Medizinhandel, Medizinberuf“ usw. Die angesprochenen Verbraucher würden den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres leicht erfassen und darin keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.
Die Kombination erwecke den unmittelbaren Eindruck einer reinen Sachangabe im Sinne eines Hinweises auf den Inhalt, die Thematik oder die Bestimmung der gekennzeichneten Produkte oder Leistungen. Es bestehe ein enger Bezug der Bezeichnung „medbiz“ zu Waren und Dienstleistungen, für die Angaben über Thema und Inhalte wichtig sein könnten. Dies gelte in erste Linie als Sachangabe für Publikationen jeder Art, aber ebenso für Veranstaltungen, die Veröffentlichung und Verbreitung von Publikationen sowie für Druckerzeugnisse, Fotografien, Datenspeicher, Computerspiele usw. Für die weiter beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei die fragliche Bezeichnung als beschreibender Hinweis auf die Bestimmung der gekennzeichneten Produkte oder Leistungen geeignet.
Der Erinnerungsbeschluss ist der Anmelderin am 24. Januar 2012 zugestellt worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 23. Februar 2012, mit der sie sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 17. Dezember 2009 und vom 17. Januar 2012 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.
Die Anmelderin hält die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit für unterscheidungskräftig. Der Bestandteil „med“ werde ohne weitere Anhaltspunkte, wie einen nachgestellten Punkt oder einen vorangestellten Zusatz wie „Dr.“, nicht als Abkürzung von Medizin verstanden. Das deutsche Publikum kenne „med" wohl in erster Linie von der bekannten Urlaubs-Resorts-Kette „Club Med“. Im Englischen stehe „med“ ohne Punkt für „Mittelmeer“. Der weitere Bestandteil „biz“ sei dem Verbraucher in Deutschland entgegen der Annahme der Markenstelle nicht ohne weiteres im Sinne von „-geschäft, -handel, -beruf“ geläufig oder verständlich.
Selbst wenn die Einzelbestandteile nicht unterscheidungskräftig sein mögen, gelte dies nicht für die Gesamtbezeichnung „medbiz“. Die Verbindung von zwei aus verschiedenen Sprachen und verschiedenen Bereichen stammenden Abkürzungen sei originell und nicht sprachregelgerecht. Erhebliche Teile des Publikums würden der Bezeichnung keine beschreibende Bedeutung entnehmen. Der von der Markenstelle angenommene Sinngehalt „Medizingeschäft“ erschließe sich erst nach einer analysierenden Betrachtung und Interpretation in mehreren Gedankenschritten.
Die angemeldete Marke sei jedenfalls wegen ihrer graphischen Gestaltung unterscheidungskräftig, da an die Graphik aufgrund der originell gebildeten und interpretationsbedürftigen Wortneuschöpfung keine hohen Anforderungen zu stellen seien.
Selbst wenn man – unzutreffend - davon ausginge, dass das deutsche Publikum „medbiz“ ohne Nachdenken und eindeutig im Sinne von „Medizingeschäft, Medizinhandel, Medizinberuf“ verstehe, fehle es dennoch für viele der beanspruchten Waren und Dienstleistungen an einem beschreibenden Bezug.
Die Waren
„unbespielte elektronische Ton-/Bildträger sowie Datenspeicher, insbesondere CDs, CD-ROMs, CDIs, MP3s, DVDs, Disketten, Videobänder, Mikrofilme, je für On- und Offline-Betrieb, auch zur digitalen Datenübertragung;
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie in Klasse 16 enthalten sind;
Schreibwaren;
Büroartikel (ausgenommen Möbel)“
hätten keinen thematischen Inhalt oder Gegenstand. Ein Verständnis als Themenangabe scheitere mithin von vornherein. Diese Waren würden auch nicht speziell für das „Medizingeschäft“ o. ä. gefertigt oder angeboten.
Die beanspruchte Dienstleistung
„Erziehung“
beschränke sich (anders als Ausbildung) nicht etwa auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten. „Erziehung“ zeichne sich in erster Linie durch eine persönlichkeitsbildende Komponente aus. Das „Medizingeschäft“ sei weder thematischer Gegenstand einer Erziehung, noch komme „Medizingeschäft“ als beschreibende Bestimmungsangabe für Erziehungsdienstleistungen in Betracht.
Ähnliches gelte für die beanspruchte Dienstleistung „Unterhaltung“. Unterhaltungsdienstleistungen würden weder speziell für das „Medizingeschäft“ angeboten, noch gehe das Publikum davon aus, dass damit der Gegenstand einer Unterhaltungsdienstleistung beschrieben werde.
Ebenso wenig sei ersichtlich, wie das Publikum „Medizingeschäft“ u. ä. als Inhalts- oder Bestimmungsangabe für
„sportliche und kulturelle Aktivitäten“
verstehen sollte. Weder würden sportliche und kulturelle Aktivitäten speziell für das „Medizingeschäft“ angeboten, noch komme „Medizingeschäft“ als Beschreibungsgegenstand dieser Dienstleistungen in Betracht.
Im Hinblick auf die Dienstleistungen
„Werbung; Planung von Werbemaßnahmen; Gestaltung, Veröffentlichung und Verbreitung von Werbeanzeigen für Dritte; Herausgabe und Veröffentlichung von Werbetexten; Präsentation von Firmen und Waren im Internet und anderen Medien; Veranstaltung und Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke“
sei zunächst daran zu erinnern, dass es sich um die Erbringung dieser Dienstleistungen für Dritte handele. Werbeagenturen und andere Unternehmen, die diese Dienstleistungen anböten, beschränkten sich dabei regelmäßig nicht auf einen so engen Gegenstand oder einen so engen Kundenkreis. Selbst das Verständnis „Medizingeschäft“ erscheine daher zu speziell, um als beschreibende Inhalts- oder Bestimmungsangabe für diese Dienstleistungen aufgefasst zu werden. Dies müsse erst recht gelten, wenn man berücksichtige, dass das Werberecht gerade für das „Medizingeschäft“ stark beschränkt sei. Ein Verständnis als beschreibende Bestimmungsangabe sei daher fernliegend.
Hinsichtlich derjenigen Waren und Dienstleistungen, die grundsätzlich ihrem gedanklichen Inhalt oder Gegenstand nach beschrieben werden könnten, stimme die Anmelderin der Markenstelle insoweit zu, dass „Medizingeschäft, Medizinberuf, Medizinhandel“ theoretisch als Thema dieser Waren und Dienstleistungen in Betracht komme. Prüfungsgegenstand sei aber nicht das Wort „Medizingeschäft“ o. ä., sondern die angemeldete Bezeichnung „medbiz“. Diese erwecke aber keineswegs „den unmittelbaren Eindruck einer reinen Sachangabe“.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.
Die angemeldete Marke entbehrt in ihrer Gesamtheit nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren und Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist.
Bei Marken, die aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit darauf zu erstrecken, ob die Marke in ihrer Gesamtheit den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (vgl. BGH BlPMZ 2000, 397 - antiKALK).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Der Senat hat abweichend von der Auffassung der Markenstelle bereits Bedenken, ob dem Wortbestandteil „medbiz“ in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ein hinreichend klar beschreibender Begriffsinhalt zu entnehmen ist. Es erscheint zweifelhaft, ob der hier angesprochene Durchschnittsverbraucher erkennen wird, dass sich „medbiz“ aus „med“ als Abkürzung für „Medizin, medizinisch“ und „biz“ als Abkürzung für „Business“ (= Geschäft) zusammensetzt. Durch die Schreibweise in einem Wort ist eine geschlossene Aussprache zu erwarten, was dazu führt, dass der Verbraucher die angemeldete Bezeichnung eher als Phantasiebegriff verstehen wird.
Auch wenn der hier angesprochene inländische Durchschnittsverbraucher die Buchstabenfolge „med“ selbst ohne den vorangestellten Zusatz „Dr.“ oder einen nachgestellten Punkt als Abkürzung von „medizinisch, Medizin“ verstehen mag, so hat der Senat Bedenken, ob der deutsche Durchschnittsverbraucher die Buchstabenfolge „biz“ als Abkürzung des englischen Wortes „business“ verstehen wird.
Der hier maßgebliche Durchschnittsverbraucher wird der Wortkombination „medbiz“ gerade in ihrer Gesamtheit keinen die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt entnehmen. Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung „Medizingeschäft“ hält der Senat ebenso wie die Anmelderin eher für konstruiert. Sie beruht auf einer zergliedernden analysierenden Betrachtungsweise, die der Verbraucher üblicherweise nicht vornimmt. Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 105). Dies ist bei der hier zu beurteilenden Bezeichnung aufgrund der Schreibweise in einem Wort nicht der Fall.
Gegen den von der Markenstelle aufgezeigten Sinngehalt spricht auch, dass die Markenstelle keine Belege für eine beschreibende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung „medbiz“ im Inland in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ermittelt hat. Eine beschreibende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung durch Dritte konnte auch der Senat nicht feststellen. Der Senat hat zwar eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung durch die Financial Times Deutschland recherchiert, die unter dem Namen „medbiz“ seit März 2006 ein monatlich erscheinendes Magazin für die Gesundheitswirtschaft herausgegeben hat. Herausgeberin der Financial Times Deutschland ist jedoch die Anmelderin, so dass dieses Verwendungsbeispiel der Anmelderin zuzurechnen ist.
Letztlich kann die Frage der Schutzfähigkeit der Wortbestandteile jedoch dahingestellt bleiben. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Bedenken gegen die Schutzunfähigkeit der Wortbestandteile in ihrer Gesamtheit genügt die graphische Ausgestaltung der Marke dem Senat, um dieser Unterscheidungskraft zu verleihen. Die konkrete Ausgestaltung der dreifarbigen Wort-/Bildmarke weist eine dem Schutz begründende Komplexität auf. Damit fehlt die Marke jedenfalls genau in der graphischen und farblichen Merkmalskombination, in der sie beansprucht wird, nicht jegliches Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
Die konkrete Gestaltung ist auch nicht freihaltungsbedürftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Damit kann der verfahrensgegenständlichen Marke ein - wenngleich möglicherweise eher geringer - Schutz letztlich nicht abgesprochen werden. Dem stehen Belange der Allgemeinheit nicht entgegen, weil der Schutz der Marke auf die ganz konkrete Ausgestaltung beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls den Wortbestandteil „medbiz“ enthalten, aber nicht die konkrete graphische Ausgestaltung der Marke aufweisen. Vielmehr steht eine Verwendung in veränderter Gestaltungsform der Markenelemente der Allgemeinheit weiterhin offen.
Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG besteht kein Anlass, da die Wertung der graphischen Ausgestaltung durch die Markenstelle nicht willkürlich erscheint.