Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.05.2010


BPatG 03.05.2010 - 27 W (pat) 227/09

Markenbeschwerdeverfahren – "Nordwestkurve Frankfurt" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
03.05.2010
Aktenzeichen:
27 W (pat) 227/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 48 275.8

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. Mai 2010 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Schwarz und Richter Kruppa

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung der Wortmarke

2

Nordwestkurve Frankfurt

3

für folgende Waren und Dienstleistungen

4

„Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, insbesondere Stoffe, Fahnen, Heimtextilien, Standarten, Webstoffe und Textilwaren (Hand- und Badetücher), Wimpel (nicht aus Papier), vorgenannte Waren soweit in Klasse 24 enthalten; Vorführung von Waren für Werbezwecke, Waren- und Dienstleistungspräsentationen;

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Werbung durch Werbeschriften, Werbung im Internet für Dritte, Werbung;

6

Einzelhandelsdienstleistungen in den Produktbereichen der Klasse 24, alle vorgenannten Einzelhandelsdienstleistungen auch über eine Internetplattform; Internetdienste, nämlich Bereitstellen des Zugriffs auf Daten und Informationen im Internet“

7

hat die Markenstelle mit Beschluss vom 20. Dezember 2007 und die dagegen eingelegte Erinnerung mit Beschluss vom 7. Juli 2009 zurückgewiesen.

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Das ist damit begründet, bei dem angemeldeten Zeichen handle es sich im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen um keinen Unternehmenshinweis. „Nordwestkurve Frankfurt“ sei für den überwiegenden Teil der Verbraucher ein ohne weiteres verständlicher Hinweis auf die Fankurve des Fußballstadions in Frankfurt am Main. Darüber hinaus werde „Nordwestkurve Frankfurt“ in breiten Bevölkerungskreisen als Synonym für Fußballfans (und deren Kultur) verstanden, die sich bevorzugt in der Nordwestkurve aufhielten.

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Vor diesem Hintergrund sei im Hinblick auf die beanspruchten Waren der Klasse 25 ein beschreibender Hinweis auf deren Art und Bestimmungszweck, nämlich der Verwendung als Fanartikel gegeben. Ferner könne das angemeldete Zeichen als Hinweis darauf verstanden werden, dass die entsprechenden Waren, wie z. B. Fahnen, in der Nordwestkurve des Fußballstadions verkauft würden. Dass - wie der Anmelder vortrage - tatsächlich ein Verkauf nur über das Internet erfolge, sei dem angemeldeten Zeichen nicht zu entnehmen.

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An der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Verbraucher „Nordwestkurve Frankfurt“ als beschreibende Angabe in dem vorgenannten Sinn verstehe, ändere auch das Vorbringen des Anmelders, es handle sich um den Namen eines Vereins, nichts. Die Verbraucher seien daran gewöhnt, dass sich einige Fans vorzugsweise in bestimmten Kurven der jeweiligen Fußballstadien aufhielten. Dies sei z. B. in Kaiserslautern die Westkurve, bei Bayern München die Südkurve und in Frankfurt eben die Nordwestkurve. Der überwiegende Teil der Verbraucher werde das angemeldete Zeichen daher im Sinn einer Ortsangabe bzw. als Hinweis auf die entsprechende Fankultur verstehen. Dieses Verständnis stehe derart im Vordergrund, dass der Durchschnittsverbraucher nicht auf die Idee komme, die Bezeichnung könne oder solle die Herkunft einer damit versehenen Ware aus einem bestimmten Unternehmen identifizieren.

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Das gelte auch für die vorliegend beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 38. Das angemeldete Zeichen diene hier vor allem als Gegenstands- und Bestimmungsangabe. So differenziere der angesprochene Verbraucher nicht klar zwischen Werbemittlung und Gegenstand der Werbung. Er werde deshalb z. B. annehmen, die Vorführung von Waren unter der Bezeichnung „Nordwestkurve Frankfurt“ weise beschreibend darauf hin, dass mit der Dienstleistung entsprechende Fanartikel beworben würden.

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Ebenso werde der überwiegende Teil der Verbraucher die mit „Nordwestkurve Frankfurt“ gekennzeichneten „Internetdienste, nämlich Bereitstellen des Zugriffs auf Daten und Informationen im Internet“ als dahingehend beschreibend sehen, dass man mit Hilfe des angebotenen Internetdienstes nähere Informationen zu Eintracht Frankfurt oder Fanartikeln erhalten könne.

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Der Erinnerungsbeschluss ist dem Anmelder am 10. Juli 2009 zugestellt worden.

14

Er hat am 24. Juli 2009 Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, der Nachweis bei Wikipedia belege die Kommunikationsfunktion des angemeldeten Zeichens und damit dessen Unterscheidungskraft. Nach der L’Oréal -Entscheidung des europäischen Gerichtshofs (MarkenR 2009, 369) sei für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nicht allein die Herkunftsfunktion von Bedeutung; der EuGH nenne explizit weitere Markenfunktionen, wie Qualitätsfunktion sowie eine Kommunikations-, Investitions- und Werbefunktion . Generalanwalt M… spreche zutreffend von der in einer Marke „gespeicherten Information“ über die die Marke infolge der Verkaufsförderung oder die Werbung des Markeninhabers verfüge, z. B. Botschaften über immaterielle Eigenschaften, die das Image des Produkts und des Unternehmens allgemein oder speziell formten (Schlussantrag Nr. 54 in der Rechtssache C - 487/07 - L’Oréal ).

15

Diese Funktion kämen der Marke z. B. kraft eines gewissen Besitzstands, den sich der Markeninhaber erarbeitet haben müsse, ohne eine Bekanntheit im Rechtssinn zu fordern, zu. Der Erstprüfer habe bei seiner Prüfung eine Wikipedia-Seite beigefügt, aus der sich ergebe, dass die Fans durch Fahnen, Banner etc. ihrer „Kurve“ Eigenart verliehen und zudem ihr Revier kennzeichneten. Im Lauf der Zeit würden Fankurven und Tribünen so zum Markenzeichen eines Stadions oder sogar eines ganzen Vereins. Erwähnung finde unter anderem die „Nordwestkurve“ . Auch wenn Wikipedia keine rechtliche Bewertung vornehme, werde hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass mit der Bezeichnung „Nordwestkurve“ die Kommunikationsfunktion im vorbeschriebenen Sinn zum Ausdruck komme.

16

„Nordwestkurve Frankfurt“ beschreibe für Waren der Klasse 24 und 25 nicht eine Örtlichkeit, sondern sei eine Bezeichnung für ein Produkt bzw. Dienstleistungen im Hinblick auf die Kommunikationsfunktion.

17

„Nordwestkurve Frankfurt“ sein kein Synonym für die Frankfurter Fußballfans (und deren Kultur). Das ergebe sich schon aus der Tatsache, dass es weitere Fangruppen gebe, wie z. B. die „Ultras Frankfurt“ .

18

Außerdem gebe es nicht nur Frankfurter Fußballfans , die sich mit der „Nordwestkurve“ identifizierten und sich darin aufhielten.

19

Aus diesem Grund liege auch kein beschreibender Hinweis auf Art und Bestimmungszweck, wie Verwendung als Fanartikel für Anhänger von „Eintracht Frankfurt“ , vor. Für „Eintracht Frankfurt e. V.“ sei eine Vielzahl von Marken eingetragen.

20

Es gebe keinen Hinweis darauf, dass das angemeldete Zeichen als Hinweis darauf verstanden werden könnte, dass die entsprechenden Waren in der Nordwestkurve eines Fußballstadions verkauft würden. Ebenso wenig könne der Auffassung gefolgt werden, dass der überwiegende Teil der Verbraucher das angemeldete Zeichen im Sinn einer Ortsangabe bzw. als Hinweis auf die entsprechende Fankultur verstehe. Würde es sich um eine Ortsangabe im Sinn einer geographischen Herkunftsangabe handeln, müsste der angesprochene Verbraucher der abwegigen Auffassung sein, dass die Waren dort hergestellt bzw. die Dienstleistungen dort erbracht würden. Dass sich nur dort eine entsprechende Fankultur bilde bzw. gebildet habe, sei ebenso wenig nachzuvollziehen. Die auf eine „Kurve“ bezogene „Fankultur“ vollziehe sich nicht in dieser Örtlichkeit. So gebe es viele Fans in ganz Deutschland, die einen Kult bzw. eine Kultur mit einem bestimmten Verein pflegten, ohne sich dort aufzuhalten oder präsent zu sein.

21

Der Hinweis auf die Entscheidung des BGH zu „Fußball WM 2006“ überzeuge nicht. Bei dieser Bezeichnung handle es sich um eine Eventmarke. „WM 2006“ sei außerdem als EU-Marke eingetragen. Im Übrigen sei „Fußball WM 2006“ durchaus eintragungsfähig für Merchandising -Artikel (siehe Fezer, MarkenR, 4. Auflage, § 8 Rn. 417).

22

Bestimmungsangaben seien ohnehin nur solche Marken, die exakt den Bestimmungszweck beschrieben.

23

Die Annahme, dass die Marke für Dienstleistungen Internetdienste als beschreibender Hinweis darauf zu sehen sei, dass man mit Hilfe des angebotenen Internetdiensts nähere Informationen zu „Eintracht Frankfurt oder auch Fanartikeln“ erhalten könne, gehe schon deswegen fehl, weil sich die Internetdienste nicht mit „Eintracht Frankfurt“ befassten.

24

Die Markenstelle hätte bei der Prüfung einer Markenanmeldung frühere Eintragungen berücksichtigen müssen.

25

Würde man der Auffassung der Prüfer folgen, hätten z. B. auch nicht die Marken EU 002764900 „Vancouver 2010“ , die Marke DE 30550602 „Fankurven“ und DE 302008046571 „Cannstatter Kurve“ eingetragen werden dürfen. Vergleichbares gelte für die Marken „Stadion an der alten Forsterei“, „Volksparkstadion“, „Eintracht Stadion“, „Eintracht Frankfurt Fußball“, „Deutscher Fußballclub“, „Hessischer Fußball - Verband“, „Bittburger Gastfreundschaft für die Fußball Weltmeisterschaft“, „Fußball Berlin 2006“, „Fußball Dortmund 2006“, „Fußball Frankfurt 2006“, „Fußball Hamburg 2006“, „Fußball München 2006“ . Auch auf die Marken „Löwenarena“, „Rhein Neckararena“, „Mannheimarena“, „MSV Arena“ sowie „Sachsenarena“ sei in diesem Zusammenhang hinzuweisen.

II.

26

1) Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Anmelder diese nicht beantragt hat und sie nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist.

27

2) Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke steht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls das Schutzhindernis aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

28

Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende Eignung, Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer zu unterscheiden.

29

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, gibt es insbesondere in Fußballstadien Tribünenbereiche, die als „Kurve“ bezeichnet und nach ihrer Lage mit Himmelsrichtungen spezifiziert sind. Viele Fans halten sich bevorzugt in einer bestimmten Kurve auf, wo sie Gleichgesinnten begegnen. Die Vereine achten auch darauf, dass sich in den einzelnen Bereichen stets nur Fans einer Richtung befinden. In diesen Fanblocks wird die Zugehörigkeit u. a. durch Fahnen, T-Shirts, Schals, Kappen und Stofftransparente zum Ausdruck gebracht. Für Stoffe und Textilwaren ist „Nordwestkurve Frankfurt“ daher kein unterscheidungskräftiger Hinweis auf den Hersteller, sondern auf die Vorliebe des Trägers.

30

Einzelhandelsdienstleistungen in realen Geschäften wie in virtuellen Internetshops beziehen sich häufig allein auf Fanartikel einer Ausrichtung, so dass „Nordwestkurve Frankfurt“ auch in diesem Zusammenhang nicht unterscheidungskräftig ist, sondern die Produktpalette und die angesprochenen Kreise angibt.

31

Präsentationen erfolgen oft an Orten, deren Image den präsentierten Angeboten zu Gute kommen soll. Tribünenbereiche bestehen auch nicht nur aus Sitzreihen, sondern ebenso aus dazugehörigen Räumen, in denen Veranstaltungen aller Art durchgeführt werden können. Dabei ist es durchaus denkbar, dass der Vermieter solcher Räume eine einprägsame, im Volksmund gebräuchliche Bezeichnung, wie eben „Nordwestkurve“, verwendet, die das Image der Örtlichkeit wiedergibt.

32

Dass in Stadienbereichen Werbung stattfindet und der Werbende durchaus einen bestimmten Bereich, wie eine bestimmte Fankurve, bevorzugt, erscheint naheliegend, da er sich dadurch z. B. eine höhere Präsenz bei Fernsehübertragungen versprechen kann. Auch im Internet kann der lokale Bezug noch deutlich werden.

33

Ob bzw. inwieweit einer Registrierung der als Marke angemeldeten Wortfolge auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann offen bleiben.

34

3) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.

35

4) Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung. Es ist weder ersichtlich noch vom Anmelder aufgezeigt, dass der vorliegende Fall eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft. Die Entscheidung des Senats erschöpft sich vielmehr in der einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.