Entscheidungsdatum: 28.02.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2009 030 452.1
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner am 28. Februar 2012
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung des Wort-/Bildzeichens
nach Beanstandung mit Bescheid vom 7. Januar 2010 mit Beschlüssen vom 14. April 2010 und vom 23. Dezember 2010, wovon letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Papier, Pappe und Materialien, die aus diesen Materialien bestehen, Druckerzeugnisse, Buchbindeerzeugnisse, Fotografien, Lehr- und Unterrichtsmaterial, Verpackungsmaterial aus Kunststoff, Büromaterial, Verpackungen,
Klasse 18: Reise- und Handkoffer, Taschen, Regenschirme, Sonnenschirme,
Klasse 25 Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen,
Klasse 28: Spiele, Spielzeug, Sportartikel, Sportgeräte,
Klasse 35: Werbung,
Klasse 41: Erziehung, Ausbildung, sportliche und kulturelle Aktivitäten,
Klasse 42: Wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten,
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung führt die Markenstelle aus, es handle sich um eine allgemeine Werbeaussage. Der schlagwortartige Slogan könne außerdem sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen in werblich anpreisender Weise aber auch allgemein dahingehend beschreiben, dass diese mit mehr Sachverstand und mehr Engagement hergestellt und angeboten bzw. erbracht würden.
Es handle sich um die allgemein verständliche Aussage, dass man mehr wissen müsse, um mehr zu tun, bzw. dass man mehr wissen und mehr tun müsse, was als Appell aufgefasst werden könne.
Bezüglich wissensver- bzw. übermittelnder Waren und Dienstleistungen (z. B. Lehr- und Unterrichtsmaterial, Druckereierzeugnisse, Erziehung, Ausbildung) drücke „MEHR WISSEN MEHR TUN!“ nur aus, dass diese geeignet seien, mehr Wissen zu vermitteln, um mehr tun zu können.
Da „MEHR WISSEN MEHR TUN!“ lediglich die Gefühle des Publikums anspreche und darüber hinaus keine Vorstellung über die Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen vermittle, fehle jegliche Unterscheidungskraft.
Das angemeldete Zeichen weise auch keine schutzbegründende Kreativität bzw. Originalität oder Prägnanz auf.
Die graphische Ausgestaltung sei für eine Schutzfähigkeit nicht ausreichend. Es handle sich um eine werbeübliche Gestaltung mit üblichen werbegraphischen Dekorations- und Blickfangmitteln und sei somit nicht hinreichend eigenwillig und prägnant genug, um Unterscheidungskraft zu begründen.
Der Beschluss im Erinnerungsverfahren ist dem Anmelder am 28. Dezember 2010 zugestellt worden.
Dagegen wendet er sich mit seiner Beschwerde vom 27. Januar 2011.
Er ist der Auffassung, die angemeldete Bezeichnung sei unterscheidungskräftig. Sie sei nicht beschreibend, sondern mehrdeutig schillernd und lasse unterschiedlichste Assoziationen zu. Auch als anpreisende Werbeaussage treffe sie keine Aussage über angebotene Waren oder Dienstleistungen, insbesondere nicht bei Büromaterial oder Verpackungen.
Die Aussage, dass „mehr Wissen zu mehr Tun“ führe, mache bei der Herstellung von Produkten keinen Sinn. In diesem Bereich komme es gerade darauf an, weniger zu tun, um beispielsweise Kosten und Herstellungszeiten einzusparen. Mehr Wissen würde also gerade in diesem Segment dazu führen, weniger zu tun.
Die besondere graphische Ausgestaltung habe den Effekt, dass die Wortfolge nicht als einfacher Slogan wirke. Es sei vielmehr ein kompaktes Bild, das auf den ersten Blick eher einem Logo entspreche als einem Slogan. Die graphische Ausgestaltung sei komplex. Die Anordnung der Worte in drei Zeilen verschaffe den Eindruck eines Quadrats, die Schriftgröße nehme von oben nach unten ab, die Zeilen wiesen exakt die gleiche Länge auf, und es werde deutlich, dass die Begriffsinhalte (mehr, Wissen, mehr tun) jeweils gleichwertig zueinander anzusehen seien. Hinzu komme das außerhalb des Schriftblocks schräg gestellte und die exakten und geraden Abmessungen durchbrechende Ausrufezeichen. Durch diese Anordnung komme ihm eine besondere Bedeutung zu, es gehe nicht in der Gesamtgraphik unter. Schließlich sei die Wortfolge grammatikalisch nicht korrekt gebildet, da dem Satz das notwendige Komma hinter „wissen“ fehle.
Es sei schließlich nicht ersichtlich, weshalb Slogans wie „We love to entertain you!“, „Mehr wissen über besseres Klima!“, „Mehr Wissen, Mehr Gesundheit! und „Die tun was!“ unterscheidungskräftiger sein sollten als das angemeldete Zeichen.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 vom 14. April 2010 und vom 23. Dezember 2010 aufzuheben und die Eintragung der angemeldeten Marke zu beschließen.
II. |
Die nach § 66, § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG).
Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da der Anmelder keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat und der Senat diese auch nicht für erforderlich hält.
2.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil dem angemeldeten
Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Markenstelle hat dies zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.
a)
Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen, von denjenigen anderer zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 - Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2009, 949, Rn. 28 - My World).
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf das beteiligte Publikum zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2).
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Wortfolge ist auf deren Gesamtheit abzustellen (BGH GRUR 2001, 162 - Rational Software Corporation). Wortfolgen haben keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verbraucher lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache bestehen, die, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solche und - auch in ihrer Zusammenstellung - nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 - Individuelle).
b)
Ausgehend hiervon fehlt der Wortkombination „MEHR WISSEN MEHR TUN!“ jegliche Unterscheidungseignung und Unterscheidungskraft, weil sie für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres erkennbar lediglich eine sachliche Aussage enthält und daher nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.
Das hier angesprochene - durchaus allgemeine - Publikum versteht die aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache bestehende Wortfolge als Aufforderung dahingehend, dass mit mehr Sachverstand und mehr Engagement mehr gehandelt werden solle. Das vermittelt im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen - auch ohne jeden beschreibenden Anklang - keinen Herkunftshinweis.
Soweit der Anmelder Waren und Dienstleistungen beansprucht, die Wissen vermitteln können, insbesondere „Druckerzeugnisse, Fotografien, Lehr- und Unterrichtsmaterial, Spiele; Erziehung, Ausbildung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten“, kommt die beschreibende Bedeutung hinzu, dass diese geeignet sind, „mehr Wissen“ zu vermitteln, um „mehr tun“ zu können.
Die Markenstelle hat dies zutreffend dargestellt. In der Bedeutung „dass man mehr wissen muss, um mehr zu tun“ bzw. „dass man mehr wissen und mehr tun muss“ liegt ein Appell, der auch für Erziehung, Ausbildung und sportliche und kulturelle Aktivitäten eine thematische Aussage und kein Herkunftshinweis ist. Dies gilt zudem nicht nur für Druckerzeugnisse, Buchbindeerzeugnisse, Fotografien, Lehr- und Unterrichtsmaterial, die dieses Thema zum Inhalt haben können, sondern auch für Spielzeug, Sportartikel und Sportgeräte sowie für Werbung, die sich damit befassen können, größeren Erfolg bzw. Effizienz durch einen Wissenszuwachs zu erreichen.
Ferner kann die angemeldete Wortfolge als werbeübliche Aufforderung wirken, sich endlich die nötigen Kenntnisse zu verschaffen, um tragfähige Entscheidungen zu treffen bzw. Handlungskonzepte zu entwickeln. Die beanspruchten Dienstleistungen und Waren können entsprechende (Bildungs-) Inhalte für nachhaltige Entwicklung vermitteln bzw. zum Gegenstand haben.
Dies gilt entgegen der Annahme des Anmelders auch für Papier, Pappe und Materialien, die aus diesen Materialien bestehen, Verpackungsmaterial aus Kunststoff, Büromaterial, Verpackungen, Reise- und Handkoffer, Taschen, Regenschirme, Sonnenschirme sowie Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen. Mit dem Anliegen, über sehr vielfältige Facetten der Nachhaltigkeit zu informieren, zum Nachdenken anzuregen und für nachhaltiges Handeln zu begeistern, können alle beanspruchten Waren Gegenstand des Appells „MEHR WISSEN MEHR TUN“ für die Umwelt sein.
Dass die angemeldete Wortfolge mehrere Lesarten zulässt, vermag Schutzfähigkeit nicht zu begründen, denn in allen Bedeutungen liegt jedenfalls kein Herkunftshinweis (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit liegt nicht vor.
Verschiedene gleichwertige Bedeutungen einer Marke sprechen nicht für deren Unterscheidungskraft, wenn sich in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen alle vernünftiger Weise zu erwartenden Deutungsmöglichkeiten als sachbezogen oder sonst als zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ungeeignet erweisen (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2004, 778, 779 - Urlaub direkt).
Trotz der vagen Sachaussage steht der Charakter als werblich anpreisende Aufforderung im Vordergrund, und der Verbraucher wird den Slogan immer nur als allgemein anpreisende bzw. als sachbezogene Angabe, nicht jedoch als individualisierenden Herkunftshinweises ansehen.
Auch die graphische Ausgestaltung vermag nicht, das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden.
Eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete Gestaltung ist nicht erreicht (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2001, 734, 735 - Jeanshosentasche; BPatG BlPMZ 2006, 179, 180 - schwarz-blaues Quadrat). Die unauffällige Schreibweise und die mehrzeilige Anordnung des Slogans sind keine über eine dekorative Art hinausgehenden charakteristischen Merkmale und reichen zur Erfüllung der Herkunftsfunktion nicht aus. Auch die Darstellung der Wortfolge in Form eines Quadrats ist dafür nicht ausreichend phantasievoll und eigenwillig. Das daneben angeordnete Ausrufezeichen wirkt lediglich als Hinweis, wie wichtig die Aussage ist.
c)
Der Anmelder kann aus der Schutzgewährung für andere Marken keinen Anspruch auf Eintragung ableiten.
Es wurden entsprechende Slogans auch zurückgewiesen. Eine Bindungswirkung allein durch Eintragung anderer Slogans besteht daher nicht.
Ohnehin kann sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost).
Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage, und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201 - Schwabenpost).
Dass in der Vergangenheit Slogans als Marke eingetragen wurden, deren Schutzfähigkeit bezweifelt werden darf, kann nicht dazu führen, nunmehr jeden Slogan als Marke einzutragen. Entscheidend ist allein, ob der aktuell zu beurteilende einen Herkunftshinweis vermittelt.
3.
Ob und inwieweit der Eintragung zusätzlich das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
4.
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.
Eine falsche Sachbehandlung durch die Markenstelle im vorliegenden Fall und sonstige Gründe für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sind ebenso wenig erkennbar wie Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der vorliegende Fall wirft weder grundsätzliche Rechtsfragen auf, noch weicht der Senat von Entscheidungen anderer Senate oder Gerichte ab. Die Entscheidung erschöpft sich vielmehr in der einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.