Entscheidungsdatum: 11.12.2015
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2013 047 819.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Dezember 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, der Richterin kraft Auftrags Seyfarth und der Richterin Akintche
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Dezember 2014 wird aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
ARTGESCHOSS
ist am 23. August 2013 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- nd Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 hat die Markenstelle für Klasse 41 des DPMA die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Poster, Kataloge; Bilder, gerahmt oder ungerahmt; Bücher; graphische Darstellungen; Fotografien; lithographische Kunstgegenstände; Lithographien; Plakate aus Papier oder Pappe; graphische Reproduktionen; Künstlerbedarfsartikel;
Klasse 35: Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Einzelhandelsdienstleistungen mit Druckereierzeugnissen, Künstlerbedarfsartikel, Bekleidungsstücke;
Klasse 41: Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke, insbesondere Kunstausstellungen und Werksschauen; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Theater-Aufführungen, Filmvorführungen; Betrieb von Museen; Betrieb einer Kunsthochschule; Organisation und Veranstaltung von Konzerten und Seminaren; Ausbildung, insbesondere Kunsterziehung; Erziehung auf Akademien.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Begriff „ARTGESCHOSS“ werde vom Verkehr dahingehend verstanden, dass es sich bei den Waren und Dienstleistungen um solche handele, die mit Kunst zu tun haben und auf einer Etage angeboten werden. Die Wortkombination sei sprachüblich gebildet und setze sich aus dem englischen Wort „Art“ für „Kunst“ und dem deutschen Substantiv „Geschoss“ für eine „Etage, Stockwerk“ zusammen. Auch im deutschen Sprachraum werde das Wort „Art“, das aus dem englischen Grundwortschatz stamme, für „Kunst“ verwendet. Alle zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen könnten auf einer Kunstetage angeboten bzw. erbracht werden. Genau zu definieren, was in einem Artgeschoss alles präsentiert werden könne, sei nicht erforderlich. Eine gewisse Unschärfe des Begriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Die Gesamtheit des angemeldeten Markenwortes enthalte keine über die Bedeutung der Einzelbestandteile hinausgehende unterscheidungskräftige Aussage. Auch eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei nicht ersichtlich. Die Bedeutung des Wortes „Art“ im Sinne einer Verhaltensweise oder als Bezeichnung für eine Einheit im System der Tiere und Pflanzen sowie die Bedeutung von „Geschoss“ im Sinne eines Flugkörpers seien nicht naheliegend. Somit weise die beanspruchte Wortkombination in beschreibender Form auf Art, Thema und Angebots- bzw. Erbringungsort der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen hin. Lediglich in Bezug auf „Einzelhandelsdienstleistungen mit Kopfbedeckungen und Schuhwaren“ könnten keine Schutzhindernisse festgestellt werden, da diese in der Regel nicht unmittelbar mit einer Kunstetage im Zusammenhang stünden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Dezember 2014 aufzuheben.
Eine Begründung der Beschwerde hat die Anmelderin nicht vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „ARTGESCHOSS“ als Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.
1. Dem angemeldeten Zeichen fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 16 – for you).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).
Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2001,1151 - marktfrisch).
b) Nach diesen Grundsätzen kann dem Wortzeichen „ARTGESCHOSS“ das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden.
aa) Zu den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen gehören sowohl der normal kunstinteressierte Durchschnittsverbraucher als auch die Fachkreise, wie Künstler, Galeristen, Kuratoren usw..
bb) Das Zeichen setzt sich aus den Worten „Art“ und „Geschoss“ zusammen.
aaa) Das deutsche Substantiv „Art“ bezeichnet die Art im Sinne von „Wesensart“, „Eigentümlichkeit“ oder „Natur“ (http://www.duden.de/suchen/dudenonline/Art). Im Englischen bedeutet „Art“ „Kunst“ und zählt zum Grundwortschatz.
bbb) „Geschoss“ bezeichnet einen Gebäudeteil, der alle auf gleicher Höhe liegenden Räume umfasst (http://www.duden.de/rechtschreibung/Geschoß) ähnlich wie „Stockwerk“ oder „Etage“. Er wird vor allem im Bauwesen als Fachbegriff verwendet (http://www. Wikipedia.org/wiki/Geschoss (Architektur)). „Geschoss“ ist auch die Bezeichnung für einen „mithilfe einer Feuerwaffe auf ein Ziel geschossenen Körper“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Geschoß).
cc) Legt man das deutsche Wort „Art“ zugrunde, hat der Gesamtbegriff „ARTGESCHOSS“ keinen Sinngehalt. Geht man von der englischen Bedeutung „Kunst“ aus, die in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen näher liegt, kommt „ARTGESCHOSS“ die Gesamtbedeutung „Kunstgeschoss“ zu.
dd) Das Anmeldezeichen „Artgeschoss“ stellt allerdings keine für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen gebräuchliche Wortkombination dar.
Es konnten keine Nachweise dafür gefunden werden, dass mit diesem Begriff auf Merkmale der Waren, deren Angebotsstätte oder den Erbringungsort der Dienstleistungen hingewiesen wird. Auch eine werbemäßige Verwendung dieser Wortkombination auf dem fraglichen Waren- und Dienstleistungssektor konnte nicht festgestellt werden.
Die von der Markenstelle des DPMA vorgelegten Beispiele der vergleichbar gebildeten Begriffe „Kunstgeschoss“, „Etage Bochum“, „Kunstetage“ und „Art-etage“ werden markenmäßig bzw. als Name von Galerien und Ausstellungen benutzt. Im Vergleich zu diesen Bezeichnungen ist die Wortkombination „ARTGESCHOSS“ sogar noch weiter weg von einer beschreibenden Angabe.
Durch die Zusammenfügung der beiden Wörter ohne Bindestrich müssen die angesprochenen Verkehrskreise zunächst die beiden Wortbestandteile erkennen, dann das englische Wort übersetzen und schließlich darüber nachdenken, welche Bedeutung dem Substantiv „Geschoss“ zukommen könnte, wobei keine der erörterten Sinngehalte sich unmittelbar aufdrängt.
Es bedarf also mehrerer analysierender Gedankenschritte, um dem Anmeldezeichen die beschreibende Gesamtbedeutung zu entnehmen, dass Kunst auf einem Geschoss, also auf einer Etage, präsentiert wird. Im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist eine derartige analysierende Betrachtungsweise aber unzulässig, weil sich aus ihr keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres ersichtliche Beschreibung der Waren und Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH GRUR 2014, 565 Rdnr. 24 - smartbook; GRUR 2012, 270 Rn. 12 - Link economy).
Mangels waren- oder dienstleistungsbeschreibender Sachaussage kann dem Anmeldezeichen daher nicht die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis abgesprochen werden.
2. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann bei dem angemeldeten Zeichen auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.