Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.07.2011


BPatG 06.07.2011 - 26 W (pat) 94/10

Markenbeschwerdeverfahren – "webs the people" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
06.07.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 94/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 072 360.5

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 vom 26. Juli 2010 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung 30 2009 072 360.5 / 38 der Wortmarke

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webs the people

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für die Dienstleistungen

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„Klasse 38: Telekommunikation

5

Klasse 35: Kommunikationsdienstleistungen, nämlich organisatorische Vorbereitung und Durchführung von Kommunikationsprojekten für Fax, Sprache, Daten, E-Mail, Video, Telefonkonferenz und SMS

6

Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen, nämlich Forschung und technische Beratung sowie technische Durchführung von Projekten der Informationstechnik, dem Krisen- und Katastrophenmanagement sowie die Entwicklung und Erstellung von Produkten der Informationstechnik und des Krisen- und Katastrophenmanagements“

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mit Beschluss vom 26. Juli 2010 wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vollumfänglich zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Marke weise für die beanspruchten Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, weshalb der angesprochene allgemeine Verkehr in ihr keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehe. Es handele sich bei ihr um eine englischsprachige Wortfolge, die nach Art eines Werbeslogans gebildet sei und aus Wörtern bestehe, die auch dem allgemeinen inländischen Publikum ohne weiteres verständlich seien. Ihr erster Bestandteil „webs“ werde vom Verkehr im Zusammenhang mit den weiteren Bestandteilen als Verb aufgefasst und die gesamte Marke folglich im Sinne von „vernetzt die Leute“ bzw. „verbindet die Menschen“ verstanden. Der deutsche Verkehr empfinde die angemeldete Wortfolge auch nicht als sprachunüblich, obwohl es das Verb „(to) web“ in der englischen Sprache an sich nicht gebe, weil er wisse, dass ein und dieselben englischen Wörter, wie z. B. „appeal“, „demand“, „request“ und „connect“, häufig sowohl als Substantive als auch als Verben benutzt würden. Von dem Teil des Verkehrs, der mit den Feinheiten der englischen Sprache nicht vertraut sei, werde die grammatikalisch nicht korrekte Verwendung des Substantivs „web“ als Verb kaum bemerkt werden. Es handele sich auch nicht um eine neue und außergewöhnliche Verfremdung, weil im Internet die Benutzung des Substantivs „web“ als Verb bereits in Bezeichnungen wie „web your business“, „we web for you“, „we web ideas“ und „web you up“ feststellbar sei. In Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen sei die Wortfolge auf die rein beschreibende Aussage beschränkt, dass diese Dienstleistungen Menschen und Informationen vernetzten. Sinn und Zweck der beanspruchten Kommunikationsdienstleistungen sei eben gerade die Vernetzung bzw. Verbindung von Menschen. Auch bei den beanspruchten wissenschaftlichen und technologischen Dienstleistungen werde es vorrangig auf die Vernetzung von Menschen ankommen. Die fehlende lexikalische Nachweisbarkeit der angemeldeten Wortfolge verhelfe ihr angesichts ihres dienstleistungsbeschreibenden Charakters ebenfalls nicht zur Eintragungsfähigkeit. Auch eine schutzbegründende syntaktische oder semantische Besonderheit weise die angemeldete Marke entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht auf.

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Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, der Eintragung der angemeldeten Marke stünden für die beanspruchten Dienstleistungen die Schutzhindernisse des § 8 MarkenG nicht entgegen. Die angemeldete Marke weise für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen insbesondere auch die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf. Bei der Prüfung auf die Eignung als Herkunftshinweis habe die Markenstelle nicht hinreichend berücksichtigt, dass „jede erkennbare Abweichung“ vom üblichen Sprachgebrauch innerhalb einer Marke geeignet sei, dieser die erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden die sprachlich inkorrekte angemeldete Marke nicht nur als eine die Dienstleistungen beschreibende Angabe verstehen. Vielmehr bedürfe es erst eines gedanklichen Schrittes, um zu erkennen, dass das Substantiv „web“ in der angemeldeten Marke die Bedeutung „verbinden“ oder „vernetzen“ habe, weshalb der angemeldeten Marke die notwendige Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zukomme. Die Bezeichnung „webs the people“ sei auch nicht nur sprachlich inkorrekt und unüblich, sondern außerdem kurz und einprägsam, was bei Werbesprüchen ebenfalls für deren Unterscheidungskraft spreche.

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Die Anmelderin beantragt,

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den angegriffenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

II

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Die Beschwerde ist zulässig und erweist sich auch als begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen stehen die Schutzhindernisse des § 8 MarkenG nicht entgegen. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich nicht um eine Angabe, die zur Bezeichnung von Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen dienen kann (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) und ihr fehlt für diese Dienstleistungen entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Die angemeldete Marke ist nicht zur Beschreibung der in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen geeignet und daher nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu Gunsten des Allgemeinverkehrs und der Mitbewerber freizuhalten. Die vorstehend genannte Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Angaben, die Waren und/oder Dienstleistungen beschreiben, für diese Waren und Dienstleistungen von jedermann frei verwendet werden können. Die Zurückweisung einer Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt nicht voraus, dass die Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich für die fraglichen Waren und Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt vielmehr, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können (EuGH Mitt. 2004, 28, 29 - Doublemint). Ein Wortzeichen kann nach dieser Bestimmung von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen unmittelbar bezeichnet (EuGH GRUR 2004, 680, 681, Rdn. 38 - BIOMILD). Die bloße Kombination von Bestandteilen, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen unmittelbar beschreibt, stellt im Allgemeinen selbst eine beschreibende Angabe dar, auch wenn es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht. Dies setzt voraus, dass die Neuschöpfung auf Grund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die fraglichen Waren und Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe ihrer Bestandteile hinausgeht (EuGH a. a. O. Rdn. 39-41 - BIOMILD). Dies ist bei der angemeldeten Marke der Fall.

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Die angemeldete Wortfolge „webs the people“ besteht aus der Aneinanderreihung der englischsprachigen Begriffe „webs“ und „people“, wobei letzterem der bestimmte Artikel „the“ vorangestellt ist. Der Markenteil „the people“ hat dabei die Bedeutung „die Menschen“ bzw. „die Leute“. Der an erster Stelle der angemeldeten Marke stehende Bestandteil „webs“ ist der Plural des englischen Substantivs „web“ und hat insoweit die Bedeutung „Netze“. Im Zusammenhang mit den in der Anmeldung benannten Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation und der Informationstechnik ist das englische Substantiv „web“ zudem auch als Hinweis auf das „world wide web“, also das Internet, geeignet. Das Wort „webs“ ist jedoch im Englischen - anders in den Fällen der von der Markenstelle angeführten Vergleichsbeispiele wie z. B. „appeal“, „demand“ u. a. - nicht zugleich eine Verbform mit der Bedeutung „vernetzt“ oder „verbindet“, weil es das Verb „(to) web“ im Englischen nicht gibt. Für die vorgenannten deutschen Begriffe stehen in der englischen Sprache vielmehr allein die Wörter „weaves“ bzw. „connects“ zur Verfügung. Hiervon ausgehend stellt die angemeldete Marke insgesamt keine Wortfolge dar, die geeignet ist, eine Eigenschaft der in der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar und in einer Weise zu beschreiben, die für die Mitbewerber freigehalten werden müsste.

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Soweit die Markenstelle auf in der Werbung verwendete Slogans wie „web your business“, „we web for you“ u. a. verwiesen hat, um die Sprachüblichkeit der Verwendung des Substantivs „web“ als Verb nachzuweisen, ist festzustellen, dass es sich insoweit um im Inland verwendete Einzelfälle handelt, die die sprachliche Korrektheit der Verwendung des Worts „web“ als Verb in der englischen Sprache und ein ernsthaftes Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit dieses Wortes auch als Verb nicht zu belegen vermögen.

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Der angemeldeten Marke fehlt entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Ansicht auch nicht jegliche Unterscheidungskraft. Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, die von der Markenanmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten (Ströbele / Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8, Rdn. 41; EuGH GRUR 2002, 804, 806, Nr. 35 - Philips; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 - EUROHYPO). Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist sowohl auf die Waren und Dienstleistungen abzustellen, für die die Marke angemeldet worden ist, als auch auf die Anschauung der angesprochenen inländischen Verkehrskreise (vgl. u. a. EuGH a. a. O., Nr. 67 - EUROHYPO; GRUR 2004, 428, 431, Nr. 50 - Henkel; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710, Nr. 13 - VISAGE), wobei es hierbei auf die mutmaßliche Wahrnehmung des normal informierten sowie angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen ankommt (vgl. u. a. EuGH GRUR Int. 2006, 226, Nr. 25 - Standbeutel; GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. - VISAGE).

17

Der normal informierte Durchschnittsverbraucher von Telekommunikations- und Informationstechnikdienstleistungen kennt und versteht den Begriff „webs“ auch im Zusammenhang mit den vorgenannten Dienstleistungen zunächst nur als Plural des Substantivs „web“ und entnimmt ihm folglich zunächst nur den Begriffsgehalt „Netze“. Um ihn darüber hinaus in der von der Markenstelle der Zurückweisung zugrunde gelegten Bedeutung „vernetzt“ bzw. „verbindet“ zu verstehen, bedarf es - selbst bei Kenntnis der von der Markenstelle angeführten Beispiele aus der Werbung, in denen „web“ in Slogans im Sinne eines Verbs verwendet worden ist - eines analysierenden gedanklichen Zwischenschritts, weil es sich bei dem Markenteil „webs“ nicht nur um die Grundform des in der englischen Sprache nicht existenten Verbs „(to) web“, sondern - nach dem von der Anmelderin angestrebten Verständnis der angemeldeten Marke - um die Konjugation dieses Verbums in der 3. Person im Singular handelt. Da der Verkehr aber eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer näheren analysierenden Betrachtung zu unterziehen (EuGH GRUR 2003, 58, 60, Nr. 24 - Companyline), kann der angemeldeten Marke unter Zugrundelegung des gebotenen großzügigen Maßstabs nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Der Beschwerde war daher stattzugeben.