Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.07.2013


BPatG 03.07.2013 - 26 W (pat) 9/13

Markenbeschwerdeverfahren – "App your Cab!" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
03.07.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 9/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 010 174

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 3. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissmann und der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschlüssen vom 4. Juni 2012 und - im Erinnerungsverfahren - vom 3. Dezember 2012 die beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Dienstleistungen

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Klasse 35:

3

Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Dateienverwaltung mittels Computer; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von E-Commerce; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken

4

Klasse 38:

5

Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Bereitstellung des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; elektronische Nachrichtenübermittlung; Funkdienste; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals; Kommunikationsdienste mittels Telefon; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Personenrufdienste (Rundfunk, Telefon oder mit anderen Mitteln elektronischer Kommunikation); Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Übermittlung von Nachrichten; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging)

6

Klasse 39:

7

Transport von Personen oder Waren von einem Ort an einen anderen; Taxidienste

8

angemeldete Wortmarke 30 2012 010 174

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"App your Cab!"

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für alle beanspruchten Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Wortfolge für die beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, denn die angesprochenen Verkehrskreise würden ihr lediglich eine im Vordergrund stehende, sachlich beschreibende, anpreisende Aussage, nicht jedoch die Funktion eines betrieblichen Herkunftshinweises zuordnen.

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Das angemeldete Zeichen bestehe aus den englischen Wörtern "App", "your" und "cab". "App" sei die Abkürzung für "application" (zu Deutsch: Anwendung) und auch in der deutschen Sprache als Schlagwort für Software (Programme und sog. Add-ons) für Smartphones bekannt (vgl. Duden – Das neue Wörterbuch der Szenesprachen). "Cab" sei die englische (amerikanische) Bezeichnung für Taxi (vgl. www.leo.org; vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch). Die sprachüblich gebildete Wortfolge würde von wesentlichen Teilen des angesprochenen Verkehrs ohne Weiteres im Sinne von "bestell Dir Dein Taxi per App.!" bzw. im Sinne von "nimm das App. für dein Taxi!" verstanden. Mit dieser Bedeutung könne die Wortfolge sämtliche beanspruchten Dienstleistungen beschreiben. Der angesprochene Verkehr werde die Aufforderung "App your Cab!" lediglich als einen Sachhinweis auf den Inhalt und Gegenstand der so gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen bzw. als werbende Anpreisung, diese zu nutzen. Der Werbeslogan enthielte in seiner Gesamtheit in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen keinen darüber hinausgehenden Aussagegehalt.

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Die Tatsache, dass die angemeldete Wortfolge der englischen Sprache entstamme, vermöge eine hinreichende Unterscheidungskraft nicht zu begründen. Die beteiligten Verkehrskreise seien im Stande, die beschreibende Bedeutung der Wortfolge zu erkennen. Die maßgeblichen Verkehrskreise seien sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch die beteiligten Fachkreise, deren Verständnis jeweils allein von ausschlaggebender Bedeutung sein könne. Beim deutschen Durchschnittsverbraucher könne vorausgesetzt werden, dass er zu einer nahe liegenden Übersetzung eines Begriffs mit einer warenbezogenen Aussage in der Lage sei, ebenso wie die Fachkreise den Ausdruck in seiner Bedeutung auf Anhieb verstehen würden. Die Übersetzung der Wortfolge liege dem deutschen Verbraucher in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen nahe, auch weil entsprechende Angebote, "Taxibestellung jetzt ganz einfach per Smartphone… Bestellung über die App" beworben werden (z. B.: "Taxi-App CabCloud – Catch your Cab!", "Taxi-App"; mit Belegen versehen). Die Bedeutung der angemeldeten Wortfolge werde mit sehr geringem, keinesfalls zur Schutzfähigkeit führenden Interpretationsspielraum vermittelt, ohne dass hierfür größere Überlegungen oder eingehende Analysen notwendig wären. Die Verwendung ähnlicher Slogans wie z. B. "App Your Restaurant", "App your Chamber", "App Your Fridge" im Bereich der durch die englische Sprache geprägten Informationstechnologie sei üblich. Aufgrund der Tatsache, dass alle angemeldeten Dienstleistungen entsprechende "Apps" zum Gegenstand haben könnten, sei auch eine schutzbegründende Ungenauigkeit nicht gegeben, da sich der lediglich abstrakt beschreibende Inhalt des Slogans "App your cab" je nachdem, wie er den angesprochenen Verkehrskreisen abhängig von der Dienstleistung und/oder der Art und Weise ihrer Bewerbung gegenübertritt, konkretisiere. Aufgrund des werbeüblichen und beschreibenden Inhalts der Wortfolge "App your cab" werde der Verbraucher sie als sachlich beschreibende, anpreisende Aussage, aber nicht als Hinweis auf die Herkunft der so gekennzeichneten Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen auffassen.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie hält das Zeichen für unterscheidungskräftig, da es sich nicht direkt in die von der Markenstelle zugrundegelegten Verständnismöglichkeiten übersetzen lasse, vielmehr sinnvoll nicht übersetzt werden könne. Auf die Beschwerdebegründung vom 28. Dezember 2012 wird Bezug genommen.

14

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

15

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 vom 4. Juni und 3. Dezember 2012 aufzuheben.

II

16

Die gem. §§ 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet, denn für die begehrten Dienstleistungen fehlt der angemeldeten Marke, wie die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt hat, die Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

17

Die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist zu verneinen, sofern der Verkehr einer Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (BGH 2006, 850, 854, Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rn. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH GRUR 2006, 850, 854, Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006). Eine Bejahung der Unterscheidungskraft setzt unverändert voraus, dass das Zeichen geeignet sein muss, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Diese Eignung weist die angemeldete Marke für die mit der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungen aller Klassen nicht auf. Auch wenn eine analysierende Betrachtungsweise bei Wortzusammensetzungen nicht zulässig ist, ist es jedoch bei aus bereits bekannten sachbezogenen Begriffen gebildeten Wortneubildungen zulässig, zunächst die Bedeutung der Einzelelemente nacheinander zu prüfen (GRUR 2006, 229 Nr. 31 – BioID). Sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Neubildung und der bloßen Summe der Bestandteile besteht, ist eine aus ausschließlich beschreibenden Begriffen gebildete Wortneubildung ebenfalls als beschreibend anzusehen (EuGH GRUR 2006, 674 Tz. 86 - Postkantoor). Abkürzungen können als beschreibende Art- und Beschaffenheitsangaben in Betracht kommen, wobei insbesondere solche Abkürzungen schutzunfähig sind, die aus sich heraus für die beteiligten Verkehrskreise verständlich sind (BGH GRUR1985, 41, 43 – Rehab). Unmittelbar sachbezogenen fremdsprachigen Ausdrücken fehlt die Unterscheidungskraft, wenn sie aus geläufigen Ausdrücken einer Welthandelssprache wie Englisch gebildet sind (BGH GRUR 2009, 411 (Nr. 12) - Streetball; BGH GRUR 2009, 949 (Nr. 16-20) – My World). Abwandlungen, die nicht bewusst als solche wahrgenommen werden, können keine die Unterscheidungskraft herbeiführende Eigenart enthalten (BGH GRUR2003, 882, 883 – Lichtenstein).

18

Die zurückgewiesene Marke ist eine Wortmarke, zusammengesetzt aus den Bestandteilen App, your und Cab.

19

App ist dabei eine den maßgeblichen Verkehrskreisen, insbesondere auch den Abnehmern von computerbezogenen Dienstleistungen und Taxigästen, die über ein Smartphone verfügen, geläufige Abkürzung für application, wie bereits die Markenstelle in den angefochtenen Entscheidungen und der Beanstandung vom 21. März 2012 überzeugend belegt hat; dies hat die Anmelderin auch nicht in Abrede gestellt. Die Abkürzung App ist demnach aus sich heraus für die beteiligten Verkehrskreise verständlich. Für Cab in seiner Bedeutung als Taxi kann ebenfalls auf die überzeugenden und nicht in Frage gestellten Ausführungen und Rechercheergebnisse der Markenstelle verwiesen werden.

20

Damit hat der Gesamtslogan die von der Markenstelle überzeugend herangezogenen Aussagegehalte: "Ruf Dir Dein Taxi per App" oder "Verwende die App für dein Taxi", nämlich sowohl es per App zu rufen oder zu vermieten bzw. als zur Verfügung stehend anzubieten.

21

Der Gesamtbegriff hat keinen, den beschreibenden Charakter der Einzelbestandteile aufhebenden Gehalt, auch weil er in direkter Übersetzung aus dem Englischen keine phantasievolle, von der Sachaussage wegführende Bedeutung aufweist. Entgegen der Auffassung der Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung ist eine schutzbegründende Unklarheit nicht gegeben. Der Slogan kann damit auch nicht als phantasievolle Begriffsneubildung angesehen werden. Auf die insgesamt überzeugenden Ausführungen der Markenstelle kann Bezug genommen werden.

22

Aufgrund des ohne Weiteres erkennbaren und deutlich im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalts der angemeldeten Marke fehlt dieser die Fähigkeit, diese Dienstleistungen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu kennzeichnen und von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und damit jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

23

Auch der Hinweis der Anmelderin auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil App kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Voreintragungen identischer Marken sind für die Beurteilung späterer Markenanmeldungen nicht maßgeblich. Ihnen kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, so dass auch keine Veranlassung besteht, sich bei der Prüfung einer Markenanmeldung im Einzelnen mit solchen Voreintragungen auseinanderzusetzen (EuGH GRUR 2009, 667, Nr. 15-18 - Bild.T-Online u. ZVS; BGH GRUR 2010, 230, Nr. 12 – SUPERgirl). Die Prüfung einer angemeldeten Marke ist ausschließlich auf diese Marke selbst zu beziehen (EuGH GRUR Int. 2011, 400, Nr. 77 – Zahl 1000). Auch Feststellungen zu anderen Markeneintragungen sind rechtlich nicht geboten (BPatG GRUR 2009, 1175, 1179 f. – Burg Lissingen). Eine auf Voreintragungen beruhende anspruchsbegründende Selbstbindung scheidet auch aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Erwägungen aus, weil weder das Amt noch das Gericht bei der Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke einen Ermessensspielraum haben, sondern es sich bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke um eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage handelt (st. Rspr.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 229, Nr. 47 – BioID).

24

Weitere Tatsachen, die die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke begründen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Beschwerde der Anmelderin konnte daher keinen Erfolg haben kann.