Entscheidungsdatum: 08.06.2011
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 054 170.9
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 8. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes die zur Eintragung für die Dienstleistungen
„Klasse 35: Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, auch Online, nämlich in Bezug auf Gesundheits- und Wellnessprodukte; Verbraucherberatung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Warenpräsentation, Bestellannahme, Lieferabwicklung sowie Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme, auch im Rahmen von E-Commerce; Werbung auf Webseiten und Suchmaschinen für Dritte;
Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen, Plattformen und Portale im Internet; Bereitstellung von Social-Network-Plattformen im Internet; Elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen;
Klasse 44: Beratung auf dem Gebiet der Wellness [Gesundheits- und Schönheitspflege]; Ernährungsberatung; Gesundheitsberatung“
angemeldete Wortmarke 30 2008 054 170.9
SANAFORUM
als freihaltebedürftig zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der Wortbestandteil „SANA“ leite sich von dem lateinischen Wort „sanus“ ab, das die Bedeutung von „gesund“ habe. Aufgrund seiner sachbezogenen Verwendung als Hinweis auf Gesundheit in Kennzeichnungen von Produkten, die der Gesundheit dienen, werde „SANA“ von weiten Teilen des Verkehrs in seiner Bedeutung erkannt. Der weitere Markenbestandteil „FORUM“ bezeichne je nach Sachzusammenhang einen geeigneten Personenkreis, der eine sachverständige Erörterung von Problemen und Fragen garantiere (wie z. B. ein internationales Forum), eine Plattform, einen geeigneten Ort für etwas (beispielsweise eine Zeitschrift als Forum für bestimmte Fragen) sowie eine öffentliche Diskussion oder Aussprache (wie z. B. ein literarisches Forum oder ein Forum für Umweltfragen). Der lexikalisch nachweisbare Begriff stelle eine verbreitete Kurzbezeichnung für die Gelegenheit unterschiedlicher Art zu einer eher anspruchsvollen, fachkundigen Behandlung oder Diskussion bestimmter Themen dar. Die Bedeutung der angemeldeten Wortverbindung erschließe sich den maßgeblichen Verkehrskreisen daher ohne weiteres im Sinne eines Gesundheitsforums, wobei dieses Forum für die Erörterung, Diskussion oder Darstellung des Themas Gesundheit aus einem Kreis von Personen, aber auch aus einem virtuellen Ort, einer Internetseite oder einem Internetportal, mithin aus jeder Art von Kommunikationsebenen bestehen könne. Die von der Anmelderin beanspruchten Dienstleistungen könnten im Rahmen eines Gesundheitsforums erbracht oder angeboten werden, sich inhaltlich mit dem entsprechenden Thema befassen oder die technischen Voraussetzungen für eine Kommunikationsebene zur Diskussion, Information oder zum sonstigem Austausch zum Thema Gesundheit im Internet schaffen. Auch Mitbewerber der Anmelderin hätten ein starkes Interesse an der ungehinderten Verwendung derartiger beschreibender Angaben.
Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie verweist auf eine Reihe ihrer Ansicht nach vergleichbarer Voreintragungen und darauf, dass der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 1. Juli 1993 (BGH GRUR 1993, 1452 - 1455 - sana/Schosana) dem Begriff „sana“, wenn auch für eine andere Warengruppe, unter Berücksichtigung des Anklanges an den Begriff „gesund“ als kennzeichnungskräftig angesehen habe. Jedenfalls für die Dienstleistungen „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, auch Online, nämlich in Bezug auf Gesundheit und Wellnessprodukte, Warenpräsentation, Bestellannahme, Lieferabwicklung sowie Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme, auch im Rahmen von E-Commerce; Werbung auf Webseiten und Suchmaschinen für Dritte“ erschließe sich die beschreibende Bedeutung des angeblichen Sinngehalts „Gesundheitsforum“ der angemeldeten Marke nicht.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. August 2009 und 11. Juni 2010 aufzuheben.
Ergänzend wird auf die Akte des Amtes 30 2008 054 170.9 Bezug genommen.
II.
Die gem. § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Dem angemeldeten Zeichen fehlt die notwendige Unterscheidungskraft i. S. d. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zusätzlich unterliegt „SANAFORUM“ als Bestimmungsangabe für die angemeldeten Dienstleistungen einen Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
1.
Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Kommt einem fremdsprachigen Markenwort eine beschreibende Bedeutung zu, genügt es, dass die am Handel beteiligten Fachkreise seine Bedeutung als beschreibend erkennen, um das Markenwort von einer Eintragung auszuschließen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 32) - Matratzen Concord/Hukla; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rn. 109, 321 - 334 zu § 8). Bei Markenwörtern, die einer der ursprünglichen Welthandelssprachen Italienisch und Spanisch angehören, ist in ständiger Praxis von einer grundsätzlichen Eignung zur Beschreibung auszugehen (Hacker/Ströbele, 9. Aufl., Rn. 109, 332 zu § 8, EuGH, GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 32) - Matratzen Concord/Hukla; BPatG MarkenR 2007, 527 - 531, Rz. 19 f. - Rapido). Wörtern toter Sprachen wie Latein fehlt die Schutzfähigkeit, sofern es sich um Begriffe handelt, die als Ganzes oder in ihren Wortstämmen in den allgemeinen deutschen Sprachschatz übergegangen sind (BPatGE 5, 152, Helvetia; 16, 82 - Adjutor; BPatG Mitt. 1983, 150 - Legalita; Mitt. 1983, 14 - Literate; BPatG GRUR 1998, 58 - Juris Vibri) oder auf Gebieten eingesetzt werden, in denen eine ansonsten tote Sprache als Fachsprache oder einzelne ihrer Begriffe als Fachtermini verwendet werden (vgl. BPatG GRUR 2002, 263, 264, - Arena; BPatG 10, 97 - Solo - Paraxin; EuGH GRUR 2010, 534 - 536 - PRANAHAUS, vorgehend EuG GRUR Int. 2008, 1040, 1042 (Nr. 31) - PRANA als Begriff für Leben, Lebenskraft usw., beschreibende Angabe im Bereich der Alternativmedizin -).
Zur Bedeutung und zur lexikalischen Nachweisbarkeit des Wortbestandteils „FORUM“ wird auf die zutreffenden und von der Anmelderin unbeanstandet gebliebenen Ausführungen der Markenstelle Bezug genommen.
Bei dem Wortbestandteil „SANA“ handelt es sich im Spanischen, Italienischen und im Lateinischen um die weibliche Form des Adjektivs „sanus“ (vgl. PONS; Wörterbuch für Schule und Studium, Latein-Deutsch, 2003) bzw. „sano“ (vgl. http://de.bab.la/woerterbuch/spanisch-deutsch/sana; Langenscheidt, Handwörterbuch Spanisch, Neubearb. 2006; Langenscheidts Millennium-Wörterbuch Italienisch, 2000) in seiner Bedeutung „gesund“. In der Kunstsprache Esperanto entspricht das Adjektiv „sana“ ebenfalls dem deutschen Adjektiv „gesund“ (vgl. Großes Wörterbuch Deutsch-Esperanto, Erich Dieter Krause, 2007).
Durch die beanspruchten „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, auch Online, in Bezug auf Gesundheits- und Wellnessprodukte“ sowie die Dienstleistungen „Verbraucherberatung“, „Gesundheitsberatung“, „Ernährungsberatung“ und „Beratung auf dem Gebiet der Wellness [Gesundheits- und Schönheitspflege]“ werden die allgemeinen Interessenten für derartige Produkte und Dienstleistungen ebenso angesprochen wie die am Handel mit Gesundheits- und Wellnessprodukten beteiligten Fachkreise und die Erbringer von Dienstleistungen mit Fachkenntnissen auf den Gebieten der Gesundheits- und Ernährungsberatung.
Der Wortbestandteil „SANA“ ist in seiner Bedeutung „gesund“ bereits Teilen der allgemeinen Interessenten für Gesundheitsprodukte und -dienstleistungen durch das lateinische Zitat aus den Satiren des altrömischen Dichters Juwenal „Mens sana in corpore sano“ (in einem gesunden Körper möge auch ein gesunder Geist wohnen) bekannt. Auch derjenige, dem das im Deutschen übliche Fremdwort „Sanatorium“ geläufig ist, wird die Vorsilbe „SANA“ mit Gesundheit in Verbindung bringen. Jedenfalls aber gehören die am Handel mit Gesundheits- und Wellnessprodukten beteiligten Fachkreise und die Erbringer von Dienstleistungen mit Fachkenntnissen auf den Gebieten der Gesundheits- und Ernährungsberatung zu denjenigen Branchen, in denen „sana“ als lateinische Form in ihrer Bedeutung „gesund“ erkannt und verwendet wird (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., Rdz. 109, 334 zu § 8). So sind im Branchenbuch „Gelbe Seiten“ deutschlandweit 161 Gewerbebezeichnungen gelistet, die den Wortbestandteil „Sana“ enthalten (www.gelbeseiten.de). Eine nicht geringe Anzahl von ihnen, wie beispielsweise „SANA Personaltraining und Physiotherapie“, „pro-sana Fittness- und Ernährungskonzepte“, „SANA VITA Akademie für Gesundheitsberatung - Heilpraktiker-Schule - Gesundheitszentrum“, bieten Dienstleistungen zur Gesundheits- und Ernährungsberatung und/oder den Handel mit Gesundheits- und Wellnessprodukten an. Letzterer wird, wie auch die Unternehmensbezeichnung der Anmelderin erkennen lässt, häufig mit dem Handel von Medizin- oder pharmazeutischen Produkten kombiniert. Die an Heilpraktiker gerichtete Fachliteratur zeigt (vgl. z. B. Richter, Lehrbuch für Heilpraktiker, 5. Auflage 2004), dass auch deren Aus- und Fortbildung nicht ohne lateinische Fachbegriffe auskommt. Auch diejenigen auf Gesundheits- und Wellnessprodukte spezialisierten Fachhändler und Gesundheitsberater, die nicht bereits durch eine medizinische oder pharmazeutische Berufsausbildung oder ein Latinum über Kenntnisse der lateinischen Sprache verfügen, sind in der Lage, die Bedeutung der zur Beschreibung der Eigenschaft „gesund“ verwendeten lateinischen Formen zu erkennen.
Mithin wird die angemeldete Wortkombination von den am Handel beteiligten Fachkreisen in ihrer durch die Markenstelle zutreffend ermittelten Bedeutung „Gesundheitsforum“ verstanden.
Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei „SANAFORUM“ um eine Wortbildung handelt, die nicht den Regeln der lateinischen Grammatik entspricht, weil sie die weibliche Form eines Adjektivs mit einem Nomen im Neutrum kombiniert. Der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form vermittelt werden sollen (vgl. Ströbele, a. a. O., Rn. 117 zu § 8). Dass sich Wortneubildungen häufig nicht an grammatikalischen Regeln orientieren, ist ihm bekannt. Auch grammatikalisch fehlerhafte, ihm gleichwohl verständliche Sachaussagen wird der Verkehr durchaus als solche und damit nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 marktfrisch; GRUR 2004, 778, 779 URLAUB DIREKT; BPatG GRUR 1996, 489 Hautactiv; BPatGE 40, 57TeleOrder; Meyer GRUR 2001, 204, 205; vgl. auch EuG GRUR Int. 2006, 44, 46 (Nr. 84) LIVE RICHLY; SchweizBG 2005, 366 Micropor; RKGE 2005, 467, 468 Boysworld).
Die vorgenannten Feststellungen stehen nicht in Widerspruch zu den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner von der Anmelderin zitierten Entscheidung (GRUR 1993, 972 - 975, Rdz. 18 - Sana/Schosana). Auch der Bundesgerichtshof hat hervorgehoben, das „Sana“ als weibliche Form des lateinischen Adjektivs „gesund“ von Teilen des Verkehrs - zu denen im hiesigen Fall die angesprochenen Fachverkehrskreise gehören - als beschreibend verstanden werden kann.
Ein Gesundheitsforum, welches, auf einer Internetplattform basierend, der Gesundheit zuträgliche Produkte vertreibt sowie Gesundheits- und Ernährungsberatung anbietet, vermag dem Kunden sämtliche von der Anmelderin beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 44 zu offerieren. Auch Werbung auf Webseiten und Suchmaschinen für Dritte zählt zu den Dienstleistungen, die typischerweise vom Angebot eines solchen Onlineforums umfasst sind. Zumindest die angesprochenen Fachverkehrskreise werden „SANAFORUM“ im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen daher nur als Sachhinweis auf ein solches Gesundheitsforum, aber nicht als betrieblichen Herkunftshinweis wahrnehmen. Dem angemeldeten Zeichen fehlt daher das zu seiner Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
2.
Zugleich vermag „SANAFORUM“ die Bestimmung der angemeldeten Dienstleistungen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bezeichnen. Wie schon die Markenstelle festgestellt hat, muss es Mitbewerbern daher unbenommen bleiben, das angemeldete Zeichen ebenfalls als Sachhinweis darauf zu verwenden, dass die von der Anmelderin beanspruchten Dienstleistungen in einem Gesundheitsforum angeboten werden, welches auf einer Internetplattform basieren kann.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.