Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.10.2012


BPatG 24.10.2012 - 26 W (pat) 78/12

Markenbeschwerdeverfahren – "ABI ALLES IN TROCKENEN TÜCHERN" – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
24.10.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 78/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 042 844.1

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fuchs-Wissemann, den Richter Reker und den Richter am Landgericht Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Januar 2012 und 2. Juli 2012 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Angemeldet ist die Wortmarke

2

„ABI ALLES IN TROCKENEN TÜCHERN“

3

als Kennzeichnung für die Waren

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Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken; Textilhandtücher; Badewäsche, ausgenommen Bekleidungsstücke

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Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Strandanzüge; Schuhwaren; Kopfbedeckungen

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Klasse 27: Teppiche; Fußmatten; Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material).

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Die Markenstelle für Klasse 24 hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Zeichen erschöpfe sich in einem werbeüblichen, produktanpreisenden Hinweis auf den endlich bestandenen Schulabschluss. Selbst bei Anlegung eines großzügigen Beurteilungsmaßstabs müsse der Anmeldemarke deshalb die notwendige Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, zu deren Begründung sie ausführt, die beanspruchten Waren würden durch das Zeichen nicht beschrieben; die Werbewirkung schließe die Unterscheidungskraft nicht aus. Auf die Beschwerdebegründung vom 12. Oktober 2012 wird Bezug genommen. Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Januar 2012 und 2. Juli 2012 aufzuheben.

II.

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Die nach den §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde erweist sich als begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht für die versagten Waren das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht entgegen.

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Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 - St. Pauli Girl; Beschl. v. 10.2.2000 - I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 = WRP 2000, 739 - Unter Uns). Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.1998 - Rs. C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922, 924 Tz. 28 - Canon; BGH, Beschl. v. 8.10.1998 - I ZB 35/95, GRUR 1999, 245, 246 = WRP 1999, 196 - LIBERO; GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2000 - I ZB 22/98, GRUR 2001, 162, 163 = WRP 2001, 35 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen (hier einer Redensart) auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des Weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage kann einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produkt-identifikation abgesprochen werden (vgl. BGH, MarkenR 2001, 209 - Test it; BGH GRUR 2001, 1043 Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).

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Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kann dem angemeldeten Zeichen "ABI ALLES IN TROCKENEN TÜCHERN" eine ausreichende Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Denn wie die Beschwerde zutreffend ausführt handelt es sich bei der Redewendung gerade nicht um eine allgemeine Werbeaussage oder Kaufaufforderung, sondern um eine slogan- und mottoartige Wortfolge, die Fragen aufwirft und deshalb interpretationsbedürftig ist. Sie enthält auch keinerlei beschreibenden Sinngehalt für die begehrten Waren. Die Wendung ist prägnant und weist, wie auch die angefochtenen Beschlüsse annehmen, interpretationsbedürftigen Wortwitz auf. Zudem ist der Bestandteil „ABI“, der als Abkürzung für „Abitur“ bekannt ist, nicht beschreibend, da es keine „Textilwaren, Bekleidung, Teppiche“ etc. für das Abitur gibt. Den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen genügt daher die Wortfolge "ABI ALLES IN TROCKENEN TÜCHERN", weshalb der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben war.