Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 04.12.2013


BPatG 04.12.2013 - 26 W (pat) 75/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Es ist Deine Zeit" – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
04.12.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 75/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 023 320.9

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 4. Dezember 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2010 und 15. September 2011 aufgehoben.

Gründe

I

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Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Marke

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Es ist Deine Zeit

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teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

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„Ton-, Bild- sowie Datenträger aller Art (soweit in Klasse 9 enthalten); Video- und Audioprodukte (soweit in Klasse 9 enthalten); Computerprogramme und Software; elektronische Publikationen (herunterladbar); Geräte zur Aufzeichnung, Verarbeitung, Umwandlung, Übertragung, Ausgabe und/oder Wiedergabe von Daten, Sprache, Texten, Signalen, Ton und/oder Bild; mobile Telekommunikationsgeräte; Dienstleistungen des Einzelhandels für Telekommunikationsendgeräte; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Zusammenstellung, Systematisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung und Systematisierung von Daten und Informationen über Internet-Domains und E-Mail-Adressen in Computerdatenbanken; Telekommunikation; Betrieb eines Telekommunikationsnetzes für die Kommunikation durch Übermittlung und Weiterleitung von Daten und sonstigen Informationen; Betrieb eines Telekommunikationsnetzes zur Bereitstellung des Zugriffs auf Intranet- und Internetdienste; Bereitstellen des Zugriffs auf entgeltpflichtige Informationen in Kommunikationsnetzen; Telekommunikationsdienste in Internetcafés; Bereitstellen des Zugriffs auf entgeltliche und unentgeltliche Datenbankinformationen und -auskünfte in Datennetzen, auch interaktiv über Netzwerke, auch in Form von Mehrwertdiensten, insbesondere Übermittlung von Radio- und Fernsehprogrammhinweisen und Video-on-Demand-Programmhinweisen und Onlineinformationsdienste; Mehrwertdienste bei der Benutzung von Fest- oder Mobilfunkendnetzwerken, nämlich die elektronische Weiterleitung von Daten und Informationen im Rahmen von Informationsdiensten; Bildtelefondienste; Zurverfügungstellung von Telekommunikationsdiensten für Heimarbeitskräfte (Teleworking); Erteilung von Auskünften über Telekommunikation; Internet- bzw. Intranet-Dienstleistungen, nämlich elektronische Dokumentenübermittlung; Routing von Ton, Bild, Graphiken oder Daten in Netzwerken (Telekommunikation); Telekommunikationsdienstleistungen auf dem Gebiet der Sprach- und Datenübermittlung, nämlich Telefondienste, Faxdienste, elektronisches Mailing und Ansagedienste; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen insbesondere in Form von Texten und grafischen Darstellungen über Netzwerke bzw. im Internet oder in Telekommunikationsnetzen; digitale Übertragung von Bildern und von Informationen bei Fernanzeigen und Ferneinstellungen sowie Einspeisen von Audio- und Videodaten in Telekommunikationsnetze; Mehrwertdienste im Zusammenhang mit den eigentlichen Netzdienstleistungen, nämlich Übermittlung von Informationen betreffend Sehenswürdigkeiten, Veranstaltungskalender, Sportergebnisse, Werbung, Klein- und Kontaktanzeigen, Preisausschreiben, Nachrichten, Last-Minute-Angebote, Fast-food-Lieferservice, Taxiservice und Flughafenverspätungen, Lottozahlen, Schlagzeilen aus Wirtschaft, Politik, Medien und Telekommunikation; Internetdienstleistungen, nämlich Sammeln und Liefern von Nachrichten im Internet (Presseagenturen); Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Bereitstellung des Zugriffs auf Homepages und Webseiten; Bereitstellung des Zugriffs zu Mail- und Web-Servern; Konnektierung von Internet-Domains und E-Mail-Adressen in Computernetzen; Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte; Providing, nämlich Einrichtung und Aufrechterhaltung von Internetzugängen durch Installation und Konfiguration von Software; Erstellung von Programmen (Software) zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet, Gestalten, Design und Erstellung von Homepages und Webseiten; Speicherung von Web-Seiten im Internet für Dritte (Web-Hosting); Design und Programmierung von Internetseiten für On- und Offlineauftritte; Bereitstellen von Suchmaschinen für das Internet; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich das elektronische Konvertieren von Daten für Datenbanken mittels Umwandeln von Rohdaten und Codieren von Daten, elektronisches Archivieren und Speichern von Daten, Nachrichten und Informationen; Dienstleistungen eines Providers, nämlich die softwaretechnische Wartung von Internetzugängen; Betrieb eines Mail- und Webservers durch Vermietung von Telekommunikationssoftware; Serveradministration; elektronische Speicherung von Internet-Domains und E-Mail-Adressen; digitales Bearbeiten von Audio- und Videodaten, soweit in Klasse 42 enthalten“

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zurückgewiesen, da der angemeldeten Marke für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Zur Begründung hat die Markenstelle unter Bezugnahme auf zur Bestimmung des Begriffs der Unterscheidungskraft ergangene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ausgeführt, der sprachregelgerecht gebildete und leicht verständliche Satz „Es ist Deine Zeit“ sei nicht geeignet, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der versagten Waren und Dienstleistungen zu dienen. Die angesprochenen Verkehrskreise entnähmen der alltäglichen Redewendung nur die Aussage, durch den Kauf der so bezeichneten Waren und Dienstleistungen jetzt etwas ändern bzw. bewirken zu können. Er drücke so viel aus wie „Jetzt bist du dran“ bzw. „es ist der günstige Zeitpunkt gekommen, etwas zu bewirken“ und suggeriere damit lediglich eine positive, anpreisende Stimmung. Die Verwendung einer persönlichen Anrede sei ein in der Werbung übliches Stilmittel, durch das die persönliche Ansprache verstärkt werde. Darauf, ob der Verkehr eine konkrete Vorstellung davon habe, was genau im Zusammenhang mit dem Erwerb der fraglichen Waren und Dienstleistungen bewirkt werden könne, komme es nicht an, da eine begriffliche Unbestimmtheit prinzipiell die Schutzfähigkeit einer Marke nicht begründen könne. Es liege in der Natur der Sache, dass eine allgemein gehaltene Werbeaussage einen gewissen Bedeutungsspielraum in sich trage. Trotz dieser möglichen Bedeutungsvielfalt werde der Verkehr die angemeldete Marke bei einer Verwendung im Zusammenhang mit den versagten Waren nur als allgemeine Redewendung verstehen, nicht jedoch als betriebliche Herkunftskennzeichnung. Soweit sich die Anmelderin auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen berufe, rechtfertigten diese keine andere Beurteilung der angemeldeten Marke.

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Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angemeldete Marke lasse in Bezug auf die versagten Waren und Dienstleistungen keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt erkennen. Der von der Markenstelle angenommene Aussagegehalt der angemeldeten Marke werde dem Verkehr in nur vager und unterschwelliger Form nahegebracht. Die Marke erfordere eine gedankliche Interpretation und löse bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess aus. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass die angemeldete Wortfolge im Verkehr stets nur als werbeübliche Anpreisung und nicht als Mittel zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung verstanden werde. Der angemeldeten Marke könne auch nach mehreren gedanklichen Schritten kein Bezug zu den versagten Waren und Dienstleistungen entnommen werden. Es bestehe auch kein Bedürfnis der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit des angemeldeten Slogans.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2010 und 15. September 2011 aufzuheben.

II

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke stehen für die versagten Waren und Dienstleistungen Schutzhindernisse nach § 8 MarkenG nicht entgegen. Insbesondere fehlt der angemeldeten Marke auch für die versagten Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft i. S. d. vorstehenden Bestimmung bedeutet die Eignung einer Marke, Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Unternehmen unterscheidbar zu machen (EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 - Libertel). Die Eintragung eines Zeichens als Marke kommt nur in Betracht, wenn es diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Nr. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zu Gunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (EuGH GRUR 2008, 608, 610, Nr. 59 - EUROHYPO). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (BGH a. a. O. Nr. 28 - FUSSBALL WM 2006). Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft kann schließlich solchen Angaben und Zeichen fehlen, die aus anderen Gründen nicht zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung geeignet sind, weil sie der Verkehr ausschließlich als Sachbegriff in seiner ursprünglichen Bedeutung und daher nicht als Unterscheidungsmittel verstehen wird (Ströbele/Hacker, 9. Aufl., § 8, Rn. 49 m. w. N.).

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Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von allgemeinen Werbeaussagen und Werbeslogans gelten die vorstehend dargestellten rechtlichen Maßstäbe in gleicher Weise (EuGH EuGH GRUR 2004, 1027, Nrn. 32 und 36 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; GRUR 2010, 228, Nr. 36-38 - Vorsprung durch Technik). Dabei kann eine sloganartige Wortfolge zwar auch dann Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweisen, obwohl sie gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird (EuGH a. a. O. Nr. 45 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2010, 825, Nr. 15 - Marlene-Dietrich-Bildnis II). Was jedoch im Verkehr ausschließlich als Werbung verstanden wird, stellt keine eintragungsfähige Marke dar (EuGH GRUR Int. 2011, 255, Nrn. 51 - 53 - BEST BUY).

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Die angemeldete Marke stellt auch für die Waren und Dienstleistungen, für die die Markenstelle ihr die Eintragung versagt hat, keine zur Beschreibung ihrer Eigenschaften geeignete Angabe dar, da sie über die Art, Beschaffenheit oder Bestimmung oder sonstige Eigenschaften der fraglichen Waren und Dienstleistungen keine Aussagen trifft. Auch ein enger sachlicher Bezug zu den versagten Waren und Dienstleistungen ist weder von der Markenstelle belegt noch behauptet worden und auch sonst nicht feststellbar. In der konkret beanspruchten Form ist die angemeldete Wortfolge auch im Verkehr unter Einschluss des Internets bis zum Entscheidungszeitpunkt, abgesehen von der Verwendung durch die Anmelderin selbst, nicht nachweisbar.

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Dem angemeldeten Werbeslogan kann bei Zugrundelegung der zuvor dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Unterscheidungskraft sloganartiger Wortfolgen auch aus anderen Gründen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Der Aussagegehalt der angemeldeten Wortfolge ist nämlich in Bezug auf die versagten Waren und Dienstleistungen weder rein sachbezogen noch – entgegen der in den angegriffenen Beschlüssen vertretenen Ansicht – so eindeutig rein werbemäßig, dass erwartet werden muss, die angemeldete Marke werde ausschließlich als Werbeslogan ohne Herkunftsfunktion verstanden. Indizien für die Fähigkeit eines Slogans, nicht nur als Werbung, sondern auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der sloganartig bezeichneten Waren verstanden zu werden, stellen Kürze, Originalität und Prägnanz einer Wortfolge dar. Auch die Interpretationsfähigkeit und -bedürftigkeit einer Wortfolge können ein wesentliches Indiz für das Vorliegen der notwendigen – ggf. auch nur geringen – Unterscheidungskraft sein. Hingegen bedarf es für die Bejahung der Unterscheidungskraft keines besonderen Phantasieüberschusses, so dass auch eher einfache Aussagen im Einzelfall die Herkunftsfunktion erfüllen können (EuGH a. a. O. – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 778 – Willkommen im Leben; BGH GRUR 2002, 1071 Bar jeder Vernunft; BPatG GRUR 2001, 511, 512 - Energie mit Esprit). Der angemeldete Slogan ist kurz und eingängig. Ihm kann auch nicht jede Originalität abgesprochen werden, nachdem eine Verwendung durch Dritte bisher nicht feststellbar ist. Sein Aussagegehalt ist auch nicht so eindeutig und naheliegend, wie von der Markenstelle angenommen worden ist. Es bedarf vielmehr einer gedanklichen Analyse und Interpretation, um dem angemeldeten Slogan eine der von der Markenstelle angeführten möglichen Bedeutungen entnehmen zu können. Dies gilt umso mehr, als der angemeldeten Marke nicht entnommen werden kann, für was und wann Zeit sein soll. Bei nicht beschreibenden Zeichen spricht eine derartige begriffliche Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit eher dafür, dass die betriebliche Herkunftsfunktion nicht völlig in den Hintergrund tritt und der angemeldeten Marke zumindest nicht jede Unterscheidungskraft fehlt, mag sie auch in erster Linie als Werbemittel aufgefasst werden (EuGH a. a. O. - Vorsprung durch Technik).

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Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.