Entscheidungsdatum: 27.04.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 061 777 - S 159/09 Lösch
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 27. April 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. April 2010 aufgehoben, soweit die Löschung der Wortmarke 30 2008 061 777 auch für die Waren
„Klasse 3: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Kosmetika;
Klasse 5: pharmazeutische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke;
Klasse 21: Glaswaren, insbesondere Gläser zur Aufnahme von Getränken, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten“
beschlossen worden ist. Der Löschungsantrag wird insoweit zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Der Antragsteller vertreibt seit 2005 in Italien produzierten roten Schaumwein unter der Hauptmarke „CASTLE OF DRACULA“ (30458055) in Deutschland. Die Etiketten der Schaumweinflaschen, von denen er in der Zeit von April 2005 bis April 2007 deutschlandweit ca. 40.000 Flaschen umgesetzt und im Jahre 2007 mehrere hundert Stück an die Markeninhaberin überlassen hat, tragen zusätzlich die Bezeichnung „MARSECCO“. In der Zeit von 2005 – 2009 hat der Antragsteller sein Produkt als Inhaber der Domains www.marsecco.de und www.marsecco.com u. a. auch über einen diese Domains verwendenden Internetshop veräußert. Nach Ablauf der am 30. April 2008 endenden Schutzfrist der nach Kenntnis beider Parteien nicht benutzten, bis zu ihrer Löschung am 1. Mai 2008 für die G… mbh in B…, und Waren der Klasse 33 eingetragenen Wortmarke „MARSECCO“ (39820668) hat der Antragsteller zum 1. Oktober 2008 die am 1. Dezember 2008 für die Waren
„Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Schokoladenwaren, Pralinen, Speiseeis, feine Backwaren, Konditorwaren
Klasse 32: Biere, Mineralwasser, kohlensäurehaltiges Wasser und andere alkoholfreie Getränke
Klasse 33: Weine, Schaumweine, Sekte, weinhaltige Getränke“
eingetragene Wortmarke „MARSECCO“ (30 2008 063 369) angemeldet. Mit Schreiben vom 8. November 2008 hat er noch im Eintragungsverfahren die hier streitgegenständliche Anmeldung der Wortmarke 30 2008 061 777
Marsecco
vom 24. September 2008 beanstandet. Er begehrt die Löschung dieser seit 19. Februar 2009 für die Markeninhaberin und die Waren
„Klasse 3: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Kosmetika;
Klasse 5: pharmazeutische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke;
Klasse 21: Glaswaren, insbesondere Gläser zur Aufnahme von Getränken, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten;
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Weine, Schaumweine, Sekte, weinhaltige Getränke“
eingetragenen Wortmarke 30 2008 061 777 mit der Begründung, dass ihrer Eintragung bei Anmeldung am 24. September 2008 das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG entgegengestanden habe.
Seinem Löschungsantrag hat die Markeninhaberin innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 13. April 2010 dem Löschungsantrag mit der Begründung stattgegeben, die Markeninhaberin habe in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Antragstellers ohne zureichenden Grund dieselbe Bezeichnung mit dem Ziel der Störung dieses Besitzstandes zur Eintragung angemeldet. Der schutzwürdige Besitzstand des Antragstellers ergebe sich einerseits aus den von der Markeninhaberin nicht bestrittenen, die Zeit bis zur Anmeldung der angegriffenen Marke betreffenden Absatzzahlen für mit „CASTLE OF DRACULA“ und „MARSECCO“ etikettierte Flaschen mit rotem Schaumwein und andererseits aus der Präsenz dieses Produkts in mehreren Online-Verkaufsportalen (galeria-kaufhof.de; exklusive-weine24-shop.de; Ebay.de; freese-weine.de, belvini.de). Dass die Markeninhaberin bei Anmeldung der hier streitgegenständlichen Marke am 24. September 2008 von diesem Besitzstand des Antragstellers Kenntnis gehabt habe, könne angesichts ihrer unbestrittenen Bekanntschaft zum Vertriebspartner des Antragstellers S… sowie angesichts des Umstands unterstellt werden, dass es sich bei ihr um eine langjährige Kundin des Antragstellers gehandelt habe. Dass die Markeninhaberin ihr Zeichen nicht vornehmlich zur Förderung des eigenen Wettbewerbs, sondern maßgeblich auch mit dem Ziel der Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Antragstellers angemeldet habe, ergebe sich daraus, dass sie die Marke nach Eintragung an den früheren Vertriebspartner des Antragstellers S… lizenziert habe, der inzwischen als dessen Konkurrent auf der Homepage seines Unternehmens www.pearl-couture.com unter anderem Schaumweine unter den Bezeichnungen „Marsecco“ und „Marsecco White“ anbiete. Eine entsprechende Indizwirkung komme zusätzlich dem Umstand zu, dass die Markeninhaberin gegen die prioritätsjüngere Marke des Antragstellers Widerspruch erhoben habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde, die sie bislang begründet hat.
Die Markeninhaberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. April 2010 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten des Deutschen Patent- und Markenamtes Az. 30 2008 061 777.2/33 und S 159/09 Lö Bezug genommen.
II.
Die gem. § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist in dem im Tenor bezeichneten Umfang begründet. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
1.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anmelder bösgläubig ist, sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens vorliegen, insbesondere die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder ähnliche Ware verwendet, ferner die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie ferner der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (EuGH GRUR 2009, 763 ff., 765, Nr. 38 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Wie sich dabei aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt, handelt es sich bei den vom Europäischen Gerichtshof genannten Faktoren um keine abschließende Aufzählung der Fallumstände, die in die rechtliche Prüfung und Würdigung einzubeziehen sind.
Ein bösgläubiger Markenerwerb kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen anmeldet mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren (BGH GRUR 1998, 1034 – Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; GRUR 2008, 621, 623, Nr. 21 – AKADEMIKS). Darüber hinaus kann der Erwerb eines formalen Markenrechts, unabhängig vom Bestehen eines schutzwürdigen inländischen Besitzstandes eines Dritten, aber auch dann bösgläubig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG sein, wenn sich die Anmeldung der Marke unter anderen Gesichtspunkten als wettbewerbs- oder sittenwidrig darstellt. Das wettbewerblich Verwerfliche kann insoweit insbesondere darin gesehen werden, dass ein Markenanmelder die mit der Eintragung der Marke verbundene - an sich unbedenkliche – Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH a. a. O. – Makalu; a. a. O – AKADEMIKS). Dabei ist die maßgebliche Grenze zur Bösgläubigkeit dann überschritten, wenn das Verhalten des Markenanmelders bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (BGH GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance). Daher wird die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht schon durch die Behauptung oder den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens ausgeschlossen. Vielmehr ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich, wobei sich im Einzelfall bereits die Markenanmeldung als erster Teilakt eines zweckwidrigen Einsatzes darstellen, sich ein markenrechtlich zweckfremder Einsatz aber auch erst aus der späteren Ausübung des Monopolrechts ergeben kann (BGH GRUR 2001, 242, 243 f. - Classe E; GRUR 2004, 510 ff. – S. 100; BPatG GRUR 2001, 744, 746 f.- S. 100).
Ausgehend von diesen vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen hat die Markenstelle als Ergebnis der gebotenen Gesamtabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf den gem. § 54 Abs. 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 MarkenG zulässig gestellten Löschungsantrag des Antragstellers hin im Ergebnis zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke wegen Bösgläubigkeit der Markeninhaberin bei Anmeldung am 24. September 2008 i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG beschlossen, soweit ihre Marke für die Waren
„Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Weine, Schaumweine, Sekte, weinhaltige Getränke“
eingetragen worden ist. Da die Markeninhaberin ihre Beschwerde nicht begründet hat, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sie den Beschluss für anfechtbar hält. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat daher insoweit auf die im Ergebnis zutreffenden Ausführungen der Markenabteilung 3.4 im angefochtenen Beschluss vom 13. April 2009. Die Beschwerde der Markeninhaberin gegen die Löschung der angegriffenen Marke für die genannten Waren der Klasse 33 war folglich insoweit zurückzuweisen.
2.
Im Übrigen, also hinsichtlich der weiteren Waren:
„Klasse 3: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Kosmetika;
Klasse 5: pharmazeutische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke;
Klasse 21: Glaswaren, insbesondere Gläser zur Aufnahme von Getränken, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten;“
war der angefochtene Beschluss hingegen aufzuheben, weil die Voraussetzungen zur Löschung der angegriffenen Marke i. S. d. §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG für diese von der Markeninhaberin ebenfalls beanspruchten Waren der Klassen 3, 5 und 21 nicht vorlagen.
Ein als Löschungsgrund zu berücksichtigender bösgläubiger Markenerwerb setzt nicht allein voraus, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands eines Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht anmeldet, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren. Zusätzlich muss es sich auch um die Anmeldung einer Marke für gleiche oder ähnliche Waren und Dienstleistungen handeln (vgl. Ströbele, Hacker/Ströbele, Markengesetz, 9. Aufl., Rn. 547 zu § 8; vgl. auch BGH GRUR 2008, 621 – 625 - AKADEMIKS). Diese Voraussetzung trifft auf die von der Markeninhaberin zusätzlich beanspruchten Waren der Klassen 3, 5 und 21 nicht zu, denn diese Waren liegen gegenüber Schaumweinen der Klasse 33 nicht im engen Ähnlichkeitsbereich. Dass eine Kennzeichnung dieser Waren mit der angegriffenen Marke eine unzweifelhafte rechtliche Verwechslungsgefahr (vgl. Ströbele, a. a. O, Rn. 547 zu § 8 unter Verweis auf Hildenbrandt, MarkenR 2008, 102, nachfolgend EuGH Slg. 2009 S. I - 04893, Entsch. v. 11.06.2009, Az. C-529/07 - Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli) mit den vom Antragsteller vertriebenen, u. a. mit „MARSECCO“ gekennzeichneten Schaumwein bewirken würde, steht nicht zu befürchten.
Schließlich hat der Antragsteller nicht behauptet, dass er auch hinsichtlich der in den Klassen 3, 5 und 21 von der Markeninhaberin zusätzlich beanspruchten Waren vor Anmeldung der angegriffenen Marke einen schutzwürdigen Besitzstand begründet hätte; für eine solche Annahme fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Beschluss in dem im Tenor genannten Umfang aufzuheben und der Beschwerde der Markeninhaberin insoweit teilweise stattzugeben.