Entscheidungsdatum: 24.04.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 017 792
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. April 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Oktober 2012 wird aufgehoben.
I.
Beantragt ist eine Farbmarke
bestehend aus den Farben Blau (Pantone 2747C) und Silber (Pantone 877C) in einem Verhältnis von 50:50 für die Waren
Klasse 32: Energy Drinks.
Die Markenstelle hat mit dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung mangels Unterscheidungskraft versagt. Zwar sei die grafische Darstellbarkeit (§§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 MarkenG) trotz fehlender wörtlicher Benennung der Anordnung der Farben aufgrund des vorgelegten Farbmusters im Zusammenhang mit der Markenbeschreibung als ausreichend zu erachten. Da aber im beanspruchten Warenbereich "Energydrinks" zwei- oder auch mehrfarbige Etiketten- und Getränkedosenausschmückungen üblich seien, Getränkedosen normalerweise aus dem silberfarbigen Aluminium oder Weißblech gefertigt würden und der gewählte Blauton weit verbreitet sei, spreche viel dafür, dass das angemeldete Zeichen die vom Gesetzgeber geforderte betriebliche Hinweiswirkung nicht entfalte (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die vorgelegte "Verkehrsbefragung der GfK über die Bekanntheit/Verkehrsgeltung der Farbkombination "Blau/Silber" im Zusammenhang mit Energy Drinks" aus dem Jahr 2006 vermöge gem. § 8 Abs. 3 nicht zur Eintragung zu verhelfen, da das GfK-Gutachten nicht den markenrechtlichen Erfordernissen entspreche und der ermittelte Gesamtzuordnungsgrad als zu gering zu werten sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 20. November 2012. Sie meint, in dem eng begrenzten Markt für Energy Drinks sei der Verkehr an Farben als Herkunftskennzeichen gewöhnt. Jedenfalls ergebe sich aus der bereits vorliegenden Verkehrsbefragung und der ergänzend eingeholten von Anfang 2012, dass die Farbkombination zugunsten der Anmelderin bereits zum Anmeldezeitpunkt im März 2011 durchgesetzt war. Die Anmelderin stellt den Antrag,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Oktober 2012 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Zutreffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass das angemeldete Bildzeichen markenfähig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG ist, weil es abstrakt geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. BGH GRUR 1999, 491 - gelb/schwarz; EUGH GRUR 2003, 604 - Libertel).
Auch die weitere Annahme, dass die angemeldete Marke graphisch darstellbar sei (§ 8 Abs. 1 MarkenG), entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung (BGH GRUR 2001, 1154, 1155 - Farbmarke violettfarben; BGH GRUR 2002, 427 - gelb/grün; EuGH GRUR 2004, 858 Tz. 21 - Heidelberger Bauchemie). Ausreichend graphisch dargestellt ist eine Farbkombination dann, wenn die Farben systematisch so angeordnet sind, dass sie in vorher bestimmter und beständiger Weise verbunden sind (EuGH a. a. O., Nr. 34, 35 - Heidelberger Bauchemie GmbH) und eine Bestimmung der Zuordnung der Farben und ihres flächenmäßigen Verhältnisses zueinander erfolgt (BGH GRUR 2007, 55, 56 - Farbmarke gelb/grün II). Das eingereichte Farbmuster lässt eine bestimmte räumliche Anordnung der Farben in der beanspruchten Farbkombination, nämlich blau neben silber, erkennen. Die Beschreibung benennt das Verhältnis der Farben zueinander konkret und benennt die Farben zudem unter Angabe eines anerkannten Farbcodes. Damit sind die Anforderungen an eine graphische Darstellung, wie sie vom EuGH (GRUR 2003, 604 - Libertel) aufgestellt worden sind, erfüllt.
Der Markenstelle ist auch darin beizupflichten, dass dem angemeldeten Zeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber denjenigen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von nur geringen Anforderungen auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.; BGH GRUR 2001, 1154, 1155 - Farbmarke violettfarben, m. w. N., BGH GRUR 2002, 538 - grün eingefärbte Prozessorengehäuse; BGH GRUR 2010, 637 - Farbe Gelb). Die Vergabe kennzeichnungsrechtlicher Monopole kommt aber nur dann in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. BGH MarkenR 2006, 395 - FUSSBALL WM 2006). Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EUGH a. a. O. - LIBERTEL). Gerade bei Farben ist insoweit zu beachten, dass die Vergabe unzulässiger Markenrechte es ohne weiteres ermöglichen würde, mit einer verhältnismäßig geringen Zahl von Anmeldungen den Mitbewerbern ein essentielles Gestaltungsmittel zu entziehen und einen freien, unverfälschten Wettbewerb damit weitgehend auszuschalten (vgl. EUGH GRUR 2004, 858 - Heidelberger Bauchemie, EUGH GRUR 2003, 604 - LIBERTEL). Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, hat der EUGH verbindliche Vorgaben für die Prüfung konturloser Farbmarken aufgestellt. Dabei geht er davon aus, dass Verbraucher Farben in aller Regel nur als ein Gestaltungsmittel wahrnehmen, weil diese für gewöhnlich lediglich als dekoratives Element oder als sachbezogenes Ausdrucksmittel verwendet werden, nicht aber als betriebliches Herkunftszeichen (vgl. EUGH a. a. O. - Heidelberger-Bauchemie, LIBERTEL). Aus diesem Grund besitzt eine Farbmarke nur unter außergewöhnlichen Umständen bereits von Haus aus die erforderliche Unterscheidungskraft, so dass ihre Eintragung als Marke nur im Ausnahmefall in Betracht kommt. Ein solcher Ausnahmefall setzt voraus, dass es sich bei dem einschlägigen Warengebiet um ein überschaubares, von den Kennzeichnungsgewohnheiten anderer Branchen unabhängiges und damit um ein im wirtschaftlichen Sinne spezifisches Marktgebiet handelt, in dem Farben üblicherweise nicht nur als sachbezogene oder dekorative Elemente verwendet werden, so dass der Verkehr hier bereits an die Verwendung von Farben als betriebliches Herkunftszeichen gewöhnt ist. Bei dieser Beurteilung der Unterscheidungskraft von Farben wird kein Unterschied zwischen den angemeldeten Waren selbst und den entsprechenden Warenverpackungen gemacht (EuGH a. a. O. - Libertel; BGH GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade).
Vorliegend kann mit der Anmelderin zwar von einem überschaubaren Warenbereich ausgegangen werden, weil nur eine spezifische Ware der Klasse 32, nämlich "Energy Drinks", beansprucht ist.
Entgegen der Auffassung der Anmelderin kann allerdings die weitere Voraussetzung für die Annahme eines spezifischen Markts, nämlich die Gewöhnung des Verkehrs an Farben als Kennzeichnungsmittel, nicht festgestellt werden. Dosen und Flaschen, in denen Energy-Drinks angeboten werden, weisen üblicherweise eine Farbgebung auf, die in unterschiedlichsten Farben gestaltet wird. Dass Waren in den unterschiedlichsten Farben angeboten werden, verstärkt den Eindruck eines lediglich funktionellen oder dekorativen Gebrauchs und spricht deshalb gegen einen originär herkunftshinweisenden Eindruck von Farben (st. Rspr. von BPatG und EuG, vgl. z. B. BPatG GRUR 2008, 428, 429 - Farbmarke Rot; GRUR 2009, 167, 169 - Farbmarke Sonnengelb; GRUR 2010, 71, 72 - Farbe Lila; PAVIS PROMA EuG 3.2.2011, 1-299/09 - Farbkombination Ginstergelb und Silbergrau). Für eine Gewöhnung des Verkehrs an Farben bzw. Farbkombinationen als Kennzeichnungsmittel auf dem Gebiet der Energy-Drinks hat die Anmelderin außer dem Hinweis auf die Gestaltungsvielfalt bei der Einfärbung von Energy-Drink-Dosen und auf die vorgelegten Verkehrsumfragen, die aber ebenfalls nichts zu einem allgemeinen Verkehrsverständnis bzw. einer allgemeinen Branchenübung aussagen, nichts vorgetragen oder vorgelegt. Für die Feststellung einer Branchenübung, wonach Unternehmen durch gleichbleibende eigene Farbauftritte (sog. Hausfarben) die beteiligten Verkehrskreise bei Energy-Drinks daran gewöhnt haben könnten, in der Verwendung einer bestimmten Farbe einen markenmäßigen Hinweis zu sehen, fehlt es auch sonst an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Der Anmeldemarke ist daher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abzusprechen.
Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft hat die angemeldete Marke aber für Energy-Drinks in Folge ihrer Durchsetzung im Verkehr überwunden (§ 8 Abs. 3 MarkenG).
Die Eintragung einer Marke im Wege der Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass das Zeichen in Folge seiner kennzeichenmäßigen Verwendung für die fraglichen Waren und Dienstleistungen von einem wesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird (vgl. BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 23 - VISAGE). Maßgebliche Kriterien sind dabei nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand für die Marke, der Anteil der angesprochenen Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden (vgl. EuGH GRUR 2006, 1022, Rdnr. 75 - Wicklerform; GRUR 2002, 804, Rdnr. 60 - Philips; GRUR 1999, 723, Rdnr. 51 - Chiemsee). Die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise die betreffende Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, muss auf der Benutzung des Zeichens als Marke beruhen, also einer Benutzung, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend dient (EuGH - Chiemsee, a. a. O., Rdnrn. 49, 54; EuGH - Philips, a. a. O., Rdnr. 64; BGH - VISAGE, a. a. O.).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ergibt eine Gesamtschau der vorge-tragenen Umstände (wegen der Marktstellung der Anmelderin wird auf deren Ausführungen unter B 1 im Schriftsatz vom 4. Februar 2013 verwiesen) und der vorgelegten demoskopischen Gutachten, dass das Schutzhindernis der von Hause aus fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG überwunden ist. Dies gilt im Übrigen auch für das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, sofern ergänzend vom Vorliegen eines Freihaltungsbedürfnisses ausgegangen wird. Die vorgelegten Unterlagen lassen auch hinreichend sichere Rückschlüsse zur Verkehrsdurchsetzung bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung im März 2011 zu, so dass es auch keiner Zeitrangverschiebung nach § 37 Abs. 2 MarkenG bedarf.
Zwar kann in Übereinstimmung mit der Markenstelle das Ergebnis der Verkehrsbefragung vom Dezember 2006 die Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Farbkombinationsmarke allein nicht nachweisen, da nur 43 % der Gesamtbevölkerung hierin die Farben "blau" und "silber" dem Unternehmen der Anmelderin zugeordnet haben und der daneben erwähnte höhere Zuordnungsgrad für die Verwender und Trinker von Energydrinks nicht letztlich ausschlaggebend sein kann, weil hierbei die potentiellen Käufer und/oder Verwender von Energydrinks unberücksichtigt geblieben sind, die aber in die Befragung der Endabnehmerkreise einzubeziehen gewesen wären (BGH GRUR 2006, 760, Nr. 22- LOTTO). Allerdings erlaubt der hier nachvollziehbar dargestellte Wert von 77 % bei Verwendern von Ernergy-Drinks in Verbindung mit der weiteren Verkehrsbefragung aus Februar/März 2012, die für den maßgeblichen Verkehrskreis der aktuellen und potentiellen Käufer und Verwender von Energy-Drinks ausreichende Zuordnungsgrade aufweist, die Annahme, dass bereits im März 2011 die Farbkombination für die Energy-Drinks der Anmelderin durchgesetzt war. Denn die aktuellere Befragung führt repräsentativ und nachvollziehbar aus:
Die Farbkombination "Blau/Silber" verfügt im Zusammenhang mit Energydrinks in der Gesamtbevölkerung (weitester Verkehrskreis = alle Befragte) und insbesondere im engeren Verkehrskreis (Personen, die Energydrinks kaufen oder trinken bzw. für die der Kauf oder das Trinken von Energydrinks zumindest infrage kommt) über einen hohen Bekanntheitsgrad von 60,8% bzw. 87,2%.
Der Kennzeichnungsgrad (d. h. die Bekanntheit für nur ein Unternehmen) bewegt sich ebenso auf einem hohen Niveau. Er beträgt in der Gesamtbevölkerung 47,4%, im engeren Verkehrskreis 71,0%, bei allen Befragten, die die Farbkombination "Blau/Silber" im Zusammenhang mit Energydrinks kennen 78,0% und bei allen Befragten des engeren Verkehrskreises, die die Farbkombination "Blau/Silber" im Zusammenhang mit Energydrinks kennen 81,4%.
Der ungestützte Zuordnungsgrad in Bezug auf das Unternehmen "Red Bull" bewegt sich auf einem hohen Niveau. Er beträgt in der Gesamtbevölkerung 42,5%, im engeren Verkehrskreis 65,1%, bei allen Befragten, die "Blau/Silber" mit einem bestimmten Unternehmen verbinden 89,7% und bei allen Befragten des engeren Verkehrskreises, die "Blau/Silber" mit einem bestimmten Unternehmen verbinden 91,7%.
Der gesamte gestützte Zuordnungsgrad erreicht beachtliche Werte von 64,8% (alle Befragte = Gesamtbevölkerung) bzw. 85,9% (alle Befragte des engeren Verkehrskreises).
Dem kann mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, dass die Ergebnisse auch auf den Anmeldetag zu beziehen sind, wobei ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen der Anmelderin unter B 2 ihrer Beschwerdebegründung Bezug genommen wird.
Aufgrund Verkehrsdurchsetzung war der Beschwerde der Anmelderin daher stattzugeben.