Entscheidungsdatum: 22.08.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 001 833.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 22. August 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. August 2011 aufgehoben.
I.
Die Bezeichnung
Wilhelmsbader Hof
ist am 12. Januar 2011 für die Waren und Dienstleistungen
"Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Milchprodukte; Speiseöle; Brot; feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Biere (alkoholreduziert, alkoholarm, alkoholhaltig); Biermischgetränke; alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Cocktails; Alkoholische Getränke, ausgenommen Biere; insbesondere Schnaps und alkoholische Mischgetränke (Alcopops); Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach vorangegangener Beanstandung vom 9. März 2011 mit Beschluss vom 22. August 2011 die Markenanmeldung wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angemeldete Marke sei freihaltungsbedürftig und nicht unterscheidungskräftig. Die angemeldete Wortkombination stelle im maßgeblichen Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Herkunftsangabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG mit der Bedeutung "Waren- und Dienstleistungsangebot eines Bauern- bzw. Gutshofes in Wilhelmsbad" dar. Da der ehemalige Kuranlage im heutigen Hanauer Stadtteil Kesselstadt eine bedeutende touristische und kulturelle Rolle auch im überregionalen Bereich zukomme, würden andere Dienstleistungsanbieter im gastronomischen Gewerbe wie auch Warenhersteller diese werbeträchtige Aussage benutzen wollen, so dass künftig damit gerechnet werden müsse, dass die geografische Angabe "Wilhelmsbader Hof" unabhängig ob in Groß- und Kleinbuchstaben oder nur in Groß- oder Kleinbuchstaben geschrieben zur Bezeichnung der Herkunft dienen kann. Bei einer solchen terminologieüblich gebildeten Bezeichnung wie "Wilhelmsbader Hof" stehe für Lebensmittel, Brote, Backwaren aber auch für alkoholische wie alkoholfreie Getränke sowie für gastronomische Dienstleistungen nicht die betriebsbezogene, sondern die sachbezogene, nämlich die waren- und gastronomischthematische Information im Vordergrund; ihr fehle somit jegliche betriebsindividualisierende Unterscheidungskraft. (BGH GRUR 2000, 882 "Bücher für eine bessere Welt"; GRUR 1992, 865 - Volksbank).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Die Anmelderin ist der Auffassung, dass die angemeldete Wortkombination nicht geeignet sei, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen unmittelbar zu beschreiben, da es sich um einen im Verkehr bekannten Hinweis auf allein das Anwesen der Anmelderin handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle steht nach Auffassung des Senats ein Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Eintragung der angemeldeten Marke nicht entgegen. Der Senat hält darüber hinaus auch das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht für gegeben.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolgt § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben können, von allen frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 (Nr. 25) "Chiemsee"; GRUR 2004, 146, 147 (Nr. 31) "DOUBLEMINT"; GRUR 2004, 674, 676 (Nr. 54, 56) "Postkantoor"; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 35 - 36) "BIOMILD"; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 334 ff. m. w. N.). Bei Zeichen und Angaben, die im Verkehr der Bezeichnung der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen können, reicht es für die Bejahung des Schutzhindernisses aus, wenn die geografische Bezeichnung zukünftig von den betroffenen Unternehmen als Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verwendet werden kann in dem Sinne, dass dies vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist (EuGH GRUR 1999, 723, 725 und 726 (Nr. 25 ff., insbesondere Nr. 31 und 37).
Unter Anwendung dieser Grundsätze hält der Senat vorliegend ein Einragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht für gegeben.
Bei der Bezeichnung "Wilhelmsbader Hof" handelt es sich um eine Wortfolge, bei der eine übliche Bezeichnung für einen landwirtschaftlichen Betrieb, nämlich "Hof" im Sinne von Bauernhof, mit einer geografischen Angabe kombiniert ist, nämlich dem Namen der ehemaligen Kuranlage im heutigen Hanauer Stadtteil Kesselstadt.
Die angemeldeten Waren und Dienstleistungen können von einem landwirtschaftlichen Betrieb stammen, insbesondere theoretisch auf einem Bauernhof in Wilhelmsbad produziert werden, ebenso wie dort Gäste bewirtet und beherbergt werden können. Es ist daher bei abstrakter Betrachtungsweise zunächst durchaus naheliegend, die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzunehmen, weshalb das Schutzhindernis von der Markenstelle mit in sich schlüssiger Begründung bejaht wurde. Allerdings würde dieses Ergebnis den Individualinteressen der Anmelderin, die im Rahmen der erforderlichen Abwägung zwischen Allgemein- und Individualinteresse zu berücksichtigen sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 337, 342 ff.), nicht gerecht, weil den tatsächlichen Gegebenheiten nicht hinreichend Rechnung getragen würde.
Denn wie die Anmelderin zutreffend ausführt und schon mit ihrer Beanstandungsantwort vom 19. Mai 2011 belegt hat (auf u. a. Anlage 2 hierzu wird verwiesen), handelt es sich bei dem Wilhelmsbader Hof nicht um einen beliebigen Bauerhof aus einem Ort Wilhelmsbad, sondern um das Anwesen der Anmelderin als Teil der ehemaligen Kuranlage Wilhelmsbad im heutigen Teil Kesselstadt von Hanau, also um eine einzigartige Bezeichnung. Auch die zutreffend von der Anmelderin geschilderten Internetrechercheergebnisse weisen stets auf genau diesen Hof hin. Darüber hinaus ist Müllers Großem Ortsbuch (2010) zu entnehmen, das ein Wilhelmsbad als geographische (Orts-)bezeichnung nicht verzeichnet ist. Vielmehr findet sich hier der Hinweis auf "Wilhelmsbader Hof, Domäne" in Hanau, also ebenfalls allein auf den Hof der Anmelderin.
Angesichts dieser sehr speziellen tatsächlichen Umstände des zu entscheidenden Falles kann ausgeschlossen werden, dass sich weitere landwirtschaftliche Betriebe in dem Bereich der ehemaligen Kuranlage in Hanau ansiedeln werden und dadurch ein entsprechendes Verwendungsinteresse eines Dritten gerade an der Bezeichnung "Wilhelmsbader Hof" entstehen könnte. Ein Interesse von Mitbewerbern an der angemeldeten Bezeichnung in der beanspruchten Form kann demzufolge in der Zukunft vernünftigerweise nicht erwartet werden. In diesem Zusammenhang erscheint es nicht gerechtfertigt, rein theoretisch mögliche Entwicklungen, für die es derzeit überhaupt keinen Anhalt gibt, bei der Frage des Freihaltungsbedürfnisses zu berücksichtigen.
Bei der angemeldeten Bezeichnung handelt es sich also nicht um eine freihaltungsbedürftige geographische Angabe, sondern um die Bezeichnung eines Gebäudes, das nicht allgemein zugänglich ist. Eine beschreibende Aussage liegt auch nicht bei Dienstleistungen vor, die sich auf Angebote beziehen, die im Wilhelmsbader Hof stattfinden können. Zwar ist hierbei der Ort beschrieben, an dem die Veranstaltung stattfindet. Etablissementbezeichnungen sind jedoch für Dienstleistungen um Veranstaltungen, die dort nur im Einverständnis mit dem Inhaber des Hausrechts stattfinden können, nicht freihaltungsbedürftig.
Die angemeldete Marke verfügt auch über die erforderliche Unterscheidungskraft.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer zu unterscheiden. Zeichen besitzen nur dann keine Unterscheidungskraft, wenn sie lediglich eine im Vordergrund stehende beschreibende Bedeutung vermitteln oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
"Wilhelmsbader Hof" ist nach den überzeugenden Ausführungen der Anmelderin auch heute ein Etablissementname und nicht vergleichbar mit allgemein gebräuchlichen Bezeichnungen, wie "Kulturzentrum" o. ä. Das Publikum wird deshalb in "Wilhelmsbader Hof" einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen (vgl. BPatG, PAVIS PROMA, 33 W (pat) 91/06 - Gut Darß, BPatG, PAVIS PROMA - Jagdschloss Platte).
Unterscheidungskraft ist auch gegeben für Dienstleistungen, die sich auf Angebote beziehen, die im Wilhelmsbader Hof stattfinden (können). Etablissementbezeichnungen, die für das Etablissement selbst unterscheidungskräftig sowie nicht beschreibend sind, sind ebenso für Dienstleistungen betreffend Veranstaltungen, die dort nur im Einverständnis mit dem Betreiber, wer immer das im Zeitpunkt der Anmeldung oder später sein mag, stattfinden können, unterscheidungskräftig.
Der angemeldeten Marke stehen daher Schutzhindernisse nicht entgegen, weshalb der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben war.