Entscheidungsdatum: 12.06.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 063 523.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. Juni 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Weinpalais Nordheim
ist am 20. Oktober 2014 unter der Nummer 30 2014 063 523.2 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
Klasse 33: Weine; Schaumweine; Weinbrände.
Mit Beschluss vom 19. Mai 2016 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei den hier beanspruchten Waren der Klasse 33 sei auf den Durchschnittsverbraucher abzustellen. Das Anmeldezeichen bestehe aus dem deutschen Wort „Wein“, dem bekannten Substantiv „palais“ mit der Bedeutung „Palast, Herrschaftshaus, Schloss, Prachtbau“ und der geografischen Angabe „Nordheim“. Dabei stelle die Wortkombination „Weinpalais“ eine Etablissementbezeichnung dar, die auf ein prachtvolles Gebäude hinweise, in dem Wein präsentiert oder zum Erwerb angeboten werde. Dabei hebe diese Wortverbindung die Exklusivität des Angebots oder der Angebotsstätte hervor. „Nordheim“ (am Main) sei der Name einer im unterfränkischen Landkreis Kitzingen des deutschen Bundeslandes Bayern ansässigen Gemeinde, die im Maintal auf der Weininsel und in einer vom Weinbau geprägten Landschaft liege. „Nordheim“ sei zwar auch der Name weiterer Orte und Ortsteile innerhalb und außerhalb Deutschlands, aber jeder dieser Orte erfülle für sich gesehen die Voraussetzung einer geografischen Herkunftsangabe. Das Gesamtzeichen weise somit lediglich darauf hin, dass die angemeldeten alkoholischen Getränke von (irgend-)einem Unternehmen im Gebäude eines (ehemaligen) Herrschaftshauses bzw. Prachtbaus in der Gemeinde Nordheim im Landkreis Kitzingen oder in einem anderen deutschen Ort mit diesem Namen zum Kauf angeboten bzw. vertrieben werden. Damit erschöpfe es sich in einer für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehenden Sachaussage und diene nicht als betrieblicher Herkunftshinweis. Diese Kombination einer Vertriebs- und Erbringungsstätte mit einer geografischen Angabe sei aber auch freihaltebedürftig. Bei Handelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Konsums, die auf eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung gerichtet seien und zu denen auch alkoholische Getränke zählten, bestehe ein Freihaltungsbedürfnis regelmäßig auch an den Namen weniger bekannter Ortschaften.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, die angemeldete Bezeichnung sei nicht unmittelbar beschreibend, weil sie keine Eigenschaft der beanspruchten Produkte angebe. Das Wort „Palais“ sei kein in der deutschen Sprache üblicherweise verwendetes Wort, sondern stelle einen unterscheidungskräftigen Phantasiebegriff dar, weil es ein „Weinherrschaftshaus“, ein „Weinschloss“ oder einen „Weinpalast“ nicht gebe. Selbst wenn der Verbraucher das Anmeldezeichen im Sinne von „Weinherrschaftshaus Nordheim“ verstehe, so bedürfe es mehrerer, analysierender Gedankenschritte, um zu einem die beanspruchten Waren beschreibenden Verständnis zu gelangen. Dass der Verbraucher daran gewöhnt sei, Marken mit dem Bestandteil „Palais“ als Herkunftshinweis zu verstehen, zeige die Vielzahl für Waren und für Dienstleistungen der Klasse 43 eingetragener Marken mit diesem Bestandteil. Mangels Eignung zur unmittelbaren Beschreibung von Eigenschaften der konkret beanspruchten Waren sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht gegeben. Es bleibe jedem Mitbewerber unbenommen, auf die Herkunft seiner Weine aus dem Gebiet um Nordheim hinzuweisen, ohne hierfür auf „Weinpalais Nordheim“ zurückgreifen zu müssen.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2016 aufzuheben.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Dezember 2016 ist die Anmelderin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 2, Bl. 16 – 25 GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Weinpalais Nordheim“ als Marke steht im Hinblick auf die beanspruchten Waren der Klasse 33 das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.
1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O. Rdnr. 16 – for you).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT).
b) Diesen Anforderungen genügt das Wortzeichen „Weinpalais Nordheim“ nicht, weil es einen engen beschreibenden Bezug zu den angemeldeten Produkten der Klasse 33 herstellt.
aa) Die angesprochenen, breiten Verkehrskreise sind hier sowohl die mit der Wein- und Weinbrandproduktion sowie dem Wein- und Spirituosenhandel befassten Fachkreise als auch die Durchschnittsverbraucher.
bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Wörtern „Weinpalais“ und „Nordheim“ zusammen.
aaa) Der Bestandteil „Weinpalais“ setzt sich zusammen aus den Substantiven „Wein“ und „Palais“.
(1) Als „Wein“ werden „Weinreben; Weintrauben; aus dem gegorenen Saft der Weintrauben hergestelltes alkoholisches Getränk“ und „gegorener Saft von Beeren-, Kern- oder Steinobst; Obstwein“ bezeichnet (www.duden.de).
(2) Das französische Wort „Palais“ wird mit „Palast“ übersetzt (www.leo.org) und ist auch in die deutsche Sprache eingegangen mit der Bedeutung „repräsentatives, schlossartiges [Wohn]gebäude; Herrschaftshaus; Schloss; Prachtbau“ (www.duden.de).
(3) Die Wortkombination „Weinpalais“ bringt daher zum Ausdruck, dass es sich um ein prachtvolles Gebäude handelt, das als Herstellungs- und/oder Angebots- und Vertriebsstätte für Wein im Sinne eines aus Weintrauben hergestellten alkoholischen Getränkes dient.
bbb) „Nordheim“ ist laut der Online-Enzyklopädie Wikipedia (www.wikipedia.org) der Name mehrerer, nachfolgend genannter Orte und Ortsteile in Deutschland:
- Gemeinde im Landkreis Heilbronn in Baden-Württemberg
- Nordheim am Main, Gemeinde im Landkreis Kitzingen in Bayern
- Nordheim vor der Rhön, Gemeinde im Landkreis Rhön-Grabfeld in Bayern
- Markt Nordheim, Marktgemeinde im Landkreis Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim in Bayern
- Nordheim (Biblis), Ortsteil der Gemeinde Biblis im Kreis Bergstraße in Hessen
- Nordheim (Donauwörth), Ortsteil der Großen Kreisstadt Donauwörth im Landkreis Donau-Ries in Bayern
- Nordheim (Grabfeld), Ortsteil der Gemeinde Grabfeld im Landkreis Schmalkalden-Meiningen in Thüringen.
„Nordheim“ ist aber auch der Name von vier ausländischen Orten: einer französischen Gemeinde im Unterelsass, einer kleinen Stadt im US-amerikanischen Bundesstaat Texas, einer Fraktion der italienischen Gemeinde Sarntal in Südtirol und der deutsche Name eines Bezirks der polnischen Stadt Posen. Ferner fungiert „Nordheim“ auch als Eigenname, wie z. B. beim norwegischen Komponisten „Arne Nordheim“.
ccc) Insgesamt kommt der angemeldeten Wortfolge die Bedeutung eines schlossartigen, in Nordheim gelegenen Gebäudes zu, in dem Wein produziert und/oder angeboten und vertrieben wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil, wie bereits die Markenstelle festgestellt hat, die Gemeinde mit diesem Namen im unterfränkischen Landkreis Kitzingen auf einer Weininsel im Maintal in einem Weinanbaugebiet liegt. Zu diesem gehören sowohl die Südlage „Nordheimer Vögelein“ und die Nordlage „Nordheimer Kreuzberg“ und, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat (Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis), auch eine Vielzahl von Weingütern, so dass Nordheim als geographische Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren in Frage kommt.
ddd) Es lässt sich zudem belegen, dass schlossartige Gebäude, insbesondere auch richtige Schlösser, als Herstellungs- und/oder Vertriebsstätten der einschlägigen Waren ernsthaft in Betracht kommen, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat (s. Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis).
cc) Damit gibt das Anmeldezeichen die Art und geografische Lage der Herstellungs- und/oder Vertriebsstätte von Weinen, Schaumweinen und Weinbränden an. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher sofort und ohne Nachdenken davon ausgehen, dass die Herstellung und/oder Verarbeitung und/oder der Vertrieb der in Klasse 33 angemeldeten alkoholischen Getränke in (irgend-)einem repräsentativen, schlossartigen Gebäude in, an oder in unmittelbarer Nähe von Nordheim erfolgen. Er wird aber nicht annehmen, dass es sich dabei um einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen handelt. Die schutzsuchende Wortfolge bezeichnet vielmehr einen Umstand, der zwar die Waren und deren Eigenschaften nicht unmittelbar beschreibt, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren sieht (vgl. BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress; BPatG 33 W (pat) 525/12 – Fashion Tower; 25 W (pat) 70/09 – CHOCOLATERIA; GRUR 2007, 61, 62 – Christkindlesmarkt). Denn wenn eine Bezeichnung in erster Linie als Umschreibung eines Ortes verstanden wird, an dem üblicherweise die betroffenen Waren hergestellt und/oder angeboten werden, ist sie nicht geeignet, den Bezug zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb herzustellen und die Waren dieses konkreten Unternehmens von denen anderer, auf demselben Gebiet tätiger Firmen markenmäßig abzugrenzen.
dd) Dabei führt weder der Umstand, dass es noch andere Orte und Ortsteile mit dem Namen „Nordheim“ gibt, die nicht in einem Weinanbaugebiet liegen, noch, dass es sich auch um einen Nachnamen handeln kann, zu einer Schutz begründenden Mehrdeutigkeit, weil ein Schutzhindernis schon dann besteht, wenn nur eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten einen beschreibenden Inhalt hat (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – BIOMILD; BGH GRUR 2012, 276 Rdnr. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.
3. Soweit die Anmelderin darauf verweist, dass es eine Vielzahl eingetragener Marken mit dem Bestandteil „Palais“ sowohl für Waren als auch für Dienstleistungen der Klasse 43 gebe, hat sie diesen pauschalen Vortrag nicht weiter konkretisiert, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Eintragungen wegen anderer Waren nicht vergleichbar sind oder dass das jeweilige weitere Markenelement die Unterscheidungskraft der Gesamtmarken bewirkt hat.