Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.01.2014


BPatG 22.01.2014 - 26 W (pat) 554/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Southampton VINTAGE STYLE COLLECTION (Wort-Bild-Marke)" - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
22.01.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 554/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 003 888.8

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung der für die Waren

2

"Klasse 11: Beleuchtungsgeräte;

3

Klasse 20: Möbel, Spiegel, Bilderrahmen; Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen;

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Klasse 21: Geräte und Behälter für den Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln); rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind;

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Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischwäsche"

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bestimmten Marke

Abbildung

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mit Beschluss vom 4. Juli 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Marke setze sich aus "Southampton", dem Namen einer großen und bekannten Hafenstadt an der Südküste Englands, und der Wortfolge "VINTAGE STYLE COLLECTION" zusammen, die weder für sich noch in ihrer Zusammensetzung und in ihrer konkret beanspruchten grafischen Gestaltung für die in der Anmeldung aufgeführten Waren die notwendige Unterscheidungskraft aufwiesen. Ob in der Stadt Southampton tatsächlich Waren der mit der Anmeldung beanspruchten Art hergestellt bzw. von dort aus vertrieben würden, könne dahingestellt bleiben. Markenrechtlich relevant sei vielmehr die Tatsache, dass sich gegenwärtig oder zukünftig Betriebe in Southampton ansiedeln könnten, welche die beanspruchten Waren aus dem Bereich des Wohnambientes herstellten. Insbesondere könnten dort auch Waren hergestellt werden, welche auf alt gemacht, antik umgearbeitet bzw. dem Stil der 1930er bis 1970er Jahre nachempfunden seien, also im "vintage style" gehalten seien, und die zu einer Kollektion ("collection") zusammengestellt sein könnten. Somit sei die in Frage stehende Marke nur ein Hinweis auf die geografische Herkunft bzw. die Art und Beschaffenheit der Waren, der von den angesprochenen Verkehrskreisen auch sofort und ohne weiteres Nachdenken ausschließlich in diesem beschreibenden Sinne und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werde. Die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke könne deren Unterscheidungskraft nicht begründen, weil sie nicht hinreichend eigenartig und prägnant sei. Dass das Schriftbild des Markenbestandteils "VINTAGE STYLE COLLECTION" im Retrostil ausgeführt sei, unterstreiche nur den beschreibenden Charakter der Wortbestandteile der Marke. Zudem hebe auch die grafische Trennung der einzelnen Wortbestandteile deren beschreibenden Charakter insgesamt noch hervor. Inwieweit der Eintragung der angemeldeten Marke auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne dahingestellt bleiben.

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Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG nicht bestehe. In Bezug auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG macht sie geltend, dass bereits eine geringe Unterscheidungskraft genüge, um dieses Schutzhindernis zu überwinden. Auch bei einer Wortfolge sei daher von mangelnder Unterscheidungskraft nur dann auszugehen, wenn es sich um eine beschreibende Angabe oder eine Anpreisung oder eine Werbeaussage allgemeiner Art handele. Dies sei bei der angemeldeten Marke für keine der beanspruchten Waren der Fall. Entscheidend sei insoweit die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise und nicht etwa zukünftige Entwicklungen. Eine "Southampton VINTAGE STYLE COLLECTION" oder einen "Southampton VINTAGE STYLE" gebe es nicht. Wie sich aus einer Übersicht der europäischen Möbelstile im Online-Lexikon "Wikipedia" entnehmen lasse, würden Möbelstile nach Epochen eingeordnet. Southampton verfüge auch nicht über eine Tradition auf dem Gebiet des Möbelbaus. Die Angabe "Southampton VINTAGE STYLE COLLECTION" stelle auch keine allgemeine werbliche Aussage dar. Weiterhin müsse die grafische Gestaltung des Zeichens in die Beurteilung miteinbezogen werden, welche besonders phantasievoll sei und ein einzigartiges grafisches Gesamtbild aufweise.

10

In Bezug auf § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG führt die Anmelderin aus, dass ein Freihaltebedürfnis nicht allein mit dem beschreibenden Charakter einer angemeldeten Marke begründet werden könne. Die Eintragung einer Ortsbezeichnung als Marke sei grundsätzlich zulässig, wenn sie nicht geeignet sei, auf die geografische Herkunft der Waren und Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH GRUR 1999, 723, 726 – Chiemsee). In Southampton gebe es weder eine Möbelindustrie noch verbinde der Verkehr besondere Vorstellungen mit dem Begriff "Southampton" bezüglich der beanspruchten Waren, sodass nicht klar sei, was der Verkehr unter dem Begriff "Southampton VINTAGE STYLE COLLECTION" verstehen solle. Auch könne sich der Begriff bei einer realitätsnahen Prognose nicht zu einem beschreibenden Begriff entwickeln.

11

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

12

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 4. Juli 2012 aufzuheben.

II

13

Die gemäß §§ 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, weil sie im Sinne dieser Bestimmung lediglich aus Angaben besteht, die zur Bezeichnung der Art und Beschaffenheit sowie der geografischen Herkunft der Waren dienen können.

14

Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke vom Schutz ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der infrage stehenden Waren und Dienstleistungen, wie zum Beispiel ihrer Art oder Beschaffenheit, dienen können. Diese auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. C MarkenRL beruhende Vorschrift verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen oder Angaben im Sinne der Bestimmung von jedermann frei verwendet werden können (EuGH GRUR 1999, 723 – Chiemsee; GRUR 2004, 674 – Postkantoor; BGHZ 167, 278 - FUSSBALL WM 2006). Hierfür ist es ausreichend, dass die angemeldete Marke in einer ihrer möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH MarkenR 2008, 160, 162 - Hairtransfer). Unerheblich ist, ob die fragliche Marke in ihrer beschreibenden Bedeutung bereits im Verkehr bekannt ist oder beschreibend verwendet wird. Vielmehr reicht es aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr.; EuGH GRUR 2010, 534 – Pranahaus).

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In diesem Sinne besteht die angemeldete Marke ausschließlich aus Angaben, die zur Beschreibung von Eigenschaften der mit der Anmeldung beanspruchten Waren dienen können.

16

Bei der Angabe "Southampton" handelt es sich entgegen der Ansicht der Anmelderin um eine Angabe, die im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Möbeln dienen kann. Bei der Prüfung des beschreibenden Charakters von Ortsangaben ist nicht nur auf ein aktuelles Freihaltungsbedürfnis abzustellen. Eine geografische Ortsangabe ist vielmehr auch dann gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung als Marke ausgeschlossen, wenn eine beschreibende Verwendbarkeit der fraglichen Angabe in der Zukunft vernünftigerweise zu erwarten ist (EuGH a. a. O. - Chiemsee). Die in der früheren deutschen Praxis zugrunde gelegte prinzipielle Vermutung des Fehlens eines entsprechenden zukünftigen Freihaltungsbedürfnisses an geografischen Angaben, die nur ausnahmsweise bei Vorliegen sicherer gegenteiliger Anhaltspunkte zu widerlegen war, kann somit nicht mehr fortgeführt werden (BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein; GRUR 2009, 994 – Vierlinden). Vielmehr geht der EuGH von einem gegenteiligen Regel-Ausnahme-Verhältnis aus. Während früher besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einem dem Markenschutz entgegenstehenden Freihaltungsbedürfnis ausgehen zu können, bedarf es nunmehr umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsbezeichnung ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Hinweis auf die geografische Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu dienen (BPatG GRUR 2000, 149, 150 - WALLIS). Angezeigt ist insoweit eine realitätsbezogene Prognose, die nicht lediglich auf die gegenwärtigen Verhältnisse abstellt, sondern auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt, welche eine beschreibende Verwendung der betreffenden Ortsangabe vernünftigerweise erwarten lassen (EuGH a. a. O. - Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein; a. a. O. – Vierlinden).

17

Southampton ist eine bekannte Großstadt an der Südküste Englands mit über 200.000 Einwohnern und zudem die zweitgrößte Hafenstadt Englands. Dass in dieser englischen Großstadt aktuell Möbel oder andere Einrichtungsgegenstände hergestellt oder restauriert und von dort aus vertrieben werden, hat die Markenstelle nicht festgestellt und auch der Senat im Rahmen seiner ergänzenden Ermittlungen nicht feststellen können. Entsprechender Feststellungen bedarf es jedoch für eine Schutzversagung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch nicht; denn bei Namen von Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangabe für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ernsthaft in Betracht kommen (BGH GRUR 1994, 905, 907 - Schwarzwald-Sprudel; EuG GRUR 2004, 148 – OLDENBURGER; BPatG PAVIS PROMA 32 W (pat) 107/04 – Monte Carlo; 26 W (pat) 209/01 – Baden-Baden; 28 W (pat) 279/04 – FES; 27 W (pat) 517/10 – Gizeh). Diese Vermutung hat auch die Anmelderin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht zu entkräften vermocht. Vielmehr spricht zudem für die Eignung der Angabe "Southampton" als geografische Herkunftsangabe, dass der Name dieser englischen Großstadt dem normal informierten inländischen Durchschnittsverbraucher auf Grund der erheblichen Bedeutung von Southampton als Hafenstadt weitgehend bekannt ist, sowie die Tatsache, dass größere Hafenstädte allgemein ein Standort von vielen verschiedenen Industrie- und Gewerbebetrieben sind, die sich die gute Verkehrsanbindung einer Hafenstadt für die Vermarktung ihrer Waren zunutze machen. Anhaltspunkte dafür, dass Southampton ausnahmsweise nicht geeignet sein könnte, künftig als Angabe über die geografische Herkunft der mit der Anmeldung beanspruchten Waren zu dienen, hat die Anmelderin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

18

Auch der weitere Markenbestandteil "VINTAGE STYLE COLLECTION" ist entgegen der Auffassung der Anmelderin zur Beschreibung sämtlicher beanspruchter Waren geeignet. Wie von der Markenstelle zutreffend festgestellt worden ist, bezeichnet das Wort "Vintage" eine bestimmte Designrichtung und bedeutet soviel wie "altes Modell, altmodisch, auf alt gemacht, im Stil der 1930er bis 1970er Jahre gestaltet". Damit ist die Wortfolge "VINTAGE STYLE COLLECTION" geeignet, die mit der Anmeldung beanspruchten Möbel und anderen Einrichtungsgegenstände dahingehend zu beschreiben, dass es sich um zu einer Kollektion gehörige Waren handelt, die allesamt im altmodischen Stil der 1930er bis 1970er Jahre gehalten sind. Wie den ergänzenden Internet-Recherchen des Senats zu entnehmen ist, wird die Bezeichnung "Vintage" für zahlreiche Einrichtungsprodukte im Bereich des Wohnambientes, insbesondere auch für Möbel, beschreibend verwendet, was – ohne dass es hierauf noch entscheidend ankam - ein weiteres Indiz für den beschreibenden Begriffsgehalt dieses Wortes in Bezug auf die beanspruchten Waren und für das Interesse des Allgemeinheit an der freien Verwendbarkeit dieser Bezeichnung darstellt.

19

Auch die Kombination der geografischen Angabe "Southampton" mit der die Beschaffenheit der beanspruchten Waren bezeichnenden Angabe "VINTAGE STYLE COLLECTION" ist sprachlich nicht ungewöhnlich und vermag das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht auszuräumen. Es ist vielmehr gängige Praxis, im Rahmen der Beschreibung von Waren einen Hinweis auf den Sitz des Unternehmens bzw. die geografische Herkunft der Waren mit weiteren Hinweisen auf die Art bzw. die Beschaffenheit der Waren zu verbinden.

20

Auch die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke vermag deren Eignung als beschreibende Angabe nicht in Frage zu stellen. Zwar kann durch eine besondere grafische und/oder bildliche Ausgestaltung schutzunfähiger Wortbestandteile grundsätzlich die Eintragbarkeit einer Marke erreicht werden. An den schutzbegründenden Überschuss einer solchen grafischen und/oder bildlichen Ausgestaltung, auf den der Schutz der Marke nach ihrer Eintragung beschränkt werden könnte, sind aber um so größere Anforderungen zu stellen, je deutlicher der beschreibende Charakter der fraglichen Angabe selbst hervortritt (BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK; GRUR 2009, 954 – Kinder III). Einen solchen schutzbegründenden Überschuss können einfache Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbildes in der Regel nicht herbeiführen (BGH a. a. O - antiKALK; a. a. O. – Kinder III). Die Eignung, den Schutz einer Marke zu begründen, fehlt auch rein dekorativen Hervorhebungsmitteln, wie z. B. üblichen farblichen Hinterlegungen einzelner Markenwörter und bloßen Umrahmungen von Markenwörtern, auf die allein der Schutz der eingetragenen Marke nicht reduziert werden könnte (BPatG BlPMZ 2000, 302, 303 – Fünf Sterne Bäckerei).

21

Die Gestaltung der angemeldeten Marke beschränkt sich auf die Verwendung gängiger Schrifttypen sowie weitere werbeübliche grafische Elemente, wie die Wiedergabe der verschiedenen Wortelemente der Marke in Versalien bzw. Minuskeln und in unterschiedlichen Farben sowie deren Hinterlegung und Einrahmung in einer Form, wie sie in der Werbung in vergleichbarer Weise seit langem üblich ist. Weder die einzelnen grafischen und bildlichen Ausgestaltungselemente noch deren Kombination vermögen deshalb die Eignung der angemeldeten Marke als beschreibende Angabe über die geografische Herkunft und die Art und Beschaffenheit der beanspruchten Waren in Frage zu stellen.

22

Die Beschwerde der Anmelderin kann nach alledem keinen Erfolg haben.