Entscheidungsdatum: 12.12.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 013 012
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I
Gegen die Eintragung der Marke 30 2011 013 012
Fleesengeist
für die Waren
Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
Klasse 33:
Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Ware
Klasse 33: Spirituosen, nämlich Obstgeist
eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke 906 924
FRIESENGEIST.
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, weil zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angegriffene Marke halte gegenüber der Widerspruchsmarke den angesichts der Identität der Waren gebotenen großen Ab-stand in jeder Richtung ein.
Im schriftbildlichen Vergleich sei zwar eine gleiche Wortlänge erkennbar, jedoch lägen nicht zu vernachlässigende Abweichungen vor die - zumal am jeweiligen Wortanfang - nicht unbemerkt blieben. Klanglich kämen sich die beiden Marken zwar sehr nahe, doch sei auch hier die prägnante Abweichung durch den Aus-tausch des stimmhaften Zungenlautes "l" gegen den stimmhaften Zäpfchenlaut "r" nicht zu überhören. Letztlich zeigten die beiden Marken im begrifflichen Vergleich völlig andere Inhalte. Zwar sei in Bezug auf die beanspruchten Waren (alkoholische Getränke) der Teilbegriff "…geist" als Hinweis auf ein klares Destillat von unvergorenen, mit Alkohol versetzten Früchten jeweils identisch, jedoch zeige der begriffliche Anfang auf ganz verschiedene Inhalte. Während "Fleesen" ein geografischer Hinweis auf eine Landschaft im Großraum der Mecklenburgischen Seenplatte in Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere auf den Fleesensee, sei, weise der Teilbegriff "Friesen" auf das norddeutsche Friesland hin. Die Marken stimmten daher begrifflich nicht überein, weshalb Verwechslungen ausgeschlossen werden könnten.
Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der An-sicht, wegen der aufgrund der Identität der beiderseitigen Waren an den Markenabstand zu stellenden erhöhten Anforderungen sei die Ähnlichkeit der Marken zu groß, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Die Beurteilung der Markenähnlichkeit durch die Markenstelle vernachlässige die Möglichkeit der fehlerhaften Wahrnehmung und unterstelle zu Unrecht Kenntnis vom Fleesensee.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Mai 2012 aufzuheben und wegen des Widerspruchs die Löschung der Marke 30 2011 013 012 anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, jedoch unbegründet. Zwischen den Marken, die sich im vorliegenden Verfahren gegenüberstehen, besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 437, 438 - Lila Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH GRUR 2003, 55, 57 ff., Nr. 51 - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155, Nr. 59 - Anheuser-Busch/Budvar: GRUR 2007, 318, 319, Nr. 21 - Adam Opel/Autec).
Ausgehend von diesen maßgeblichen markenrechtlichen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass zwischen den beiden Marken des vorliegenden Widerspruchsverfahrens im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung trotz der Identität der beiderseitigen Waren keine Verwechslungsgefahr besteht. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist die Markenstelle von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen.
Eine Marke verfügt über Kennzeichnungskraft, wenn sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH MarkenR 1999, 189, 194, Nr. 49 - Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239, Nr. 22 - Lloyd/Loints). Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH GRUR 2008, 905, 907, Nr. 16 - Pantohexal; GRUR 2008, 1002, 1004, Nr. 26 - Schuhpark).
Die Widerspruchsmarke "Friesengeist" enthält als Wortbestandteil zunächst - was auch die Widersprechende nicht in Abrede stellt - den geographischen Hinweis "Friesen", der dem durchschnittlich informierten deutschen Durchschnittsverbraucher bekannt ist und als Herkunftshinweis einem Freihaltungsbedürfnis unterliegt. Der weitere Wortbestandteil "-geist" beschreibt nach den zutreffenden Ausführungen der Markenstelle ein klares alkoholisches Getränk. Ein solcher beschreibender Anklang reicht allerdings bereits aus, um eine Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Marke herbeizuführen (BPatG MarkenR 2007, 353, 356 - 1800 ANTIGUO/SIERRA ANTIGUO, bestätigt durch BGH GRUR 2008, 903 - SIERRA ANTIGUO; BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 532/10 - vital&fit/vitafit). Der Schutzumfang einer an eine freihaltungsbedürftige Angabe angelehnten Marke ist eng zu bemessen und auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt (BGH GRUR 2010, 729, 731 - MIXI; GRUR-RR 2010, 205, 208 - Haus & Grund IV). Eine zur Verwechslungsgefahr im Rechtssinne führende Zeichenähnlichkeit ist deshalb zu verneinen, soweit sich die Übereinstimmungen der Marken auf die beschreibende oder sonst schutzunfähige Angabe selbst beschränken (BGH GRUR 2008, 803, 804 - HEITEC). Eine rechtlich relevante Ähnlichkeit der Marken liegt daher im Falle zweier verschiedenartiger Abwandlungen derselben freihaltungsbedürftigen Sachbezeichnung, deren Gemeinsamkeiten sich im Wesentlichen auf diese Sachbezeichnung beschränken, nicht vor (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 113/04 - FITAMIN/VIT-H-MIN). Nur wenn die Vergleichsmarken weitergehende, ausreichende klangliche, schriftbildliche oder sonstige Ähnlichkeiten in ihrer über die zu Grunde liegende schutzunfähige Angabe hinausreichenden, schutzbegründenden Eigenprägung aufweisen, besteht kein Anlass für eine Einschränkung des nach dieser Eigenprägung zu bemessenden Schutzumfangs der älteren Marke (BGH a. a. O. - HEITEC).
Die angegriffene Marke weist zwar mit der Widerspruchsmarke insoweit gewisse formale Ähnlichkeiten, aber andererseits gegenüber dieser auch deutliche Unter-schiede auf, die angesichts des wie umschrieben eingeschränkten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke ausreichen, um eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr dem maßgeblichen Gesamteindruck nach auszuschließen.
Für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Wortmarken ist auf deren unterscheidungskräftige und dominierende Elemente abzustellen (ständige Rechtsprechung; siehe z. B. EuGH GRUR Int. 2004, 850, 853 - PICASSO; GRUR Int. 2005, 256, 259 - Vitakraft; GRUR 2010, 1098, 1099 - Calvin Klein/HABM). Es ist ferner von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile. Dies gilt besonders in solchen Fällen, in denen die Endungen nicht markant in Erscheinung treten oder wenig einprägsam gebildet sind (BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM). Für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke kommt es weniger auf einzelne Laute als vielmehr auf die Silbengliederung und die Vokalfolge an.
Da es sich bei dem beiden Marken gemeinsamen Bestandteil "-geist" für alkoholische Getränke um eine beschreibende Angabe handelt, stellen innerhalb der beiden Marken deren Wortanfänge "Fleesen-" bzw. "Friesen-" die unterscheidungskräftigen Elemente dar. Diese weisen zwar insofern formal Ähnlichkeit auf, als der Buchstabe der Anfangssilbe "F" und die Endung "-sen" übereinstimmen. Trotz dieser formalen Ähnlichkeit ist die schriftbildliche und klangliche Ähnlichkeit der Anfangssilben bei den Marken dennoch gering. Durch diese Abweichungen "…flee…" gegenüber "…frie…" weist die angegriffene Marke an ihrem Wortanfang ein deutlich anderes Klangbild auf als die Widerspruchsmarke. Aber auch in schriftbildlicher Hinsicht reichen die Unterschiede der Marken an ihrem unterscheidungskräftigen Wortanfang zum Ausschluss einer rechtlich relevanten Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG trotz gewisser Übereinstimmungen nicht zuletzt wegen des erkennbar beschreibenden Charakters der Endsilben "-geist", die erwarten lässt, dass der Verkehr sein Augenmerk mehr auf die Anfangssilben der Marken richten wird, aus.
Der zu fordernde hohe Abstand der Zeichen ist schließlich aber insbesondere aus dem auch von der Markenstelle herangezogenen Gesichtspunkt des Sinngehalts der betreffenden geographischen Angeben der Marken gegeben. Denn angesichts dessen werden klangliche Unterschiede der gegenüberstehenden Bezeichnungen vom Verkehr wesentlich schneller erfasst, so dass es im Verkehr gar nicht erst zu Verwechslungen kommt, wenn eine der gegenüberstehenden Bezeichnungen einen für jedermann verständlichen Sinngehalt aufweist (vgl. BGH Z. 28, 320, 323 - Quick/Glück; BGH GRUR 1992, 130 - Bally/Ball je m. w. Nachw.). Der Zeichenbestandteil "Friesen-" ist in Deutschland gängiges Wortteil, das wegen seines Hinweises auf Friesland von jedermann sofort erfasst wird. Auf die Frage, ob wie die Beschwerde bezweifelt, Fleesen oder der Fleesensee vergleichbar bekannt ist, kommt es daher nicht entscheidend an. Wegen seines geläufigen Hinweises auf Friesland prägt sich der Bestandteil der Widerspruchsmarke als solcher ein. Eines beschreibenden Bezuges des Wortes zur gekennzeichneten Ware bedarf es nicht, um von einem eine Verwechslungsgefahr ausschließenden Sinngehalt auszugehen. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im kennzeichnungsrechtlichen Sinn ist es unerheblich, ob die mit einem Begriff der Umgangssprache gekennzeichnete Ware dessen Sinngehalt entspricht. Denn es geht dabei nicht um die Frage einer die Warenherkunft oder das Herstellungsunternehmen kennzeichnenden Verwendung einer bestimmten Bezeichnung, sondern allein um die Beurteilung, ob der kennzeichnende Begriff wegen seines jedermann geläufigen Sinngehaltes rasch erfasst wird und als allgemein verständliches Wort mit einem anderen Kennzeichen nicht verwechselt werden kann. So liegt es hier.
Auch Tatsachen, die eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung begründen könnten, hat weder die Widersprechende vorgetragen noch sind solche Tatsachen sonst ersichtlich. Die Beschwerde der Widersprechenden konnte daher keinen Erfolg haben.
Für eine Kostenauferlegung auf die Widersprechende aus Billigkeitsgründen sind keine ausreichenden Tatsachen ersichtlich, weshalb es bei der in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG für den Regelfall vorgesehenen Kostenverteilung bleibt.