Entscheidungsdatum: 13.02.2017
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2009 068 273
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden der Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. August 2014 aufgehoben und die Widersprüche aus der Unionsmarke 002 169 027 und der international registrierten Marke IR 357 073 zurückgewiesen.
2. Die Anschlussbeschwerden werden zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke (blau, weiß, schwarz)
ist am 15. Dezember 2009 angemeldet und am 24. Februar 2010 unter der Nummer 30 2009 068 273 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für folgende Waren der
Klasse 3: Ätherische Öle; Duftstoffe für die Wäsche; Duftöle; Duftwasser; Raumduft (Duftstoffe); Seifen; Parfümeriewaren; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege;
Klasse 4: Kerzen für Beleuchtungszwecke;
Klasse 8: Essbestecke; Dosenöffner (nicht elektrisch), Schneidwerkzeuge;
Klasse 9: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Datenverarbeitungsgeräte, Computer, Laptops (Computer), Computerbildschirme, LCD-Bildschirme, Computerperipheriegeräte, Computertastaturen, Computerprogramme (herunterladbar), Computersoftware (gespeichert); Fernsehapparate; Fernsprech-apparate, Mobiltelefone; Kopfhörer, Lautsprecher, Lautsprecher-boxen; Brillenfassungen, Brillengestelle, Brillengläser, Kontaktlinsen, Kontaktlinsenetuis, Sonnenbrillen, Sportbrillen; Waagen;
Klasse 11: Beleuchtungsgeräte; Leuchten; LED-Leuchten; Lampen (elektrisch); Leuchtmittel; Teile und Ersatzteile der vorgenannten Waren, soweit in Klasse 11 enthalten; Windlichter;
Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeit-Messinstrumente;
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Taschen mit Rollen, Handtaschen, Brieftaschen, Einkaufstaschen, Schultaschen, Sporttaschen (soweit in Klasse 18 enthalten), Geldbörsen; Mappen, soweit in Klasse 18 enthalten; Reisekoffer, Handkoffer, Kosmetikkoffer, Rucksäcke, Kleidersäcke für die Reise; Regenschirme, Sonnenschirme; Spazierstöcke; Hundehalsbänder, Hundeleinen;
Klasse 20: Möbel; Spiegel; Bilderrahmen;
Klasse 21: Glaswaren, Kristallglaswaren, Porzellan, Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; rohes und teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Trinkgefäße, Krüge, Karaffen, Trinkgläser; Tischgeschirr; Teeservice, Kaffeeservice und Tafelservice; Schalen; Teller; Vasen; Tabletts; Untersetzer (Tischutensilien); Butterdosen; Eierbecher; Kerzenleuchter; Sektkühler, Eiseimer; Seifenspender; Seifenhalter, Seifenschalen, Seifendosen; Zahnputzgläser, Zahnputzgläserhalter, Zahnbürstenhalter; Klosettpapierhalter, Klosettbürsten, Klosettbürstenhalter; Handtuchhalter, Badetuchhalter, Handtuchhaken (nicht aus Metall), Badetuchhaken (nicht aus Metall);
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bettwäsche; Bettdecken; Tischdecken; Bezüge für Kissen; Gardinen aus Textilien; Platzdeckchen [Sets], nicht aus Papier; Rollos [aufrollbare Vorhänge] aus Textilien; Textilservietten; Textiltapeten;
Klasse 26: Künstliche Pflanzen, künstliche Blumen;
Klasse 27: Teppiche; Fußbodenbeläge [Oberböden]; Matten; Fußmatten; Badematten; Tapeten (nicht aus Textilien); Wandbekleidungen (nicht aus Textilien);
Klasse 34: Aschenbecher (nicht aus Edelmetall).
Gegen diese Marke, deren Eintragung am 26. März 2010 veröffentlicht worden ist, hat die Widersprechende und Beschwerdegegnerin zu 1.) aus ihrer Unionswortmarke (Widerspruchsmarke zu 1.)
LEONARD
die am 20. August 2004 in das beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) geführte Register eingetragen worden ist unter der Nummer 002 169 027 für Waren der
Klasse 18: Leder und Lederimitationen, Reise- und Handkoffer, Dokumentenkoffer, Reisetaschen, Koffer, Handtaschen, Strandtaschen, Schultaschen, Rucksäcke, Kleidersäcke für die Reise, Reisenecessaires, Aktenkoffer, Aktentaschen, Brieftaschen, Kartentaschen, Geldbörsen, Regenschirme, Sonnenschirme, Spazierstöcke;
Klasse 25: Bekleidungsstücke aller Art für Herren, Damen und Kinder, unter anderem: Sweater, Westen, Strickwaren, Pullover, Sweatshirts, T-Shirts, Hemden, Jacken, Anzüge, Hosen, Kasackblusen, Kleider, Röcke, Wäscheartikel, Unterhosen, Shorts, Pelze, Windjacken, Überzieher, Abendkleidung, Sportbekleidung, Freizeitkleidung, Strandbekleidung, Gürtel, Krawatten, Fliegen (Querbinder), Stolen, Vierecktücher, Halstücher, Schals, Handschuhe, Badeanzüge, Morgenmäntel; Kopfbedeckungen, insbesondere: Strickmützen, Mützen, Kappen, Hüte, Baretts; Schuhwaren, unter anderem: Schuhe (Halbschuhe), Pantoffeln, Hausschuhe, Stiefel, Sandalen, Sportschuhe
Widerspruch erhoben.
Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin zu 2.) hat ebenfalls Widerspruch erhoben aus ihrer international registrierten Marke IR 357 073 (Widerspruchsmarke zu 2.)
LEONARD
die seit dem 2. Juni 1969 in der Bundesrepublik Deutschland Schutz genießt für Waren der
Klasse 3: Parfums, eaux de toilette, produits de beauté et de toilette, cosmétiques, crèmes et lotions, savons, dentifrices.
Am 24. Juli 2010 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke gegen beide Widerspruchsmarken die Einrede mangelnder Benutzung erhoben und die Widersprechenden haben jeweils Glaubhaftmachungsunterlagen vorgelegt.
Mit Beschluss vom 5. August 2014 hat die Markenstelle für Klasse 21 des DPMA die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke für die Klassen 18 und 24 und wegen des Widerspruchs aus der international registrierten Marke für die Klasse 3 angeordnet und die Widersprüche im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widersprechende habe die Benutzung der Widerspruchsmarken nach Art, Dauer und Umfang hinreichend glaubhaft gemacht für „Parfüms“, für die Waren der Klasse 18 „Reisetaschen, Handtaschen, Strandtaschen, Schultaschen, Rucksäcke, Kleidersäcke für die Reise, Reisenecessaires, Aktenkoffer, Aktentaschen, Brieftaschen, Kartentaschen, Geldbörsen, Regenschirme“ und für die Waren der Klasse 25 „Bekleidungsstücke für Herren und Damen“. Aus der eidesstattlichen Versicherung der geschäftsführenden Direktorin Tribouillard vom 22. November 2012 (Anlage W 1, Bl. 75 f. VA) ergebe sich, dass die Widersprechende zu 2.) unter der IR-Marke „LEONARD“ von 2005 bis 2012 mit Parfüms einen Umsatz zwischen 2.227,20 € bis 22.427,54 € pro Jahr in der Schweiz und in Deutschland getätigt habe. Ausweislich einer weiteren eidesstattlichen Versicherung von ihr ohne Datum (Anlage W 1, Bl. 85 f. VA) habe die Widersprechende zu 1.) unter ihrer gleichlautenden Unionsmarke mit den vorgenannten Waren der Klasse 18 im gleichen Zeitraum in Frankreich und Deutschland einen jährlichen Umsatz zwischen 1.230 € und 38.982 € erzielt. Für die Waren „Bekleidungsstücke für Herren und Damen“ sei im gleichen Zeitraum in Frankreich und Deutschland ein Umsatz zwischen 107.160 € und 1.835.456 € erzielt worden. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei von Haus aus durchschnittlich. Für eine Erhöhung seien keine Nachweise erbracht worden. Da der Bildbestandteil in der jüngeren Marke nicht klar und eindeutig zu erkennen sei – es könne sich um eine stilisierte Wolke, einen stilisierten Fahrradsattel oder eine Sprechblase handeln –, werde der Verkehr sich ausschließlich an dem Wortbestandteil „LEONARDO“ orientieren. Dieser stimme mit den Widerspruchsmarken in sieben von acht Buchstaben überein. Der einzige Unterschied durch das zusätzliche „O“ am Wortende habe keinen Einfluss auf den Gesamtklangcharakter. Die Vergleichswaren der Klassen 3 und 18 seien größtenteils identisch und lägen ansonsten im maßgeblichen Ähnlichkeitsbereich. Die Waren der Klassen 24 und 25 seien einander mittelgradig ähnlich. Hinsichtlich der übrigen Vergleichswaren bestehe mangels Produktähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Auch zwischen Bekleidung und Schmuckwaren in Klasse 14 sei eine Ähnlichkeit zu verneinen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie bestreitet eine Benutzung der Widerspruchsunionsmarke für die Waren der Klasse 18 „Schultaschen, Rucksäcke, Kleidersäcke für die Reise, Aktenkoffer, Aktentaschen, Regenschirme“ und ist der Ansicht, weder aus den Benutzungsunterlagen noch dem Internetauftritt der Widersprechenden zu 1.) ergebe sich ein entsprechendes Betätigungsfeld. Im Übrigen seien nur geschätzte Umsätze angegeben. Diese seien zudem stark rückläufig und betrügen zuletzt weniger als 5.000 €, so dass von dem Verkauf nur weniger Einzelstücke ausgegangen werden müsse. Ferner sei beispielsweise unbestimmt, in welchem Umfang die Marke im Jahr 2007 für Aktenkoffer oder für Regenschirme benutzt worden sei. Bei den „Bekleidungsstücken für Herren und Damen“ fehle die Angabe, für welche konkreten Bekleidungsstücke die Marke benutzt worden sei. Zudem habe die Widersprechende zu 1.) außer Krawatten keinen weiteren Nachweis für die Verwendung der Marke bei Herrenbekleidung vorgelegt. Da die dafür eingereichte eidesstattliche Versicherung kein Datum enthalte, sei die Bestimmung des Zeitraums „von 2005 bis heute“ nicht möglich. Für den Benutzungszeitraum 2005 bis 2010 lägen nur vier Rechnungen an deutsche Abnehmer vor, die nicht für Waren der Klasse 18 ausgestellt seien. Eine Rechnung belege auch noch nicht die Lieferung der Ware. Die beiden Auszüge aus Frauenzeitschriften (W 5, W 6) könnten keine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 1.) belegen. In gleicher Weise beanstandet die Beschwerdeführerin die eingereichten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der international registrierten Widerspruchsmarke zu 2.) für Parfüms. Auch die eidesstattliche Versicherung vom 22. November 2012 enthalte nur Schätzzahlen und zeige stark rückläufige und schwankende Umsätze, die ab 2012 in Deutschland völlig fehlten. Es sei nicht erkennbar, in welchem Gebiet die vorgelegten Parfümverpackungen (W 2) verwendet worden seien. Ferner werde die Widerspruchsmarke zu 2.) dort nicht als Produkt-, sondern nur als Unternehmenskennzeichen verwendet. Im Übrigen seien sich die Vergleichsmarken nicht ähnlich, weil sie dem Vornamen zahlreicher englischer Prominenter entsprächen und daher englisch ausgesprochen würden, während die jüngere Marke eine deutsche Aussprache nahe lege. Somit stünden sich vier weich ausgesprochene Silben (LE-O-NAR-DO) und zwei hart ausgesprochene Silben (LE-NARD) gegenüber.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. August 2014 aufzuheben und die Widersprüche aus der Unionsmarke 002 169 027 und der international registrierten Marke IR 357 073 zurückzuweisen.
Die Widersprechenden beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussbeschwerde beantragen sie,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des DPMA vom 5. August 2014 aufzuheben, soweit die Widersprüche aus der Unionsmarke 002 169 027 und aus der international registrierten Marke IR 357 073 zurückgewiesen worden sind, und das DPMA anzuweisen, die vollständige Löschung der angegriffenen Marke wegen dieser beiden Widersprüche anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Anschlussbeschwerden zurückzuweisen.
Die Widersprechenden vertreten die Auffassung, sie hätten die kontinuierliche Benutzung der beiden Widerspruchsmarken hinreichend glaubhaft gemacht. Die Umsätze seien nicht bloß geschätzt, sondern es handele sich um „Circa-Angaben“, also ungefähre Berechnungen. Bei den mit der Widerspruchsmarke zu 1.) gekennzeichneten Produkten der Klasse 18 handele es sich um Waren aus dem Luxussegment, weshalb geringere Stückzahlen für eine rechtserhaltende Benutzung ausreichten. Die Marke sei für zwei Länder der EU über jeweils acht Jahre benutzt worden. Die Lederwaren seien mit dem beigefügten Etikett versehen gewesen. Die überreichten Abbildungen zeigten eine Vielzahl unterschiedlicher Taschen. Die Umsätze für Bekleidung hätten in Frankreich in sechs Jahren deutlich über 1 Mio. € betragen, in Deutschland um die 400.000 € bis 500.000 € jährlich. Sämtliche Waren der Klasse 24 wiesen eine Ähnlichkeit mit Bekleidung auf, weil sie an denselben Vertriebsorten zu finden seien. Webstoffe seien zudem deren Ausgangsmaterialien. Die Waren der Klasse 14 und Bekleidungsstücke seien im Modesektor ergänzende Waren, weil beide einem ästhetischen Zweck dienten. Uhren, Armbänder etc. würden passend zur Kleidung gewählt, in derselben Kaufhausabteilung angeboten und in Modekatalogen oder an Schaufensterpuppen zusammen präsentiert. Die Widerspruchsmarke zu 2.) sei für Parfüm in Deutschland und in der Schweiz über sieben Jahre lang verwendet worden, zudem seien die Umsätze seit 2009 kontinuierlich gestiegen. Es entspreche den Gepflogenheiten des Marktes, ein Parfüm sowohl mit der Herstellerbezeichnung als auch mit einer weiteren produktspezifizierenden Marke zu versehen. Dem Widerspruch aus der IR-Marke hätte daher auch in Bezug auf die zu Parfüm mindestens durchschnittlich ähnlichen Waren der Klasse 21 stattgegeben werden müssen. Zum Verkauf von Parfüm würden Flakons benötigt, die oberbegrifflich von den „Glas- und Kristallglaswaren“ der Klasse 21 umfasst seien. Parfüm und Flakon bildeten eine funktionale Einheit, bei der das Flakon einen wesentlichen Wert der Gesamtware ausmache und mit dem gleichen hohen Aufwand wie das Parfüm selbst gestaltet werde. Durch langjährige intensive Benutzung sei die Kennzeichnungskraft der beiden Widerspruchsmarken auf ein überdurchschnittliches Maß gesteigert worden. Eine hochgradige Zeichenähnlichkeit sei zu bejahen, weil der Verkehr in den Widerspruchsmarken kein englisches Wort erkenne, so dass sie deutsch ausgesprochen würden. Der einzige sprachliche Unterschied bestehe in dem „O“ am Ende der angegriffenen Marke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
A. Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache mangels hinreichender Glaubhaftmachung der Benutzung der beiden Widerspruchsmarken keinen Erfolg.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der beiden Widerspruchsmarken am 24. Juli 2010 bestritten. Da sie die Einrede der Nichtbenutzung undifferenziert erhoben hat, ist in ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass die Einrede beide Zeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG i. V. m. § 125b Nr. 4 bzw. §§ 124, 116 Abs. 1 MarkenG umfassen soll (BGH GRUR 1998, 938 – DRAGON; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 12; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 43 Rdnr. 26; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, 3. Aufl., Rdnr. 560).
I. Widerspruch aus der Unionswortmarke „LEONARD“ (002 169 027)
Die Einrede ist zulässig, weil die Widerspruchsunionsmarke am 20. August 2004, mithin mehr als fünf Jahre vor der am 26. März 2010 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke registriert worden ist.
Nach § 125b Nr. 4 MarkenG sind für den Fall, dass ein Widerspruch auf eine ältere Unionsmarke gestützt wird, die Glaubhaftmachungsregeln des § 43 Abs. 1 MarkenG entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Unionsmarke gemäß Art. 15 der Verordnung über die Unionsmarke (UMV) tritt.
Zur Glaubhaftmachung muss von der Widersprechenden konkret angegeben und eidesstattlich versichert werden, wer die Marke auf welche Weise für welche Waren und Dienstleistungen in welchen Jahren an welchem Ort benutzt hat und wie viel Umsatz damit erwirtschaftet worden ist. Dabei müssen die detaillierten Angaben zu den Umsatzzahlen entweder in Geldbeträgen oder in Stück- bzw. Auftragszahlen konkret auf die jeweiligen Waren und Dienstleistungen bezogen und in die jeweiligen für die Benutzung rechtserheblichen Zeiträume aufgeteilt sein.
Die Widersprechende zu 1.) hat somit die Benutzung der Unionsmarke für die Waren der Klassen 18 und 25 für die Zeiträume März 2005 bis März 2010 und September 2011 bis September 2016 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG nach Art, Ort, Dauer und Umfang glaubhaft zu machen.
Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren, für die sie eingetragen ist, zu garantieren - benutzt wird, um für diese Waren einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (EuGH GRUR 2003, 425 Rdnr. 38 - Ansul/Ajax; BGH GRUR 2013, 725 Rdnr. 38 - Duff Beer). Eine ernsthafte Benutzung erfordert, dass die Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist (EuGH GRUR 2008, 343 Rdnr. 72 – 74 - Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]).
Die Widersprechende zu 1.) hat die Benutzung der Widerspruchsmarke zu 1.) für diese beiden Fünfjahreszeiträume nicht glaubhaft machen können.
1. Waren der Klasse 18
a) Die undatierte eidesstattliche Versicherung der Generaldirektorin der Widersprechenden zu 1.) (Anlage W1 – Bl. 85 f. VA) enthält Umsatzzahlen in Deutschland und Frankreich in den Jahren 2005 bis März 2012, die sich undifferenziert auf die Waren „Reisetaschen, Handtaschen, Strandtaschen, Schultaschen, Rucksäcke, Kleidersäcke für die Reise, Reisenecessaires, Aktenkoffer, Aktentaschen, Brieftaschen, Kartentaschen, Geldbörsen, Regenschirme“ beziehen sollen. Diese pauschalen Umsatzzahlen sind zur Glaubhaftmachung nicht geeignet, weil sie nicht konkret auf die jeweiligen Waren bezogen sind. Es hätte also angegeben werden müssen, wie sich der Umsatz auf die einzelnen genannten Waren verteilt. Nur bei einer auf die konkrete Einzelware bezogenen Glaubhaftmachung ist es dem Gericht möglich, die rechtserhaltende Benutzung konkret zu prüfen (BPatG GRUR 2000, 900 Rdnr. 19 – Neuro-Vibolex).
Hinzu kommt, dass sich die weiteren meist undatierten Unterlagen wie ein Etikett für eine Handtasche („Maroquinerie sac cuir“ [Tasche aus Leder]) ohne Angabe des Zeitraums, Anlage W2) oder undatierte Katalogblätter mit der Abbildung von Damenhandtaschen – teilweise ohne Markenangabe –, die zum Teil aus der Herbst/Winterkollektion 2009 - 2010 stammen (Anlage W3), ausschließlich auf Handtaschen beziehen, deren konkreter Umsatz in den Jahren 2005 bis 2008 nicht genannt wird. Rechnungen für Handtaschen wurden ebenfalls nicht vorgelegt.
Für alle anderen Lederwaren fehlt bis auf die pauschalen Umsatzangaben jeglicher Beleg.
Damit reichen die Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsunionsmarke für Lederwaren schon für den ersten Zeitraum von März 2005 bis März 2010 nicht aus.
b) Dies gilt erst recht für den zweiten Zeitraum von September 2011 bis September 2016. Hinzu kommt, dass die Umsätze in beiden EU-Ländern in den letzten Jahren rückläufig sind. Von 2009 bis 2012 wurden nur noch geringe Umsatzzahlen für Handtaschen erzielt und für die vier letzten Jahre 2013 bis 2016, also den größten Teil des zweiten Zeitraums, fehlen jegliche Angaben.
c) Somit hat die Widersprechende zu 1.) eine Benutzung der Widerspruchsunionsmarke für Waren der Klasse 18 nicht glaubhaft gemacht.
2. Waren der Klasse 25
a) Die undatierte eidesstattliche Versicherung der Generaldirektorin der Widersprechenden zu 1.) (Anlage W1 – Bl. 85 f. VA) enthält Umsatzzahlen in Deutschland und Frankreich in den Jahren 2005 bis März 2012, die sich auf „Bekleidungsstücke für Herren und Damen“ beziehen. Ferner sind zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke zu 1.) für die vorgenannten Waren vorgelegt worden:
- ein Etikett („Robes courte“ [kurzes Damenkleid] ohne Angabe des Zeitraums, Anlage W2),
- undatierte Katalogblätter – ohne oder mit französischem Text - mit der Abbildung von Damenkleidern, einem Damen-Top und Damenhosen, teilweise stammend aus der Herbst/Winterkollektion 2009 - 2010 (Anlage W3), mit und ohne Markenangabe; darunter einmal Herrenkrawatten mit aufgedruckter Marke,
- acht Rechnungen für Damenbekleidung an Abnehmer in Deutschland für den Zeitraum Januar 2009 bis März 2012 (Anlage W4), die sehr geringe Stückzahlen der jeweiligen Ware ausweisen (meist 1 – 2, max. 8),
- Abbildung eines Damen-Polo-Shirts mit Lederbesatz der Widersprechenden zu 1.) im Modeheft „Maxi“, Ausgabe April 2011 (Anlage W5) und die
- Abbildung eines Damenponchos der Widersprechenden zu 1.) in „Jolie Fashion Guide“ Frühjahr/Sommer 2011 (Anlage W6).
Die Umsatzzahlen differenzieren nicht zwischen Damen- und Herrenbekleidung und für den Nachweis der Benutzung für Herrenbekleidung reicht eine einzige Krawattenabbildung nicht aus.
Für den ersten Zeitraum von März 2005 bis März 2010 könnte aufgrund der übrigen Unterlagen höchstens die Benutzung für Damenbekleidung in Betracht kommen, aber diesbezüglich fehlen die konkreten, auf Damenbekleidung entfallenden Umsatzzahlen, so dass letztlich keine Glaubhaftmachung der Benutzung für den ersten Zeitraum vorliegt.
b) Für den zweiten Zeitraum von September 2011 bis September 2016 gilt das Gleiche. Auch hier sind die Umsätze in beiden EU-Ländern rückläufig und für die Jahre 2013 bis 2016 – mit fast vier Jahren der größte Teil des Zeitraums – fehlen jegliche Angaben.
c) Somit hat die Widersprechende zu 1.) auch keine Benutzung der Marke für Waren der Klasse 25 hinreichend glaubhaft gemacht.
II. Widerspruch aus der international registrierten Marke IR 357 073
Nach §§ 124, 116 Abs. 1 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 1 MarkenG tritt bei einer international registrierten Marke für den Beginn der Benutzungsschonfrist an die Stelle der Eintragung ins Register der Tag, an dem die Mitteilung über die Schutzbewilligung dem Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum zugegangen ist. Dies war am 2. Juni 1969 der Fall. Die Benutzungsschonfrist hat daher am 2. Juni 1974 geendet.
Die Nichtbenutzungseinrede ist zulässig, weil die Benutzungsschonfrist der international registrierten Widerspruchsmarke zu 2.) mehr als fünf Jahre vor der am 26. März 2010 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke abgelaufen ist. Es oblag der Widersprechenden zu 2.) somit, eine rechtserhaltende Benutzung der IR-Widerspruchsmarke sowohl in den letzten fünf Jahren vor der Veröffentlichung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch in den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, nach Art, Zeit, Ort und Umfang glaubhaft zu machen. Die rechtserhaltende Benutzung musste daher für den Zeitraum von März 2005 bis März 2010 und September 2011 bis September 2016 glaubhaft gemacht werden. Dies ist der Widersprechenden zu 2.) für diese beiden Fünfjahreszeiträume nicht gelungen.
1. Für den ersten Zeitraum von März 2005 bis März 2010 hat die Widersprechende zu 2.) eine eidesstattliche Versicherung ihrer Generaldirektorin vom 22. November 2012 vorgelegt (Anlage W1 – Bl. 75 f. GA), woraus sich ein Umsatz mit Parfüm in der Schweiz und in Deutschland für die Jahre 2005 bis 2010 ergibt, der überwiegend kontinuierlich gesunken ist und im Jahr 2010 nur noch 6.782 € in der Schweiz und 2.296 € in Deutschland betragen hat. Daneben hat sie einige – undatierte – Parfümverpackungen vorgelegt sowie sechs Rechnungen (Anlage W3) für Parfüm an Abnehmer in Deutschland für den Zeitraum Mai 2005 bis März 2008 und sechs Rechnungen an Schweizer Kunden für den Zeitraum Juli 2005 bis Januar 2008.
Soweit sich die Angaben nicht nur auf die Benutzung in Deutschland, sondern auch in der Schweiz beziehen, ist das im Hinblick auf das Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. April 1892 unschädlich, da nach Art. 5 Abs. 1 dieses Abkommens auch Benutzungshandlungen im Gebiet des anderen Vertragsteils die Rechtsnachteile einer Nichtbenutzung ausschließen.
Wie die überreichten Parfümpackungen zeigen, befindet sich u. a. z. B. neben den Produktmarken „Tamango“ und „BALAHE“ die Widerspruchsmarke zu 2.) als erkennbare Zweitkennzeichnung. Das ist im Parfümeriebereich üblich, so dass die Marke hier nicht nur als Unternehmenskennzeichen wahrgenommen wird. Das Publikum ist vielfach an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt, die eine weit verbreitete und wirtschaftlich sinnvolle Praxis darstellt.
Für den ersten Zeitraum März 2005 bis März 2010 könnte man daher von einer rechtserhaltenden Benutzung für Parfüm ausgehen.
2. Allerdings kann das letztlich dahinstehen, weil die Benutzung für den zweiten Zeitraum nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden ist.
Für den zweiten Zeitraum von September 2011 bis September 2016 wird in der eidesstattlichen Versicherung für Deutschland 2011 nur noch ein Parfümumsatz von 4.209 € und kein Umsatz mehr in 2012 angegeben, während in der Schweiz 2011 noch 9.204 € und von Januar bis Ende Oktober 2012 noch 9.245 € Umsatz erzielt worden sind. Auch hier ist eine rückläufige Tendenz erkennbar. Für den vierjährigen Zeitraum 2012 bis 2016 und damit für den größten Teil des zweiten Zeitraums fehlen Umsatzzahlen völlig.
Damit fehlt es insgesamt ebenfalls an der hinreichenden Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke IR 357 073 für Parfüm.
B. Die Anschlussbeschwerden sind unbegründet, weil die rechtserhaltende Benutzung der beiden Widerspruchsmarken nicht glaubhaft gemacht worden ist. Mangels berücksichtigungsfähiger Widerspruchswaren ist somit auch keine Verwechslungsgefahr gegeben.
III.
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.