Entscheidungsdatum: 03.07.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 062 070.9
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 3. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I
Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der für die Waren
"Klasse 32: Bier, Biermischgetränke"
bestimmten Wortmarke
Sanddorn
mit Beschluss vom 5. Juni 2012 aus den Gründen des Beanstandungsbescheids vom 8. März 2012, zu denen die Anmelderin keine Stellung genommen hat, gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Im Beanstandungsbescheid ist ausgeführt worden, bei "Sanddorn" handele es sich laut dem DUDEN-Universalwörterbuch um eine als Strauch oder Baum wachsende Pflanze mit gelbroten, an Vitamin C reichen Beeren. Sanddornfrüchte würden traditionell als aromatische Zutat verwendet sowie auch als orangener dicker Fruchtsaft, Nektar und als Bestandteil von Mixgetränken angeboten. Die angesprochenen Verkehrskreise würden daher das Wort "Sanddorn" im Zusammenhang mit den in der Anmeldung aufgeführten Getränken nur als einen beschreibenden Beschaffenheitshinweis dahingehend verstehen, dass die entsprechend bezeichneten Waren Sanddornfrüchte als aromatische Zutat enthielten bzw. unter Verwendung von Sanddornfrüchten hergestellt seien.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, "Sanddorn" sei für die beanspruchten Waren der Klasse 32 nicht beschreibend und deshalb nicht freihaltungsbedürftig und weise auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf. Bier werde in Deutschland nach dem Reinheitsgebot durch Gärung nur aus den Grundzutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe hergestellt. Sanddorn sei keine Bierzutat und deshalb auch keine Bezeichnung eines Produktmerkmals. Es sei im inländischen Getränkehandel auch nicht üblich, Biere mit dem Begriff "Sanddorn" zu bezeichnen. Entsprechende konkrete Feststellungen habe auch die Markenstelle nicht getroffen.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der angemeldeten Marke fehlt für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Bestimmung ist die Eignung eines Zeichens, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428, 431, Nr. 48 - Henkel); denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 806, Nr. 35 - Philips; GRUR 2008, 608, 610, Nr. 59 - EUROHYPO; BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Was nicht individualisiert, kann nicht Gegenstand eines Individualrechts werden, sondern soll Gemeingut bleiben und der freien Verwendung offenstehen. Nur soweit die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion bejaht werden kann, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass eine Angabe oder ein Zeichen der ungehinderten allgemeinen Verwendung vorenthalten und zu Gunsten eines Einzelnen monopolisiert wird (EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Nr. 48 - Dreidimensionale Tablettenform I).
Die Unterscheidungskraft fehlt insbesondere Zeichen, die für die fraglichen Waren und Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Bedeutung haben, der vom Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2009, 952 - Deutschland Card). Bei derartigen Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um eine solche, für die Waren "Bier" und "Biermischgetränke" unmittelbar beschreibende Beschaffenheitsangabe, die vom Verkehr unmittelbar und ohne gedankliches Analysieren in diesem beschreibenden Sinne verstanden und deshalb nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel angesehen wird. Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, dass es sich bei "Sanddorn" um die Bezeichnung eines Baums bzw. Strauchs mit aromatischen, an Vitamin C reichen Früchten handelt, die zu Saft verarbeitet werden. Dieser wird entweder als solcher vertrieben oder anderen Lebensmitteln, einschließlich Getränken, als geschmacksgebender Bestandteil beigefügt. Diese Feststellung stellt auch die Anmelderin nicht grundsätzlich in Abrede.
Das Wort "Sanddorn" ist dem normal informierten deutschen Durchschnittsverbraucher von Getränken bekannt. Dieser weiß auch, dass es Getränke wie Sanddornsaft sowie aus verschiedenen Früchten hergestellte Mehrfrucht- und Multivitamingetränke gibt, denen nicht selten auch der Saft von Sanddornfrüchten beigemischt wird. Begegnet er einem mit der Bezeichnung "Sanddorn" versehenen Getränk, wird er diese Angabe deshalb allgemein dahingehend verstehen, dass ihm ein Getränk offeriert wird, das eine Zugabe von Sanddornsaft oder zumindest das Aroma von Sanddorn enthält. Angesichts der Vielzahl von seit einigen Jahren auf dem inländischen Markt erhältlichen Biermischgetränken mit verschiedenen Fruchtauszügen bzw. -aromen wird er deshalb "Sanddorn" auch im Zusammenhang mit solchen Getränken nur als Angabe über die Beschaffenheit des Getränks verstehen.
Aber auch in Bezug auf Bier fehlt der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft. In den letzten Jahren ist in der Presse umfangreich darüber berichtet worden, dass es gelungen ist, Aromahopfen mit verschiedenen, überwiegend fruchtigen Geschmacksnoten herzustellen. Einige der unter Verwendung von Aromahopfen gebrauten Biere befinden sich bereits auf dem Markt. Es gibt also bereits nach dem Reinheitsgebot gebraute Biere mit Fruchtnoten. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund wird der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, selbst wenn er sich des Reinheitsgebots erinnert, in "Sanddorn" auch bei einer Verwendung für Bier nur eine Angabe zur Geschmacksrichtung des Bieres, nicht aber einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen. Dies gilt unabhängig davon, ob es bereits eine Aromahopfensorte mit der Geschmacksnote "Sanddorn" gibt; denn der Durchschnittsverbraucher von Bier weiß im Allgemeinen nicht genau, welche Aromahopfensorten existieren und bereits zum Brauen von Bier eingesetzt werden.
Dass eine Verwendung der Bezeichnung "Sanddorn" für Bier im Verkehr von der Markenstelle nicht festgestellt worden ist und auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde nicht festgestellt werden kann, steht einer Wertung der angemeldeten Marke als nicht unterscheidungskräftige Angabe nicht entgegen; denn die Unterscheidungskraft einer als Marke angemeldeten Angabe ist im Wege einer Prognose zu ermitteln (EuGH GRUR Int. 2005, 135 - Maglite; BGH GRUR 2010, 825 - Marlene-Dietrich-Bildnis II), bei der weder die Aufgabe noch die Möglichkeit besteht, konkret zu ermitteln, ob der Verkehr die fragliche Marke tatsächlich als betrieblichen Herkunftshinweis auffasst. Die Verneinung der Unterscheidungskraft einer angemeldeten Marke setzt deshalb auch nicht voraus, dass deren üblicher beschreibender Gebrauch für die Waren und Dienstleistungen der Anmeldung nachgewiesen wird (EuGH GRUR 2004, 1027 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2008, 1002 - Schuhpark). Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde der Anmelderin keinen Erfolg haben.