Entscheidungsdatum: 18.04.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 003 780.6
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I
Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der für die Ware
"Klasse 20: Möbel"
bestimmten Wortmarke
„Responsible Furniture“
mit Beschluss vom 20. Juli 2010 zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und die angemeldete Marke zudem zur Beschreibung dieser Waren dienen könne (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung beschreibe eine Eigenschaft der Ware "Möbel" in werbe- und sprachüblicher Weise. Das englische Wort "furniture" sei die wörtliche Übersetzung des Begriffs "Möbel" und bezeichne somit nur die Art der beanspruchten Ware. Da das mit dem weiteren englischsprachigen Markenwort „responsible“ korrespondierende Wort "responsabel" in der Bedeutung "verantwortlich" auch Bestandteil der deutschen Sprache sei (Der kleine Duden, Fremdwörterbuch, 2. Auflage, 1983, S. 361 f.), sei von einem unmittelbaren Verständnis der angemeldeten Marke im Sinne von "verantwortungsvolle Möbel“ auszugehen. Zwar sei der Anmelderin zuzugeben, dass das Wort "responsible“ bzw. dessen deutsche Übersetzung "verantwortungsvoll" ursprünglich eine personenbezogene Eigenschaft bezeichne. Andererseits sei im vorliegenden Fall jedoch zu berücksichtigen, dass dieses Adjektiv im Zuge des aufkommenden Umweltschutzgedankens sowohl im Englischen wie im Deutschen eine Bedeutungserweiterung erfahren habe. Wie sich aus verschiedenen, der Anmelderin bereits vor der Beschlussfassung übermittelten Fundstellen im Internet ergebe, würden auch Gegenstände hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit mit Adjektiven wie z. B. „verantwortungsvoll, nachhaltig, ökologisch, erneuerbar" bezeichnet. Vor diesem Hintergrund erschöpfe sich die Bedeutung der angemeldeten Marke in der schlagwortartigen Bezeichnung der beanspruchten Ware hinsichtlich ihrer Art und ihrer Eigenschaften. Die angemeldete Marke weise entgegen der Ansicht der Anmelderin auch keine begriffliche Unschärfe in Bezug auf die beanspruchte Ware auf. Vom Markenschutz seien nicht nur solche Bezeichnungen ausgeschlossen, die die Waren mit größter sprachlicher Exaktheit beschreiben. Die mit einer verallgemeinernden Aussage einhergehende Unbestimmtheit einer Angabe müsse einem Verständnis als bloße Sachangabe nicht entgegenstehen. Eine begriffliche Unbestimmtheit könne insoweit sogar gewollt sein, um eine positive Erwartungshaltung des Verkehrs zu fördern und einen möglichst weiten beschreibenden Bereich zu erfassen. Das Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung für die Ware "Möbel" ergebe sich außer aus dem beschreibenden Charakter der Bezeichnung auch aus der Tatsache, dass sie im Verkehr bereits in beschreibender Weise verwendet werde. Die von der Anmelderin aufgeführten Voreintragungen könnten die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens demgegenüber nicht begründen, da es sich bei diesen Voreintragungen nicht um identische Bezeichnungen für identische Waren handele.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie vertritt weiterhin die Ansicht, die angemeldete Marke sei nicht hinreichend bestimmt, um als beschreibende Angabe dienen oder als solche verstanden zu werden, weil ihr Bestandteil "responsible“ allein eine menschliche Eigenschaft beschreibe, nicht aber eine Sacheigenschaft. In Bezug auf die von ihr angeführten, voreingetragenen Wortmarken verweist sie darauf, dass diese allein aufgrund des in ihnen enthaltenen Wortes „responsible“ zur Eintragung gelangt sein könnten. Es bestünden deshalb entgegen der Ansicht der Markenstelle durchaus entscheidungserhebliche Gemeinsamkeiten.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle vom 20. Juli 2010 aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die Ware "Möbel" stehen – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.
Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist eine angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen, wie z. B. ihrer Art oder Beschaffenheit, dienen können. Hierfür ist es ausreichend, dass die angemeldete Marke in einer ihrer möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH MarkenR 2008, 160, 162, Rn. 35 - Hairtransfer). Unerheblich ist, ob die fragliche Marke in ihrer beschreibenden Bedeutung bereits im Verkehr bekannt ist oder beschreibend verwendet wird. Vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr.; EuGH GRUR 2010, 534, Nr. 52 – PRANAHAUS). Allerdings können Belege einer bereits erfolgten beschreibenden Benutzung der fraglichen Marke starke Indizien für deren tatsächliche Eignung zur Beschreibung darstellen.
Hiervon ausgehend kann die angemeldete Marke in der von der Markenstelle zutreffend ermittelten Bedeutung „verantwortungsvolle Möbel" bei einer Benutzung für die in der Anmeldung aufgeführte Ware „ Möbel" zur Bezeichnung der Art der Ware sowie eines sonstigen Merkmals dieser Ware dienen, nämlich dass bei der Herstellung der so bezeichneten Möbel, der Erzeugung und/oder der Auswahl der hierfür verwendeten Materialien, z. B. in ethischer und/oder ökologischer Hinsicht verantwortungsvoll gehandelt worden ist. Dass der angemeldeten Marke nicht zu entnehmen ist, in welcher Weise der Anbieter des Produkts bei dessen Auswahl und/oder Herstellung verantwortungsvoll vorgegangen ist, steht der Eignung des Markenwortes "responsible" als beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen. Die Annahme einer unmittelbar beschreibenden Sachangabe setzt zwar voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise einen konkreten und direkten beschreibenden Bezug zwischen der Marke und den beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen herstellen können. Jedoch schließt nicht jede begriffliche Unbestimmtheit den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus. Auch relativ vage und allgemeine Angaben können als verbraucherorientierte Sachinformationen zu bewerten sein, insbesondere wenn sie sich auf umfängliche und übergreifende Sachverhalte beziehen. Die Eignung zur beschreibenden Sachangabe setzt auch nicht voraus, dass die Angabe bereits feste begriffliche Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung des Verkehrs zu ihrem Sinngehalt herausgebildet hat (BGH GRUR 2008,900, Nr. 15 - PA II; GRUR 2009, 411, Nr. 12 f. – STREETBALL). Bei Oberbegriffen oder Sammelbezeichnungen ist eine gewisse Allgemeinheit und Unschärfe sogar unvermeidbar, um den gewünschten, möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können (BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2009, 778, Nr. 17 - Willkommen im Leben). Neben der ursprünglichen Wortbedeutung des englischen Begriffs „responsible“ stellt seine bereits erfolgte Verwendung als beschreibende Sachangabe auch und gerade für Möbel sowie die von der Markenstelle festgestellte umfängliche Benutzung des ihm entsprechenden deutschen Begriffs "verantwortungsvoll" als beschreibende Sachangabe für eine Vielzahl von Waren im Internet ein gewichtiges Indiz für seine Eignung als Merkmalsangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und das Interesse der Mitbewerber an der weiterhin freien, nicht durch Ausschließlichkeitsrechte Dritter eingeschränkten Benutzung der angemeldeten Marke für Möbel dar.
Dass es sich bei dem englischen Wort "responsible“ nicht um ein Wort des englischen Grundwortschatzes handelt und somit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Durchschnittskäufer von Möbeln dessen Bedeutung auch versteht, kann seine Eignung als beschreibende Sachangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ebenfalls nicht in Frage stellen. Zwar setzt die Eignung eines fremdsprachigen Wortes als beschreibende Angabe voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise in der Lage sind, die Bedeutung dieses Wortes zu erkennen (EuGH GRUR 2006, 411, Nr. 32 – Matratzen Concord/Hukla). Die insoweit maßgeblichen beteiligten Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH a. a. O., Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Der Formulierung „und/oder" ist zu entnehmen, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (BPatG MarkenR 2007, 527, 529 f. – Rapido). Bei diesen darf die Verständnisfähigkeit hinsichtlich fremdsprachiger Begriffe nicht zu gering veranschlagt werden, da sich die Fremdsprachenkenntnisse des inländischen Publikums und vor allem des Fachverkehrs durch den gemeinsamen europäischen Markt laufend verbessert haben. Dies gilt natürlich vor allem für die im internationalen Handelsverkehr vorherrschende englische Sprache, bei der im Fachverkehr von mehr als nur Grundkenntnissen ausgegangen werden kann, so dass zumindest insoweit von der Kenntnis der Bedeutung des englischen Begriffs "responsible“ ausgegangen werden muss. Die angemeldete Marke ist somit geeignet, zur Bezeichnung von Eigenschaften von Möbeln im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu dienen.
Der angemeldeten Marke fehlt außerdem für Möbel jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung ist die konkrete Eignung eines Zeichens, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren/Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428, 431, Nr. 48 - Henkel); denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 806, Nr.. 35 - Philips; GRUR 2008, 608, 610, Nr. 59 - EUROHYPO; BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Was nicht individualisiert, kann nicht Gegenstand eines Individualrechts werden, sondern soll Gemeingut bleiben und der freien Verwendbarkeit unterliegen. Nur soweit die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion bejaht werden kann, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass eine Angabe oder ein Zeichen der ungehinderten allgemeinen Verwendung vorenthalten und zu Gunsten eines Einzelnen monopolisiert wird (EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Nr. 48 - Dreidimensionale Tablettenform I). Die Unterscheidungskraft fehlt insbesondere Zeichen, die für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen eine unmittelbare beschreibende Bedeutung haben oder einen sachlich beschreibenden Bezug zu diesen aufweisen (BGH a. a. O., Nr. 32 – FUSSBALL WM 2006).
Die angemeldete Marke weist für Möbel eine unmittelbare beschreibende Bedeutung auf. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im Rahmen der Prüfung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG getroffenen Feststellungen Bezug genommen. Auch die Fremdsprachigkeit kann der angemeldeten Marke nicht zu dem erforderlichen Minimum an Unterscheidungskraft verhelfen. Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Eintragung eines in der Sprache eines EU-Staates nicht unterscheidungskräftigen Wortes als nationale Marke in einem anderen Mitgliedstaat nur ausgeschlossen, wenn die beteiligten Verkehrskreise in dem Staat, in dem die Eintragung begehrt wird, im Stande sind, die eine betriebliche Herkunftsunterscheidung ausschließende Bedeutung dieses Wortes zu erkennen (EuGH a. a. O. Nr. 32 - Matratzen Concord/Hukla). Davon ist jedoch, wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, bei der angemeldeten, aus der Welthandelssprache Englisch entnommenen Bezeichnung bei einem maßgeblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise auszugehen.
Auch der Hinweis der Anmelderin auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil "responsible“ kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Voreintragungen identischer Marken sind für die Beurteilung späterer Markenanmeldungen nicht maßgeblich. Ihnen kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, so dass auch keine Veranlassung besteht, sich bei der Prüfung einer Markenanmeldung im Einzelnen mit solchen Voreintragungen auseinanderzusetzen (EuGH GRUR 2009,667, Nr. 15-18 - Bild.T-Online u. ZVS; BGH GRUR 2010, 230, Nr. 12 – SUPERgirl). Die Prüfung einer angemeldeten Marke ist ausschließlich auf diese Marke selbst zu beziehen (EuGH GRUR Int. 2011, 400, Nr. 77 – Zahl 1000). Auch Feststellungen zu anderen Markeneintragungen sind rechtlich nicht geboten (BPatG GRUR 2009, 1175, 1179 f. – Burg Lissingen). Eine auf Voreintragungen beruhende anspruchsbegründende Selbstbindung scheidet auch aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Erwägungen aus, weil weder das Amt noch das Gericht bei der Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke einen Ermessensspielraum haben, sondern es sich bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke um eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage handelt (st. Rspr.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 229, Nr. 47 – BioID).
Weitere Tatsachen, die die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke begründen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Beschwerde der Anmelderin konnte daher keinen Erfolg haben kann.