Entscheidungsdatum: 29.06.2015
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2014 042 056.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Juni 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. August 2014 wird aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
Troll
ist am 25. März 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren der Klassen 25, 32 und 33 angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 27. August 2014 hat die Markenstelle für Klasse 33 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich für folgende Waren der
Klasse 32: Alkoholfreie Cocktails; alkoholfreie Cocktail-Mixgetränke; alkoholfreie Fruchtgetränke; alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Weine; Aperitifs;
Klasse 33: alkoholhaltige Getränke mit Fruchtgehalt; alkoholische Fruchtgetränke; alkoholische Getränke, ausgenommen Bier; alkoholische Mischgetränke, ausgenommen Biermischgetränke; alkoholreduzierte Weine; Aperitifs; Cocktails; Getränke mit geringem Alkoholgehalt; Mischgetränke; Rotwein; Schaumweine; Weine; weinhaltige Getränke [Weinschorlen]; Weißweine; Weinpunsche.
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, als „Trollschoppen“, eine Mischung aus Weißwein und Sekt, werde in der Pfalz der letzte gemeinsam getrunkene Schoppen, bevor man nach Hause gehe bzw. sich „trolle“, bezeichnet. Als wichtiges Wahrzeichen der Pfälzer verkörpere er Gastfreundschaft, Geselligkeit und den großen Durst und sei in vielen Bereichen Deutschlands bekannt. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Wortzeichen „Troll“, das eine bei Bestellungen übliche Verkürzung des „Trollschoppen“ darstelle, lediglich einen unmittelbar beschreibenden Hinweis entnehmen, dass es sich bei den versagten Waren um Mischgetränke handele.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. August 2014 aufzuheben.
Er ist der Ansicht, dass das Publikum weder Veranlassung habe, den angeblich feststehenden Terminus „Trollschoppen“ auf „Troll“ zu verkürzen, noch den Begriff „Troll“, der eine zwergenartige, kauzige Figur bezeichne, mit einem „Trollschoppen“ zu assoziieren. Diese allenfalls auf die Region Pfalz beschränkte Verkürzung bzw. Assoziation, reiche nicht aus, um bundesweiten Markenschutz zu versagen. Der überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde das Anmeldezeichen als betriebliche Herkunftskennzeichnung werten. Ferner sei am 5. Mai 2015 seine identische Gemeinschaftswortmarke 013174487 für identische Waren, allerdings zwecks Erledigung eines Widerspruchsverfahrens in Klasse 32 mit dem Disclaimer „alle vorstehend genannten Getränke, ausgenommen alkoholische und alkoholfreie Biere“, eingetragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil einer Eintragung des angemeldeten Zeichens „Troll“ für die beschwerdegegenständlichen Waren keine Schutzhindernisse im Sinne des § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen.
1. Dem Anmeldezeichen kann die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 825 Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rdnr. 8 - Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 233 Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229 Rdnr. 27 - BioID; BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World; GRUR, 2008, 710 Rdnr. 12 - VISAGE). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2014, 569, 570 Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2014, 872, 873 Rdnr. 12 – Gute Laune Drops; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778 Rdnr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rdnr. 24 - SAT 2; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952 Rdnr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops; GRUR 2010, 1100 Rdnr. 20 -TOOOR!; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress; a. a. O. Rdnr. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O. Rdnr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Rdnr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT; a. a. O. Rdnr. 97 - Postkantoor; a. a. O. Rdnr. 38 - BIOMILD; GRUR 2003, 58 Rdnr. 21 - Companyline).
b) Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das Anmeldezeichen „Troll“. In Bezug auf die zurückgewiesenen Getränke hat das Zeichen weder einen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt, noch weist es einen engen sachlichen Bezug zu diesen auf.
aa) Bei den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um den Getränkehandel und Gastronomiefachverkehr als auch um den Endverbraucher.
bb) Das Anmeldezeichen besteht aus dem Wort „Troll“.
aaa) Dieses Wort kommt besonders in der germanischen Mythologie vor, stammt aus dem Skandinavischen und hat die Bedeutung „dämonisches Wesen, das männlich oder weiblich sein, die Gestalt eines Riesen oder eines Zwergs haben kann“ (Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, 3. Aufl. 1999, S. 3978; www.duden.de). Ferner kann es „grober, ungeschlachter Kerl“ (Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, a. a. O.) oder „jemand, der [fortgesetzt] beleidigende und diskriminierende Kommentare ins Internet stellt“ (www.duden.de) bedeuten. „Troll“ ist aber auch Name von Fahrzeugen, Zeitschriften, Filmen und vielfach Familienname sowie die schlechteste Notenstufe in der Zaubereischule Hogwarts der Harry-Potter-Romane (www.wikipedia.org).
Keine dieser Bedeutungen hat irgendeinen Bezug zu den zurückgewiesenen alkoholfreien oder alkoholischen Getränken.
bbb) Das Anmeldezeichen ist aber auch kein Synonym oder eine gebräuchliche Abkürzung für die Rebsorte „Trollinger“, die bei Weinen und anderen aus Weintrauben hergestellten alkoholischen und alkoholfreien (Misch-)Getränken beschreibend darauf hinweisen könnte, dass sie u. a. aus Trauben der Weinrebe „Trollinger“ hergestellt worden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch alkoholfreie oder alkoholreduzierte Weine (www.wikipedia.org, www.winzers.de,), Trollinger Weißwein (www.hotelier.de/lexikon/t/trollinger, Trollinger Traubensaft (www.weingut-forsthof.com, www.weingut-weiberle.blogspot.de) und Trollinger-Cocktails gibt (trollinger2punkt0.de).
„Trollinger“ oder „Blauer Trollinger“ ist die Bezeichnung für eine „spät reifende Rebsorte mit großen, rot- bis tiefblauen Beeren“ oder den „leichten, herzhaften Rotwein aus Trollinger (www.duden.de). Der Name ist vermutlich aus „Tirolinger“ entstanden, weil die zugrunde liegende Traube die Südtiroler Rebsorte Vernatsch ist. Trollinger ist im Weinbaugebiet Württemberg die meist angebaute Rebsorte (Robinson, Das Oxford Weinlexikon, 2. Aufl. 2003, S. 759 f.; Der Brockhaus Wein, 2005, S. 446; Wein von A bis Z – Der neue große Ambrosi, 2002, S. 336 f.; www.wein-lexikon.de/Trollinger; www.wikipedia.org). Tatsächlich besteht auch das vom Anmelder kreierte, mit dem Anmeldezeichen bezeichnete Getränk zur Hälfte aus Trollinger und hat auch dessen Farbe. Dem Presseartikel „Troll wie Trollinger“ vom 8. Juli 2014 (www.stimme.de), der allerdings erst nach der Anmeldung des Wortzeichens erschienen ist, ist auch zu entnehmen, dass der Anmelder „über den guten alten Trollinger zum Namen für sein Getränk gekommen“ ist.
Dennoch hat der Senat weder in einschlägigen Weinlexika, Rebsorten- oder Abkürzungsverzeichnissen noch im Internet feststellen können, dass „Troll“ das in den angesprochenen Verkehrskreisen bekannte und benutzte Akronym für die Rebsorte „Trollinger“ ist. Zwar wird der aus dieser Rebsorte hergestellte Wein auf einigen, wenigen Getränkekarten der Gastronomie, teilweise auch des Getränkefachhandels bei Platzmangel und zur Vermeidung von Wiederholungen mit „Troll.“ abgekürzt, aber diese Abkürzung ist stets verbunden mit einem Punktzeichen und weiteren Zusätzen, vor allem aber mit dem Zusatz „Lemberger“ oder abgekürzt „(-)Lemb.“, nie aber in der angemeldeten Alleinstellung ohne Punkt.
Der Senat konnte trotz gründlicher Recherche keine Belege dafür finden, dass „Troll“ als gängige Abkürzung für „Trollschoppen“ verwendet wird oder bekannt ist. Auch wenn nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass in der Pfalz bei der mündlichen Bestellung im Lokal, vereinzelt aus Vereinfachungsgründen oder möglicherweise aufgrund alkoholisierten Zustands, der „Trollschoppen“ auf „Troll“ verkürzt wird, reicht dies nicht aus, um dem Anmelder bundesweiten Markenschutz zu verweigern.
Damit stellt die angemeldete Bezeichnung nur eine sprechende Marke dar, bei der ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise zwar die dahinter stehende beschreibende Bedeutung „Trollinger“ oder - in der Pfalz - „Trollschoppen“ erkennen mag, sie aber dennoch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verfügt, so dass sie als individualisierender Betriebshinweis aufgefasst wird.
2. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung der Marke für die versagten Waren ebenfalls nicht entgegen.
Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für die sie eingetragen werden sollen. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH, GRUR 2004, 680, Rdnr. 35, 36, Campina Melkunie/HABM [BIOMILD]; GRUR 2004, 674, Rdnr. 54 u. 95 - Postkantoor; GRUR 2004, 146, Rdnr. 31 - Wrigley/HABM [DOUBLEMINT]).
Wie bereits bei der Prüfung der Unterscheidungskraft eingehend erörtert, ist das Wortzeichen „Troll“ weder geeignet, die zurückgewiesenen Getränke zu beschreiben, noch handelt es sich um die gebräuchliche Abkürzung einer beschreibenden Angabe.
3. Für die Eintragung der Marke wird darauf hingewiesen, dass die vollständige Warenbezeichnung von „Aperitifs“ in Klasse 32 entsprechend der Anmeldung „Aperitifs, alkoholfrei“ lautet.