Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 02.07.2014


BPatG 02.07.2014 - 26 W (pat) 538/13

Markenbeschwerdeverfahren – "aufbäumendes Pferd in Flaschenform (dreidimensionale Marke)/Dressurpferd in Flaschenform (dreidimensionale Marke)" – Waren- und Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
02.07.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 538/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 77 016

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 2. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Markeninhaber hat am 21. Dezember 2005 die nachstehend wiedergegebene dreidimensionale Marke

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zur Eintragung für die Waren und Dienstleistungen

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- Klasse 21: Glaswaren, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind,

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- Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) und

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- Klasse 35: Betrieb einer Importagentur

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zur Eintragung in das Register angemeldet.

7

Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die angemeldete Marke mit Verfügung vom 16. März 2006 unter der Nr. 305 77 016 in das Register eingetragen.

8

Die Widersprechende hat der Eintragung dieser Marke am 17. Juli 2006 widersprochen und ihren Widerspruch auf die nachstehend wiedergegebene eingetragene dreidimensionale prioritätsältere Widerspruchsmarke 305 70 550 gestützt.

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Die Widerspruchsmarke ist für die Waren und Dienstleistungen

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- Klasse 21: Figuren (Statuetten) aus Porzellan, Ton oder Glas; Flaschen,

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- Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) und

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- Klasse 35: Betrieb einer Importagentur

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im Register eingetragen.

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Der Markeninhaber hält den Widerspruch für unbegründet, weil zwischen der angegriffenen und der Widerspruchsmarke wegen des deutlichen Zeichenabstands der Marken keine Verwechslungsgefahr bestünde und der Widerspruchsmarke nur eine minimale Unterscheidungskraft zukomme. Die Widersprechende hält dagegen Verwechslungsgefahr wegen hochgradiger Zeichenähnlichkeit für gegeben.

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Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 3. Juli 2013 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes den Widerspruch aus der Marke 305 70 550 zurückgewiesen, weil zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, zwar bestehe zwischen den Vergleichswaren hinsichtlich der Klasse 33 (alkoholische Getränke) und den Dienstleistungen der Klasse 35 (Betrieb einer Importagentur) ebenso Identität wie zwischen den Waren "Flaschen" der Widerspruchsmarke sowie "Glaswaren" der jüngeren Marke, da "Flaschen" vom Oberbegriff "Glaswaren" vollständig umfasst würden. Doch sei von einer geringen Kennzeichnungskraft und damit von einem verminderten Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen. Um einer aus der Form der Ware oder ihrer - wie bei Getränken – notwendigen Verpackung bestehenden dreidimensionalen Marke zu dem erforderlichen Minimum an Unterscheidungskraft und damit zur Eintragung zu verhelfen, bedürfe es einer erheblichen Abweichung von der Norm und dem auf dem jeweiligen Warengebiet üblichen Formenschatz, weil der Verbraucher eine Flasche oder eine andere Verpackung einer Ware erfahrungsgemäß zunächst nur als solche oder als eine funktionelle und ästhetische Gestaltung und nicht als betriebliches Herkunfts- und Unterscheidungskennzeichen wahrnehme. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst oder ihrer notwendigen Verpackung werde deshalb eher dem Bemühen um eine funktionelle und ästhetische Gestaltung zugeschrieben als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen. Auf dem Warengebiet alkoholischer Getränke finde seit langem eine große Vielfalt von Flaschenformen Verwendung. Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft habe der Widerspruchsmarke zur Eintragung verholfen; diesem entspreche jedoch von Haus aus ein geringer Grad an Kennzeichnungskraft und damit ein geringer Schutzumfang. Bei Verwendung der Vergleichsmarken zur Kennzeichnung identischer Waren sowie angesichts eines verminderten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke seien zur Verneinung der Verwechslungsgefahr durchschnittliche Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen. Die Vergleichsmarken würden zwar beide Darstellungen eines Pferdes zeigen, doch seien die Unterschiede groß genug, um die Gefahr einer Verwechslung auszuschließen. Das Pferd der jüngeren Marke bäume sich sichtbar auf; damit die Flasche stabil stehen könne, müsse sie in eine Position gebracht werden, die zwischen Schweif und Hinterbeinen eine Linie bilde. Dadurch falle das Aufbäumen des Pferdes besonders auf. Das Pferd der Widersprechenden hebe dagegen auf etwas gezierte Weise den "linken" Vorderfuß und erinnere an ein Dressurpferd. Weitere Unterschiede ergäben sich aus der Haltung des Schweifes (dünn und nach außen zeigend bei der jüngeren Marke, nach innen gerollt bei der Widerspruchsmarke) sowie der Mähne. Darauf, ob der Schriftzug "MERCUR", der – im Gegensatz zur angegriffenen Marke, die keine Wortelemente enthalte – auf der Widerspruchsmarke angebracht sei, als Mehrfachkennzeichnung vom Verkehr wahrgenommen werde, komme es im Blick auf die zahlreichen Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen nicht mehr an. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe daher weder unmittelbar noch mittelbar Verwechslungsgefahr.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hat vorgetragen, die für die Vergleichszeichen eingetragenen Waren seien identisch. Der Widerspruchsmarke komme durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Zwar müsse bei einer dreidimensionalen Marke eine gewisse Schwelle überschritten werden, um eine eigenständige und herkunftshinweisende Kennzeichenfunktion annehmen zu können. Diese sei vorliegend jedoch erreicht, weil eine herkunftshinweisende Bedeutung insbesondere einer vom branchenüblichen erheblich abweichenden Form beizumessen sei. Bei einer Flasche in Form eines Pferdes sei dies gegeben, weil die branchenübliche Flaschenform gerade nicht die eines Pferdes sei. Die durchschnittlichen Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand seien vorliegend nicht erfüllt, weil zwischen den Vergleichsmarken keine relevanten Unterschiede erkennbar seien. Beiden Pferden sei gemeinsam, dass die Vorderhufe in die Höhe gestreckt würden und sich lediglich die Hinterhufe auf dem Boden befänden. Der Durchschnittsverbraucher könne nicht erkennen, ob sich das Pferd aufbäume oder einen Vorderhuf nur gezielt in die Luft strecke. Das Heben des Vorderhufes erinnere nicht an ein Dressurpferd. Der Verbraucher nehme nur ein Pferd in Bewegung wahr. Jeweils auf dem Rücken der Pferde würde sich der Flaschenhals befinden, was bewirke, dass ein identischer Gesamteindruck beider Vergleichsmarken hervorgerufen werde.

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Der Markeninhaber hat vorgetragen, das Pferd die Widersprechenden stehe auf drei Beinen und hebe eine, nämlich die rechte Vorderhufe an. Die Darstellung zeige ein Pferd im sog. "spanischen Schritt". Das Pferd der angegriffenen Marke nehme dagegen eine völlig andere Haltung ein. Es stehe auf beiden Hinterhufen und bäume sich auf. Die Vorderbeine seien angewinkelt. Werde die in Form eines Pferdes gehaltene Flasche hingelegt, so dass sie stabil auf allen vier Beinen ruhe, nehme sie eine bei einem gerade aufstehenden bzw. sich hinlegenden Pferd zu beobachtende Haltung ein. Zwar bestehe zwischen den Vergleichsmarken Identität hinsichtlich der Waren der Klasse 33 und der Dienstleistungen der Klasse 35 sowie Ähnlichkeit hinsichtlich der Waren der Klasse 21. Der dreidimensionalen Widerspruchsmarke komme aber nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Die Gefahr unmittelbarer Verwechslung zwischen den Vergleichszeichen sei auszuschließen, weil der Durchschnittsverbraucher sich an die Widerspruchsmarke als ein in normaler Haltung sich bewegendes Pferd erinnere, wohingegen der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch die Darstellung eines sich aufbäumenden, scheuenden und wilden Pferdes geprägt sei. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide aus, weil der Verbraucher die Flaschenform nicht als Herkunftshinweis auf Waren und Dienstleistungen die Widersprechenden verstehe.

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Die Widersprechende hat dem entgegengehalten, dem Durchschnittsverbraucher blieben im Blick auf beide Marken Pferde in Aktion in Erinnerung. Der Durchschnittsverbraucher werde die Unterschiede der Vergleichszeichen (spanischer Schritt – aufbäumendes Pferd) nicht erkennen. Weil die Unterschiede der Vergleichsmarken marginal seien, bestehe unmittelbare Verwechslungsgefahr, zumal der Widerspruchsmarke durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme.

19

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. Juli 2013 aufzuheben, die angegriffene Marke aus dem Register zu löschen und der Markeninhaberin die Kosten der Beschwerde aufzuerlegen.

20

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens die Widersprechenden aufzuerlegen.

II.

21

Die nach § 64 Abs. 6 S. 1 i. V. m.  § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil der Widerspruchsmarke als dreidimensionaler Marke bloß geringe Kennzeichnungskraft zukommt und zwischen den Vergleichszeichen trotz Waren-/Dienstleistungsidentität keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht. Auch mittelbare Verwechslungsgefahr besteht zwischen den Vergleichszeichen nicht. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung.

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1. Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

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Verwechslungsgefahr besteht, wenn das Publikum glauben könnte, dass die von den Vergleichszeichen erfassten Waren/Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich im Hinblick auf die Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen einerseits und die Identität oder Ähnlichkeit der von diesen erfassten Waren/Dienstleistungen andererseits. Weil die Verwechslungsgefahr vom Vorliegen einer Vielzahl von Umständen abhängt, tritt als weiteres Element insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke hinzu (EuGH GRUR 1998, 922, 924 Rn. 29 – Canon; GRUR Int. 1999, 734, 736 Rn. 17 – Lloyd; GRUR Int. 2007, 718, 720 Rn. 55 – TRAVATAN II.; GRUR 2008, 343, 346 Rn. 63 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; GRUR 2008, 503, 504 Rn. 28 - adidas/Marca Mode u. a.; GRUR 2010, 841, 844 Rn. 51 - Portakabin/Primakabin; Hacker, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rn. 30).

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2. Wechselwirkung und Feststellung der Verwechslungsgefahr

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Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, bemisst sich im Wesentlichen nach dem Zusammenwirken der Faktoren Identität oder Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke und Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen. Dabei stehen die genannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (EuGH GRUR 1998, 387, 389 Rn. 22 – Sabél/Puma; GRUR 1998, 922, 923 Rn. 17 – Canon; GRUR Int. 1999, 734, 736 Rn. 19 – Lloyd; GRUR Int. 2000, 899, 901 Rn. 40 – Marca/Adidas; GRUR 2008, 343, 345 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 1040, 1042 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, 932 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B/; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2011, 826 Rn. 11 – Enzymax/Enzymix; GRUR 2011, 824 Rn. 18 – Kappa; GRUR 2010, 235 Rn. 35 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 766, 768 Rn. 26 – Stofffähnchen; GRUR 2009, 772, 776 Rn. 51 – Augsburger Puppenkiste; GRUR 2009, 484, 486 Rn. 23 - Metrobus; GRUR 2008, 1002, 1004 Rn. 23 – Schuhpark; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 40).

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3. Waren-Ähnlichkeit

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Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist beim Warenvergleich und bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit jeweils von der Registerlage auszugehen.

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Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 f. Rn. 22-29 - Canon; GRUR 2006, 582, 584 – VITAFRUIT; MarkenR 2009, 47, 53 Rn. 65 - Edition Albert René; BGH GRUR 1998, 925, 926 - Bisotherm-Stein; GRUR 1999, 158, 159 – GARIBALDI; GRUR 1999, 164, 166 - JOHN LOBB; GRUR 2004, 594, 596 – Ferrari-Pferd; GRUR 2006, 941, 942 Rn. 13 – TOSCA BLU; GRUR 2007, 321, 322 Rn. 20 – COHIBA; GRUR 2007, 1066, 1068 Rn. 23 - Kinderzeit; GRUR 2009, 484, 486 Rn. 25 – Metrobus; GRUR 2014, 488, 489 Rn. 14 - DESPERADOS/DESPERADO; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 58).

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Zwischen den Waren der Klasse 33 (alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)) und der Dienstleistung der Klasse 35 (Betrieb einer Importagentur) besteht eine Ähnlichkeit. Zwischen den Waren der Klasse 21 "Figuren (Statuetten) aus … Glas" der Widerspruchsmarke und "Glaswaren" (Klasse 21) der angegriffenen Marke besteht Identität, nicht aber – anders als dies die Markenstelle für Klasse 21 in ihrem Beschluss vom 3. Juli 2013 meint – zwischen den Waren "Flaschen" der Widerspruchsmarke und "Glaswaren" der angegriffenen Marke, weil "Flaschen" vom Oberbegriff "Glaswaren" nicht vollständig umfasst werden, da Flaschen häufig aus anderen Materialien als Glas gefertigt sind, insbesondere aus Polyethylenterephthalat (PET).

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4. Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke

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Die Feststellung des Schutzumfangs einer Widerspruchsmarke ist bei dreidimensionalen Marken von besonderer Bedeutung, weil solche Marken in den meisten Fällen Waren- oder Verpackungsformen betreffen. Daher ist zu prüfen, ob sich die jeweiligen Übereinstimmungen der Vergleichsmarken auf die konkrete schutzbegründende Ausgestaltung der älteren Formmarke beziehen oder sich auf allgemeine funktionelle Elemente beschränken, denen nur eine unmittelbar warenbezogene oder technische Wirkung zukommt (BGH GRUR 2000, 888, 889 - MAG-LITE; GRUR 2003, 332, 335 – Abschlussstück; GRUR 2007, 780, 784 Rn. 40 - Pralinenform; GRUR 2011, 148, 150 Rn. 25 – Goldhase II; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 276 m. w. N. in Fußn. 665).

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Einer Marke kommt nicht bereits deshalb normale Kennzeichnungskraft zu, weil sie in das Register eingetragen ist und deshalb über das für die Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verfügt (BGH GRUR 2010, 1.1.2003, 1106 Rn. 40 – Pralinenform II; GRUR 2008, 909, 910 Rn. 21 - Pantogast; GRUR 2008, 905, 907 Rn. 20 – Pantohexal; GRUR 2007, 1066, 1068 Rn. 30 – Kinderzeit; GRUR 2007, 1071, 1072 Rn. 24 – Kinder II; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 128 m. w. N. in Fußn. 314). Das gilt namentlich für Verpackungen von Waren, weil der Verbraucher eine Verpackung einer Ware erfahrungsgemäß zunächst nur als solche oder als eine funktionelle und ästhetische Gestaltung und nicht als betriebliches Herkunfts- und Unterscheidungskennzeichen ansieht. Eine besondere Gestaltung der notwendigen Verpackung einer Ware wird deshalb eher dem Bemühen um eine funktionelle und ästhetische Gestaltung zugeschrieben als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (BPatG PAVIS, 26 W (pat) 23/06, BPatGE 51, 39 = GRUR-RR 2008, 423).

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Auf dem Warengebiet alkoholischer Getränke findet seit langem eine Vielzahl verschiedenster Flaschenformen Verwendung. Erst die konkrete Form eines "Dressurpferdes" hebt vorliegend die Widerspruchsmarke erheblich von dem auf dem betreffenden Warengebiet üblichen Formenschatz ab und hat ihr zu dem für die Eintragung erforderlichen Mindestmaß an Unterscheidungskraft verholfen. Insofern kommt der Widerspruchsmarke von Haus aus nur ein geringer Grad an Kennzeichnungskraft zu (BPatG PAVIS, 26 W (pat) 23/06, a. a. O.).

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5. Zeichenvergleich und Grad der Zeichenähnlichkeit

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Für den Vergleich der Formen dreidimensionaler Marken, dem ausschließlich die konkreten Gestaltungen zugrunde zu legen sind, die im Register eingetragen sind, ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Formen vermitteln (BGH GRUR 2003, 332, 335 – Abschlussstück; GRUR 2011, 148, 149 Rn. 13 – Goldhase II; EuG GRUR Int. 2010, 717, 718 Rn. 21 – Form einer Flasche mit wendelförmigem Flaschenhals). Der Gesamteindruck einer Waren- oder Verpackungsform wird häufig von Formmerkmalen bestimmt, die als solche nach § 3 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 oder § 8 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 MarkenG vom Schutz ausgeschlossen und markenrechtlich gemeinfrei sind. Solche Merkmale haben außer Betracht zu bleiben (BGH GRUR 2011, 148, 150 f. Rn. 25, 27 – Goldhase II). Der Gesamteindruck der schutzbegründenden Formmerkmale wird im Wesentlichen von den kennzeichnungsstärkeren Formbestandteilen bestimmt, während schwächere Teile im Gesamteindruck zurücktreten (BGH GRUR 2011, 148, 150 Rn. 22 – Goldhase II). Dabei kommt es mehr auf die Übereinstimmungen als auf die Abweichungen an (BGH GRUR 2003, 519, 521 – Knabberbärchen). Ist der Verkehr auf dem betreffenden Warengebiet an eine Vielzahl ähnlicher Gestaltungen gewöhnt, führen erkennbare Abweichungen von der älteren Marke selbst dann leicht aus ihrem Schutzbereich heraus, wenn sie im Wege der Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden ist (BGH GRUR 2011, 148, 151 Rn. 33 - Goldhase II), was für eingetragene Formmarken umso mehr gilt (s. zum Ganzen Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 278).

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Weil der Widerspruchsmarke nur geringe Kennzeichnungskraft zukommt und der Verkehr auf dem Gebiet alkoholischer Getränke seit langem an eine Vielzahl verschiedener Flaschenformen gewöhnt ist, reichen vorliegend die Unterschiede der Vergleichsmarken auch bei deren Verwendung für identische Waren aus, um eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auszuschließen.

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Die angegriffene Marke zeigt ein sich aufbäumendes, zum Sprung ansetzendes Pferd, das auf seinen beiden Hinterbeinen steht und die Vorderbeine anhebt, wobei Vorder- und Hinterbeine von der Seite betrachtet jeweils parallel zueinander angeordnet sind. Die Widerspruchsmarke ist eingetragen für ein auf drei Beinen stehendes, schreitendes Pferd, das das rechte Vorderbein wie bei einer Dressur anhebt. Vorder- und Hinterbeine sind jeweils versetzt zueinander angeordnet. Der Schweif des Pferdes der Widerspruchsmarke ist buschig ausgestaltet und beschreibt eine U-Form. Der Schweif des Pferdes der angegriffenen Marke ist dünn gehalten und weist vom Pferdekorpus weg. Außerdem weist die Widerspruchsmarke – wie auf dem die Marke wiedergebenden Bild rechts unten zu erkennen ist – auf der linken Seite des Glaspferdes ein Etikett mit dem Schriftzug "MERCUR", also dem Namen der Inhaberin der Widerspruchsmarke auf, wohingegen das Glaspferd der angegriffenen Marke keinen Schriftzug zeigt.

38

Für die Verwechslungsgefahr kommt es auf die Auffassung eines nicht unerheblichen Teils der beteiligten Verkehrskreise an. Entscheidend ist die Sicht des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren/Dienstleistungen. Dabei kann der Grad der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betroffenen Waren/Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein (EuGH GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT.2; GRUR Int. 2010, 129, 132 Rn. 74 - Carbonell/La Espanola; GRUR 2006, 237, 239 Rn. 38 – PICASSO; GRUR Int. 1999, 737, 736 Rn. 26 - Lloyd; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 214, 216). In diesem Zusammenhang haben sowohl die Widersprechende als auch der Markeninhaber zu Recht darauf hingewiesen, dass die hier relevanten Waren häufig von Sammlern gekauft würden, denen es weniger um das alkoholische Getränk, sondern mehr um die Schmuckflaschen gehe. Der durchschnittliche Verbraucher im Bereich dieser Waren wird einem Sammlerstück einen hohen Grad an Aufmerksamkeit entgegenbringen, weshalb ihm die aufgezeigten Unterschiede sofort auffallen werden. Eine unmittelbare Gefahr, dass der Durchschnittsverbraucher die Vergleichszeichen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verwechselt, besteht deshalb nicht.

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6. Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 MarkenG

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a) Mittelbare Verwechslungsgefahr wegen Benutzung einer Zeichenserie

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Vorliegend fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen, gleichwohl aber einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der Widerspruchsmarke werten, diesem Stammbestandteil die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren/Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb die Widersprechenden ansehen (BGH GRUR 2009, 484, 487 Rn. 38 – Metrobus; GRUR 2009, 672, 676 Rn. 39 – OSTSEE-POST; GRUR 2010, 729, 732 Rn. 40 – MIXI; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 443 m. w. N.).

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b) Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne

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Besondere Umstände, aufgrund derer der Durchschnittsverbraucher darauf schließen könnte, dass zwischen den Unternehmen des Markeninhabers und der Widersprechenden Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen könnten, sind nicht ersichtlich, weshalb eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ausscheidet (Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 470 m. w. N.).

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7. Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 71 Abs. 1 MarkenG

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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen, die der Markeninhaber beantragt hat, besteht keine Veranlassung.