Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.11.2012


BPatG 23.11.2012 - 26 W (pat) 538/12

Markenbeschwerdeverfahren – "IBERICOS (IR-Marke)" – geographische Herkunftsangabe - Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
23.11.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 538/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 1 011 787

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach vorangegangener Beanstandung vom 26. Februar 2012 mit Beschluss vom 12. April 2012 der international für die Waren

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Kl. 33: Wines from Spain and Portugal (the Iberian Peninsula)_

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registrierten Marke IR 1 011 787 „IBERICOS“ den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland vollständig verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der IR-Marke fehle für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft, sie stelle eine freizuhaltende Angabe dar, weshalb gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern sei. Nach den Grundsätzen u. a. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, C-108/97 vom 4.05.99 - Chiemsee) zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrechtsrichtlinie könne im vorliegenden Fall ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten geographischen Herkunftsangabe „IBERICOS“ hinsichtlich der beanspruchten Waren nicht in Abrede gestellt werden. Die um Schutz nachsuchende Marke bestehe erkennbar aus der Angabe „IBERICOS“, der männlichen Pluralform von „ibérico“ und deute auf die Iberische Halbinsel hin, weshalb die einzig im Vordergrund stehende Aussage „IBERICOS“ als Hinweis auf die geografische Herkunft der Waren der Klasse 33, nämlich „Weine aus Spanien und Portugal (der Iberischen Halbinsel) naheliegend sei und von den angesprochenen Verkehrskreisen auch in diesem Sinn verstanden werde, auch wenn die Angabe „VINOS IBERICOS“ sprachlich korrekt wäre. Weiterhin fehle der IR-Marke „IBERICOS“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auch jegliche Unterscheidungskraft, da im Hinblick auf den Aussagegehalt der Angabe „IBERICOS“ als geografische Herkunftsangabe die entscheidungserheblichen Verkehrskreise nicht in der Lage wären, das Zeichen in Verbindung mit den beanspruchten Waren einem bestimmten Anbieter zuzuordnen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdn. 42 i. V. m. Rdn. 107).

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Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie hält die um Schutz nachsuchende Marke mit dem Argument für unterscheidungskräftig, weil sie die beanspruchten Waren aufgrund der grammatikalischen Fassung weder unmittelbar beschreibe noch in einem engen sachlichen beschreibenden Bezug zu ihnen stehe. Der angesprochene deutsche Durchschnittsverbraucher werde „IBERICOS“ keinen spezifischen Begriffsinhalt zuordnen. Ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht. Die Anmelderin beruft sich auf Voreintragungen von ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittzeichen. Die Markeninhaberin beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 aufzuheben und der international registrierten Marke Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.

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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

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Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die um Schutz nachsuchende Marke ist eine die beanspruchten Waren beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Ihr fehlt auch das notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ war ihr daher der beantragte Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern. Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat dies in dem angegriffenen Beschluss zu Recht und mit überzeugender Begründung festgestellt. Die von der Markeninhaberin dagegen in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine andere Beurteilung.

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Das Markenwort „IBERICOS“ stellt eine freihaltungsbedürftige geographische Herkunftsangabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar. Angesichts der damit in erster Linie nahegelegten Assoziation „Iberische Halbinsel“ als Herkunftsort der beanspruchten Waren besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit an der ungestörten Verwendung der Bezeichnung.

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Denn wie der EuGH in Bezug auf geographische Herkunftsangaben ausdrücklich hervorgehoben hat, setzt die Anwendung des Schutzhindernisses nicht voraus, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltebedürfnis besteht (EuGH WRP 1999, 629, 633, Tz. 35 "Windsurfing Chiemsee"). Insoweit ist nicht nur die Eintragung solcher geographischer Herkunftsangaben verboten, die Orte bezeichnen, welche von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht werden. Vielmehr sind auch geographische Bezeichnungen vom Markenschutz ausgeschlossen, die zukünftig von Unternehmen als Herkunftsangaben verwendet werden können (EuGH a. a. O., 632 f., Tz. 29 ff.). Diese Eignung als Herkunftsangabe kommt insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu der betreffenden Warengruppe herstellen können (EuGH a. a. O., 633, Tz. 32 f.). Eine derartige Beziehung zwischen den beanspruchten Waren und dem fraglichen Ort muss nicht notwendigerweise auf der Herstellung der Waren in diesem Ort beruhen, sondern kann auch darin bestehen, dass die Verbraucher eine sonstige Verbindung zwischen den Waren und dem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen (EuGH a. a. O., 632 f., Tz. 26, 36). In Berücksichtigung dieser maßgeblichen höchstrichterlichen Auslegungskriterien stellt die angemeldete geografische Bezeichnung eine freihaltungsbedürftige geographische Herkunftsangabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.

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Soweit die Markenstelle ausgeführt hat, dass es sich bei dem Wort „IBERICOS“ um die männliche Pluralform des Adjektivs „ibérico“ handele und daher also mit „iberische“ zu übersetzen sei, ist dem die Anmelderin mit der Beschwerde nicht entgegengetreten. Den insoweit zutreffenden Feststellungen der Markenstelle ist deshalb vom Senat nichts hinzuzufügen.

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Wie die Markenstelle ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, wird der Verkehr in dem Zeichen damit allein einen Hinweis auf die Herkunft der Waren aus Spanien bzw. von der iberischen Halbinsel sehen. Hiergegen überzeugt der Hinweis der Anmelderin auf die grammatikalische Form als männliches Pluraladjektiv, welches im Spanischen allein nicht verwendet werde, nicht. Denn der angesprochene Verbraucherkreis wird entweder des Spanischen ausreichend mächtig sein. Dann wird er, wie die Markenstelle ausführt, das Zeichen bei einer Benutzung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren automatisch ohne Gedankenschritte ergänzen um das sprachlich notwendige Bezugsobjekt „vinos“. Die gegenteiligen Ausführungen der Anmelderin in der Beschwerde, wonach der spanisch sprechende Verbraucher nicht wisse, um welches Substantiv er „iberisch“ beim Anblick einer Weinflasche ergänzen solle, sind nicht überzeugend. Soweit bei dem beteiligten Verkehrskreis nur geringe Spanischkenntnisse vorliegen, führt dies entgegen der Ansicht der Anmelderin gerade dazu, dass dem angesprochenen Verbraucher die grammatikalische Feinheit entgeht und der geographische Hinweis „IBERISCH“ schon wegen der Ähnlichkeit mit dem Markenwort vordergründig wahrgenommen wird. Bei funktionsgemäßer Benutzung des Zeichens ist es dem Verkehr sofort und ohne gedankliche Analyse klar und eindeutig erfassbar, dass es sich bei den bezeichneten Weinen um „iberische“ handelt.

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Darüber hinaus fehlt dem Zeichen auch jegliche Unterscheidungskraft. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (EuGH GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 – Libertel; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Nr. 51 - Arsenal Football Club; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) - FUSSBALL WM 2006). Kann sie dies nicht, widerspricht es dem allgemeinen Interesse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung in das Markenregister zu Gunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (EuGH a. a. O., Nr. 59 - EUROHYPO; a. a. O., Nr. 60 - Libertel).

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Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen hergestellt wird (BGH a. a. O., Nr. 28 - FUSSBALL WM 2006).

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Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass die um Schutz nachsuchende Marke im Zusammenhang mit den in der Anmeldung aufgeführten Waren ungeeignet ist, diese von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden und damit die erforderliche Herkunftsfunktion auszuüben, da es sich bei ihr um eine Angabe handelt, die lediglich die geographische Herkunft dieser Waren bezeichnet, und da sie von den angesprochenen Verkehrskreisen auch nur in diesem beschreibenden Sinne verstanden wird, weil sie entgegen der Ansicht der Anmelderin keine begriffliche oder sonstige sprachliche Besonderheit aufweist, die den Verkehr veranlassen könnte, in ihr mehr als einen bloßen geographischen Herkunftshinweis zu sehen.

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Auch die Berufung der Anmelderin auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Voreintragungen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da selbst identische Voreintragungen im Inland keinerlei verbindliche Bedeutung haben und es für die Frage der Eintragung einer angemeldeten Marke allein darauf ankommt, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schutzhindernisses gegeben sind (vgl. u. a. EuGH GRUR, 667, Nr. 13 ff. - Bild.T-Online.de u. ZVS; BGH GRUR 2011, 230, Nr. 10 – SUPERgirl). Die Prüfung der angemeldeten Marke ist auch ausschließlich auf diese Marke selbst zu beziehen (EuGH GRUR Int. 2011, 400, Nr. 77 – Zahl 1000). Rechtliche Feststellungen zu anderen Markeneintragungen sind daher weder geboten noch zulässig. Die von der Anmelderin in der Beschwerdebegründung angeführten, angeblich vergleichbaren Voreintragungen können deshalb für die Entscheidung über die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke nicht beachtlich sein. Die Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.