Entscheidungsdatum: 15.06.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 011 055.7
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. Juni 2011 wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen aufgehoben, soweit die Markenanmeldung für folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
„Klasse 4: Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Motorenöl, Öle für technische Zwecke, Schmierfette, Schmieröle
Klass 39: Wasserversorgung (Transport); Ausgabe von Fahrkarten, nämlich Fahrkartenverkauf;
I.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2011 hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung der unter anderem für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 4: Gas als Brennstoff; Gas als Treibstoff; Elektrische Energie; Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe; Leuchtstoffe; Kerzen, Dochte; Alkohol (Brennstoff), Benzin (Brennstoff), Brennöle, Brennspiritus, Briketts, elektrische Energie, Heizöl, Holzbriketts, Holzkohle (Brennstoff), mineralische Brennstoffe, Motorenöl, Öle für technische Zwecke, Schmierfette, Schmieröle, Treibstoff;
Klasse 37: Bauwesen, Reparaturwesen; Installationsarbeiten; Förderung von Erdöl, Gas und/oder Wasser; Unterwasserbau; Unterwasserreparatur;
Klasse 39: Verteilung, Durchleitung und Transport von Elektrizität, Energie, Gas, Heizwärme und/oder Wasser; Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas und/oder Wasser; Transportwesen; Wasserversorgung (Transport); Pipelinetransporte; Transport mit Kraftfahrzeugen/Eisenbahnen; Veranstaltung von Reisen; Ausgabe von Fahrkarten, nämlich Fahrkartenverkauf;
Klasse 40: Materialbearbeitung; Erzeugung von Energie; Erdölverarbeitung; Erzeugung von Heizwärme; Erzeugung von Strom; Verbrennung von Müll und Abfall“.
bestimmten Wortmarke „Stadtwerke Strom Service“ zurückgewiesen, weil absolute Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG bestünden, insbesondere würden die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Marke keinen Hinweis auf einen ganz bestimmten Geschäftsbetrieb erkennen. Ferner bestehe ein Freihaltebedürfnis im Verkehr, da der angemeldete Begriff nicht zugunsten eines einzigen Anmelders monopolisiert werden dürfe.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Sie meint, dass bei dem im Rahmen der Unterscheidungskraft anzulegenden, großzügigen Maßstab diese sehr wohl gegeben sei. So seien die einzelnen Worte der angemeldeten Marke ihrerseits jeweils schutzfähig. Für „Stadtwerke“ ergebe sich das aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichtes 27 W (pat) 166/09. „Service“ schließlich sei als Dienstleistung zu erkennen und daher nicht als unmittelbare Beschreibung für die von einem Energieversorger erbrachten Spezialdienstleistungen anzusehen. Unabhängig davon komme es ohnehin auf den Gesamteindruck der angemeldeten Marke an. Diese sei ungewöhnlich und unüblich gebildet und daher mehr als nur eine Zusammenstellung der Einzelbegriffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat lediglich in geringem Umfang Erfolg. Denn mit Ausnahme der aus dem Tenor ersichtlichen Waren und Dienstleistungen stehen einer Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen absolute Schutzhindernisse gem. §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 37 Abs. 1 MarkenG entgegen, weil die angemeldete Wortkombination eine beschreibende Sachangabe darstellt und ihr insoweit auch jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Dies ist stets der Fall, wenn einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171 „FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 „YES“; WRP 2000, 741 „LOGO“; BGH WRP 2001, 35 „RATIONAL SOFTWARE CORPORATION“).
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EUGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EUGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - LIBERTEL). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (BGH MarkenR 2006, 395, 397 - FUSSBALL WM 2006 m. w. Nachw.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EUGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO, EUGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - LIBERTEL). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können. Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jedes Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 – Postkantoor).
Die angemeldete Marke besteht aus den Worten „Stadtwerke“, „Strom“ und „Service“.
Der Begriff Stadtwerke bezeichnet ein kommunales Unternehmen, bei dem es sich um einen wirtschaftlichen Betrieb einer Gebietskörperschaft handelt, der sich um die Grundversorgung der Bevölkerung u. a. mit Strom, Wasser und Gas oder um die Abfall- und Abwasserentsorgung und den öffentlichen Nahverkehr kümmert. Kommunale Unternehmen nehmen folglich Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr (vgl. auch BPatG 33 W (pat) 118/06). Daher kann (vgl. auch BPatG 27 W (pat) 166/09, von der Anmelderin zitiert) der Begriff „Stadtwerke“ nicht mit den schlichten Bezeichnungen „Einkaufsmarkt“, „Firma“ o. ä. gleichgesetzt werden, wenn er in Verbindung mit einer Ortsangabe eine eindeutige betriebliche Herkunftsangabe darstellen kann.
Von einer Schutzfähigkeit ist entgegen der Ansicht der Anmelderin aber nicht auszugehen, weil die Anmelderin den Begriff Stadtwerke ohne eine regionale Angabe versehen geschützt haben möchte und von daher eine eindeutige betriebliche Herkunftsangabe gerade nicht vorliegt. Denn mit dem Begriff „Stadtwerke“ sind zahllose kommunale Unternehmen benannt, ohne dass mit diesem Begriff und auch nicht mit der Verbindung von „Stadtwerke Strom Service“ ein Hinweis auf die Herkunft gerade von der Anmelderin gegeben wäre.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Anmelderin auf mangelnde lexikalische Nachweisbarkeit der Marke. Entgegen der Ansicht der Anmelderin ist die Aneinanderreihung von drei Substantiven nicht als unüblich und ungewöhnlich anzusehen. Im Übrigen ist für die Annahme des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 kein lexikalischer oder sonstiger Nachweis erforderlich, dass die Angabe bereits im Verkehr geläufig sei oder verwendet würde (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker MarkenG 10. Aufl. § 8 Rdn. 107). Dementsprechend ist es auch unerheblich, ob die angemeldete Bezeichnung bereits im Internet durch eine Suchmaschine feststellbar ist, was um so mehr gilt, als der Verkehr daran gewöhnt ist, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen und Abbildungen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Ebenso ist bekannt, das sich Neubildungen häufig nicht an grammatikalischen Regeln oder korrektem Sprachstil orientieren. Für den Durchschnittsverbraucher, der erfahrungsgemäß Kennzeichen so aufnimmt, wie sie ihm entgegentreten, besteht in der Regel kein Anlass für semantische Differenzierung und linguistische Bewertungen der Bezeichnung. Vielmehr wird er auch bisher noch nicht verwendete, für ihn aber verständliche Sachaussagen durchaus als solche und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (vgl. Ströbele a. a. O.).
Angesichts dessen ergibt sich aus der Anmeldemarke „Stadtwerke Strom Service“ keine über das bloße Wortverständnis hinausgehende Aussage zur betrieblichen Herkunft, handelt es sich doch um gebräuchliche Wörter, die nur als solche in ihrer ursprünglichen und gerade nicht markenmäßigen Bedeutung verstanden werden (vgl. Ströbele a. a. O., Rdn. 73).
Der beschreibende Sinngehalt liegt auf der Hand für Gas als Brenn- und Treibstoff, womit sich nämlich durch einen Service von Stadtwerken Strom in einem Kraftwerk erzeugen läßt, wofür auch Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel benötigt werden. Strom lässt sich aus allen Brennstoffen herstellen unabhängig von deren Aggregatszustand. Dieser kann auch in Beleuchtungsanlagen verwendet werden. Die im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Vertrieb und z. B. Transport von Strom erforderlichen Anlagen erfordern Bau- und Reparaturwesen auch an Unterwasserlagerstätten, Installationsarbeiten, Förderung von Erdöl, Gas und/oder Wasser, wobei die Lagerstätten erfahrungsgemäß durchaus nahe zusammen liegen können. Auch die Verteilung, Durchleitung und Transport von Elektrizität, Energie, Gas, Heizwärme und/oder Wasser (aus Strom gewonnen und mittels strombetriebener Systeme wie Pumpwerken), Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas und/oder Wasser und Pipelinetransporte sind durch das Anmeldezeichen ebenso beschrieben wie die jeweils erforderlichen Anlagen zum Verteilen, Speichern und Überwachen von Strom. Nachdem der Transport mit elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen oder Eisenbahnen und die Veranstaltung von Reisen mit entsprechenden Fahrzeugen von Stadtwerken durchgeführt werden kann, ist auch hierfür das Zeichen nicht schutzfähig. Schließlich liegt die Erzeugung von Energie, Heizwärme aus Strom und Materialbearbeitung mit energetisch entsprechend angetriebenem Gerät als Service von Stadtwerken im Sinne eines engen beschreibenden Sachzusammenhangs ebenso nahe wie die Müllverbrennung zur Stromerzeugung.
Aus der Bezeichnung „Stadtwerke Strom Service“ ergibt sich insoweit kein unterscheidungskräftiger Hinweis auf die Anmelderin als Herkunftsbetrieb.
Schließlich besteht an dem angemeldeten Zeichen auch im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ein Freihaltebedürfnis, wie die Markenstelle zu Recht ausgeführt hat. Es sind nach dieser Vorschrift solche Zeichen dem Markenschutz nicht zugänglich, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen dienen können, da diese im Allgemeininteresse allen Unternehmen zur Verfügung belassen werden müssen (EUGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD). Gerade mit Blick auf den Umstand, dass das Anmeldezeichen ohne geografischen Herkunftshinweis versehen geschützt werden soll, ergibt sich, dass angesichts des auf Grund der Liberalisierung des Energiemarktes bestehenden Wettbewerbs durchaus denkbar ist, dass kommunale Wettbewerber, die auch Stadtwerke heißen, gegen die Anmelderin mit einem eigenen Stromservice bundesweit antreten wollen könnten.
Demgegenüber handelt es sich bei der Bezeichnung „Stadtwerke Strom Service“ nicht um eine Angabe, die objektiv zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Eigenschaften der aus dem Tenor ersichtlichen Waren oder Dienstleistungen dienen kann i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; ein Freihaltebedürfnis besteht insoweit nicht. Diesen Waren fehlen spezielle Erfordernisse oder besondere Eigenschaften, die sie in einem Zusammenhang mit den Versorgungsleistungen von Stadtwerken mit Schwerpunkt Strom erscheinen lassen. Zwar können diese Waren in irgendeinem entfernten Zusammenhang damit stehen. Es ist aber nicht ersichtlich, inwieweit „Stadtwerke Strom Service“ einen Hinweis auf konkrete Eigenschaften dieser Waren enthalten könnte. Der angesprochene durchschnittliche Verbraucher wird die insoweit i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterscheidungskräftige Anmeldemarke weder als Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe, noch als reine Sachangabe verstehen. Da auch andere Schutzhindernisse nicht ersichtlich sind, war der Beschwerde der Anmelderin insoweit teilweise stattzugeben.
Der teilweisen Zurückweisung der Beschwerde für die übrigen Waren und Dienstleistungen können Voreintragungen identischer oder vergleichbar gebildeter Marken nicht entgegengehalten werden. Denn diese führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG MarkenR 2007, 351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] - Bild.T-Online.de und ZVS).