Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.01.2012


BPatG 11.01.2012 - 26 W (pat) 532/11

Markenbeschwerdeverfahren – "motherbook" - Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
11.01.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 532/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 043 642.5

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 11. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juni 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 8. Juni 2011 hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung der Wortmarke 30 2010 043 642.5

2

motherbook,

3

die nach einer Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses in der Beschwerdeinstanz noch Schutz für die Dienstleistungen

4

„Klasse 38: Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Chatrooms (Bereitstellung von Internet); elektronische Anzeigenvermittlung; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals; Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Telekommunikation; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Vermietung von Zugriffszeit auf globale Computernetzwerke; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken;

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Klasse 41: Bereitstellen von Computer- und Online-Datenbanken im Bereich von Unterhaltung und Gemeinschaftsaktivitäten; Auskünfte über Freizeitaktivitäten; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; elektronischer Austausch von Fotos und Videos; online angebotene Spieldienstleistungen [von einem Computernetzwerk]; Unterhaltungsplanung;

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Klasse 42: Computer-Dienstleistungen, insbesondere das Erzeugen von virtuellen Gemeinschaften für registrierte Nutzer zur Organisation von Gruppen und Veranstaltungen, zur Diskussionsteilnahme und zur Teilnahme an sozialen, geschäftlichen und Gemeinschafts-Vernetzungsstrategien; Entwicklungs- und Recherchedienste bzgl. neuer Produkte für Dritte; technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software“ beansprucht, mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem freihaltebedürftigen Zeichen zugleich jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. „Motherbook“ sei aus den gebräuchlichen Begriffen der englischen Sprache „mother“ in der Bedeutung von „Mutter“ und „book“ mit dem Sinngehalt von „(elektronisches) Buch, selbständige (elektronische) Veröffentlichung/Publikation“ gebildet. Der Wortbestandteil „book“ habe sich in der Computerwelt bereits als sog. „E-Book“ bzw. analog der bekannten Internet-Plattform „Facebook“ als ein Gemeinschaftsportal zum Erstellen und Betreiben sozialer (Computer-)Netzwerke oder allgemein als Synonym von Internetplattformen etabliert. Hierbei habe der Begriff „book“ zwischenzeitlich eine Bedeutungserweiterung erfahren und werde im Internet, wie die Beispiele „Geldbook, Finanzbook, Schülerbook“ und „Friendsbook“ zeigten, häufig in Wortkombinationen als Hinweis auf soziale Netzwerke bzw. Internetplattformen verwendet. Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise würden die angemeldete Wortfolge deshalb nur als eng beschreibende Sachinformation hinsichtlich der Art und Bestimmung der angebotenen Dienstleistungen bzw. des schwerpunktmäßigen Themen-/Tätigkeitsgebiets der Anmelderin i. S. v. „elektronisches Buch, Internet-Plattform, soziale Computer-Netzwerke, selbständige elektronische Veröffentlichung(en), Publikation(en) für/über (werdende) Mütter oder von (künftigen) Müttern“ verstehen und dem angemeldeten Zeichen keine Unterscheidungskraft beimessen. Im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen stelle „motherbook“ schließlich auch eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, an der die Mitbewerber ein berechtigtes Freihaltebedürfnis im Allgemeininteresse hätten.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.

8

Sie beantragt,

9

den Beschluss hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juni 2011 aufzuheben.

II.

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Die zulässige Beschwerde erweist sich nach Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses als begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch das einer Produktmerkmalsbezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, sofern „motherbook“ zur Kennzeichnung der nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 verwendet wird.

11

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale von Dienstleistungen dienen können. Bei dieser Prüfung sind nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu beachten, sondern es ist auch die Möglichkeit zu erörtern, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen Marke vernünftigerweise in der Zukunfterwartetwerden kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rn. 243 zu § 8). Erforderlich ist insoweit eine realitätsbezogene Prognose, die auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegendezukünftige wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt, welche eine beschreibende Verwendung der betreffenden Angabevernünftigerweise erwarten lassen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726 (Nr 31, 37)  - Chiemsee; GRUR 2004, 674, 676 (Nr 56) - Postkantoor; BGH GRUR 2003, 882, 883 - Lichtenstein; GRUR 2008, 900, 902 (Nr 23) - SPA II; Hackbarth, MarkenR 1999, 329, 330 f.; Ströbele WRP 2000, 1028, 1031). Für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen ist das angemeldete Zeichen nach Maßgabe dieser Voraussetzungen jedoch weder aktuell noch zukünftig freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG:

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Wie die von der Markenstelle zur Akte gereichten Belege zeigen, stellt „motherbook“ bzw. „mother book“ keinen Begriff der englischen Sprache dar, der in Wörterbüchern verzeichnet mit einer bestimmten Bedeutung ins Deutsche zu übersetzen wäre. Insbesondere lässt sich keine Bedeutung von „motherbook“ i. S. v. „Hauptbuch, Buch für Buchhaltung“ nachweisen. Im Englischen trägt ein solches Buch vielmehr die Bezeichnung „general ledger“ (vgl. PONS Großwörterbuch Englisch, 1. Aufl. 2008, S. 408).

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Ungeachtet der Bekanntheit einer Website zum Betreiben sozialer Netzwerke namens „Facebook“ und der Existenz von Internetseiten mit der Bezeichnungen wie „Friendsbook, Schülerbook, geldbook, immobook24“ und „finanzbook“ werden weder „book“ noch „motherbook“ nach dem Ergebnis senatsinterner Recherchen objektiv als Sachbezeichnung für eine Datensammlung im Internet, ein Internetportals oder ein soziales Netzwerk verwendet. Für die Annahme, dass eine objektiv beschreibende Verwendung von „motherbook“ zur Bezeichnung von Kommunikationsplattformen oder virtueller Speicher im Internet vernünftigerweise in der Zukunfterwartetwerden könnte, fehlen ebenfalls zureichende Anhaltspunkte. Die Aufmachung der im Jahre 2004 von Mark Zuckerberg ursprünglich für Studierende der Harvard-Universität gegründeten Plattform „Facebook“ erinnert an ein Buch mit Gesichtern, weil sich ihre Benutzer auf Profilseiten mit Fotos und Videos präsentieren. Dies hat sie mit zu Semesterbeginn ua. online veröffentlichen Publikationen mit Daten und Bildern der Studierenden und Mitarbeiter einer amerikanischen Universität gemein. Allerdings lassen weder die konkrete Aufmachung von „Facebook“, noch die Bezeichnung von Homepages als „Internetseiten“ den Schluss zu, dass der Wortbestandteil „book“ für sich allein genommen oder nachgestellt in Verbindung mit „mother“ aktuell oder künftig geeignet wäre, über seine Bedeutung als Nomen i. S. v. „Buch, selbständige Veröffentlichung“ hinaus objektiv als Sachhinweis auf eine Datensammlung im Internet, ein Internetportal oder ein soziales Netzwerk zu dienen, sofern er zur Kennzeichnung der nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 verwendet wird. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Betreiber verschiedener, in den Gründen des angefochtenen Beschlusses genannter Internetseiten den Wortbestandteil „book“ möglicherweise nach dem Vorbild von „Facebook“ in ihre Domainnamen aufgenommen haben.

14

Bei den nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen handelt es sich schließlich weder um solche, die speziell für ein „Mutterbuch“ i. S. e. „Buches für Mütter“ bzw. eines „ursprünglichen Buches“ oder der „Ur-Form eines Buches“ geeignet und bestimmt sein könnten, noch um solche, die sich thematisch mit einem „Mutterbuch“ in diesem Sinne befassen könnten. Da dem „Begriff „motherbook“ somit für diese Dienstleistungen kein unmittelbar beschreibender Begriffsgehalt zukommt, steht seiner Eintragung das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen.

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Zugleich kann der angemeldeten Wortmarke das gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 nicht abgesprochen werden: Für diese Dienstleistungen stellt „motherbook“ keine Produktmerkmalsbezeichnung dar; auch ein enger sachlicher beschreibender Bezug zwischen ihnen und „motherbook“ fehlt. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der durch diese Dienstleistungen vorwiegend angesprochene Geschäftskunde sowie der interessierte durchschnittliche allgemeine Internet-Nutzer für die oben genannten Dienstleistungen „motherbook“ zumindest auch als Herkunftshinweis verstehen wird, sofern das angemeldete Markenwort zur ihrer Kennzeichnung verwendet wird.

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Aus diesen Gründen hat die Beschwerde nach Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg.