Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 02.10.2013


BPatG 02.10.2013 - 26 W (pat) 528/13

Markenbeschwerdeverfahren – "fahrCard" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
02.10.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 528/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 062 536.0

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 2. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 11. Juni 2013 hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes nach vorangegangener Beanstandung die Anmeldung der für die Waren

2

Klasse 9:

3

Visuell und/oder maschinenlesbare Datenträger, die zur Verbuchung von Bonus- und Prämiengeschäften geeignet sind und maschinenlesbare Identifikationsdaten und/oder Informationen enthalten, insbesondere Magnet- und Chipkarten als sogenannte Smart-Cards, sämtlich der genannten Datenträger bevorzugt mit integrierter Zahlungs- und/oder Telekommunikationsfunktion; Datenlesegeräte zum Lesen der genannten Datenträger; Computer-Software für Kundenbindungsprogramme (incentive programs), insbesondere für Bonus- und Prämienprogramme für Electronic-Commerce-Anwendungen, für Online-Werbung und Online-Absatzhandlungen, Werbeprogramme und Informationsprogramme; Datenbank- und Datenbankmanagement-Software, sämtliche vorgenannte Software auch für ein vorzugsweise globales Computer-Netzwerk, insbesondere das Internet

4

Klasse 16:

5

Drucksachen, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Veröffentlichungen (Schriften) aller Art, Pläne, Ansichtskarten, Fahrscheine, Eintrittskarten; Fahrscheinhefte; Fahrpläne, Werbeplakate

6

Klasse 35:

7

Marketing, Werbung, Merchandising (Verkaufsförderung), Vermietung von Werbeflächen und Verkaufsständen

8

Klasse 36:

9

Facility-Management, nämlich Immobilienverwaltung sowie Vermittlung, Vermietung von Geschäftsräumen in Verkehrsanlagen sowie auf öffentlichem Straßenland; Dienstleistungen im Bereich des Finanzwesens, nämlich Ausgabe von Kundenkarten im Scheckkartenformat mit Zahlungs- und Kreditkartenfunktion, Abwicklung der mittels Kundenkarten getätigten Zahlungen

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Klasse 39:

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Personenbeförderung mit Omnibussen, Straßenbahnen und Bussen besonderer Bauart sowie Fähren

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Klasse 42:

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Elektronische Datenspeicherung; elektronische Datensicherung; technische Planung von Kundenbindungssystemen, insbesondere von Bonus- und Prämien-Programmen; Verleih von Datenlesegeräte zum Lesen der genannten Datenträger

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angemeldeten Wortmarke 30 2011 062 536

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fahrCard

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teilweise zurückgewiesen, weil dem angemeldeten Wortzeichens als Marke in Bezug auf die angemeldeten Waren mit Ausnahme von

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Klasse 16:

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Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Ansichtskarten,

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Klasse 35:

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Vermietung von Werbeflächen und Verkaufsständen,

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Klasse 36:

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Facility-Management, nämlich Immobilienverwaltung sowie Vermittlung, Vermietung von Geschäftsräumen in Verkehrsanlagen sowie auf öffentlichem Straßenland,

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die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle.

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Nicht unterscheidungskräftig seien Bezeichnungen, denen für die im Einzelfall konkret beanspruchten Waren/Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werde, ferner gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden würden. Maßgebend sei allein, ob der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, auf dessen Verständnis es ankomme, in der angemeldeten Marke einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen würde.

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Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG würde die Bezeichnung „fahrCard“ für den zurückgewiesenen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht gerecht.

26

Die angemeldete Marke kombiniere ohne weiteres erkennbar die beiden Begriffe „fahr“ und „Card“. Die ursprünglich englische Bezeichnung „card“ für „Karte“ sei in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und werde insbesondere auch in Kombination mit einem deutschen Wort als Sachhinweis gebraucht für eine Karte u. a. im Sinne einer Daten- oder Chipkarte, die mehrere Funktionen oder Einsatzgebiete aufweisen könne. So erschließe sich die angemeldete Bezeichnung „fahrCard“ sofort, ohne weiteres Nachdenken und ohne dass es hierbei einer analysierenden oder zergliedernden Wortbetrachtung bedürfe als Synonym für den allgemein gebräuchlichen Begriff „Fahrkarte“ und zwar nicht nur im Sinne eines Fahrscheins aus Papier, sondern insbesondere auch im Sinne einer Datenkarte, welche vorrangig als Fahrausweis diene. Im Zusammenhang mit den zurückzuweisenden Waren und Dienstleistungen würde das angesprochene Publikum, welches aus den allgemeinen Verkehrskreisen sowie aus den Fachverkehrskreisen bestehe, der fraglichen Bezeichnung lediglich einen unmittelbaren Sachhinweis auf deren Art und Beschaffenheit, deren Bestimmung bzw. auch Sachgegenstand/Inhalt entnehmen, da der Begriff „fahrCard“ auf eine Karte aus Papier oder in Form eines Datenträgers hinweise, mittels derer Fahr- bzw. Transportleistungen in Anspruch genommen werden könnten und welche ggf. weitere Funktionen (Zahlungsfunktionen, Bonusprogramme u. ä.) enthalte. Der insoweit rein beschreibenden Angabe sei kein individualisierender Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen zu entnehmen.

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Die Binnengroßschreibung zwischen den zwei Wortbestandteilen der Bezeichnung ergebe aus Sicht des Verbrauchers keinen Unterschied, entspräche vielmehr vollkommen dem werbegraphischen Standard, der die im Vordergrund stehende Sachaussage nicht berühre.

28

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die das Zeichen nicht zuletzt wegen der Schreibweise für unterscheidungskräftig hält. Die Wortneuschöpfung sei lexikalisch nicht nachweisbar und als Gesamtzeichen nicht (stets) beschreibend. Auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 25. Juli 2013 wird ergänzend verwiesen. Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Juni 2013 im Umfang der Zurückweisung aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

31

Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht für die weiter beanspruchten Waren und Dienstleistungen, wie von der Markenstelle zutreffend ausgeführt, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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Ausgehend von der im angegriffenen Beschluss von der Markenstelle zutreffend dargestellten Definition der Unterscheidungskraft und der Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs durch den Europäischen Gerichtshof und den Bundesgerichtshof, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann, fehlt der angemeldeten Marke auch bei Einbeziehung des Vorbringens der Anmelderin in der Beschwerdebegründung die Eignung, die weiter beanspruchten Waren und Dienstleistungen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu kennzeichnen und von den Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden, weil es sich bei ihr um eine diese Waren und Dienstleistung beschreibende Angabe handelt.

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Die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen, für die die Anmelderin die Eintragung der Bezeichnung „fahrCard“ als Marke noch begehrt, richten sich sowohl an den Endverbraucher, der Nah- oder Fernverkehrsangebote in allen Facetten in Anspruch nehmen will, als auch den Fachverkehr, der entsprechende Möglichkeiten bereitstellen möchte. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob die angemeldete Marke Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist, ist deshalb einerseits das Verständnis des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (EuGH GRUR 2004, 943 SAT.2) und andererseits das Verständnis der mit den fraglichen Waren und Dienstleistungen befassten Fachkreise. Dabei darf die Verständnisfähigkeit des angesprochenen Publikums nicht zu gering veranschlagt werden und insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass das breite Publikum über keine Allgemeinbildung verfügt (EuG PAVIS PROMA, T 230/08 - WIENER WERKSTÄTTE). Andererseits ist zu beachten, dass für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke auch das Verständnis der am Dienstleistungsangebot oder Handel beteiligten Kreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, weil der EuGH die maßgeblichen Verkehrskreise als „den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ definiert (EuGH GRUR 2006, 411- Matratzen Concord/Hukla; Ströbele, MarkenR 2006, 433, 435).

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Die vorliegend angemeldete Marke vermag sowohl der inländische Fachverkehr als auch der inländische Endabnehmer der maßgeblichen Waren und Dienstleistungen ohne weiteres in ihrem Begriffsgehalt zu erfassen, weil sie aus im Inland geläufigen Wörtern gebildet ist. Die Marke lässt ohne gedankliche Analyse sofort erkennen, dass sie aus den Begriffen „fahr“ und „Card“ zusammengesetzt ist. Der normal informierte Verkehr kennt die Bedeutung dieser Begriffe und weiß auch, dass der Begriff „fahr“ nicht nur imperativ verwendet wird, sondern auch in Komposita wie Fahrkarte, Fahrplan, Fahrzeit usw. Des Weiteren ist dem normal informierten Verkehr fraglos bekannt, dass mit dem eingedeutschten Begriff „Card“ neben Kredit-, Kunden- oder Ausweiskarten auch Fahrscheine oder Eintrittskarten bezeichnet werden.

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Auf Grund dieser Vorkenntnisse wird der Durchschnittsverbraucher und erst recht der Fachverkehr die angemeldete Marke ohne Weiteres dahingehend verstehen, dass es sich bei den so bezeichneten Waren und Dienstleistungen um solche handelt, die im Zusammenhang mit dem Angebot von Beförderungsmöglichkeiten stehen. Dies ergibt sich zwanglos aus dem Bestandteil „fahr“ und der begrifflichen, sich aufdrängenden Nähe zu Fahrkarte. Der Bestandteil „Card“ wiederum erweitert begrifflich das Angebotsspektrum in den Bereich der Magnet- oder Chipkarten mit den hier geläufigen Funktionen wie Zahlungsfunktion, Kreditkarte, Zugangskarte, Mitgliedausweis usw.

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Damit weist das Zeichen aber entgegen der Ansicht der Anmelderin zu allen zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen einen engen beschreibenden Bezug auf, wie auch die Markenstelle zutreffend angenommen hat. Dies liegt für die in Klasse 9 zurückgewiesenen Produkte ebenso auf der Hand wie für diejenigen aus den Klassen 35, 36 und 42: Die fahrCard ermöglicht im Rahmen der Inanspruchnahme von Transport- und Beförderungsdienstleistungen u. a. deren (bargeldlose) Bezahlung, die Teilnahme an Kundenbindungsprogrammen und deren (hard- und softwaremäßige) Bereitstellung, die Nutzung der insoweit gewonnenen Daten zu Werbe- und Marketinghandlungen usw., wobei sich der entsprechende Sinngehalt entgegen der Auffassung der Anmelderin aus dem zusammengesetzten Wort selbst ergibt. Die in Klasse 16 begehrten Waren wie Fahrkarten und –pläne sind aber ebenfalls mit dem Zeichen beschrieben. Denn in fahrCard steckt begrifflich auch ein Fahrausweis aus Papier, der im Übrigen ebenso wie Fahrscheinhefte oder Fahrpläne etwa mittels einer Kunden(kredit)karte aus einem für diesen Einsatz einer fahrCard bereitgestellten Automaten gezogen werden könnte. Drucksachen können sich inhaltlich mit dem entsprechenden Angebot befassen.

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Über die bereits von der Markenstelle erwähnten Beispiele und Belege hinaus sei hingewiesen auf

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„Projekt f a h r c a r d, www.fahrcard.de/projekt.html: „Dieses Kapitel beschreibt im Projekt fahrcard Ansätze zur Entwicklung von Mobilitätskarten. Öffentlicher Personenverkehr in Deutschland…“

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Angesichts dieses erkennbar beschreibenden Begriffsgehalts ist nicht zu erwarten, dass der Verkehr der angemeldeten Marke einen Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen entnimmt; denn die angemeldete Marke ist sprachüblich gebildet und weist keine über den rein beschreibenden Begriffsgehalt hinausgehenden grammatikalischen oder sprachlichen Besonderheiten auf, die trotz ihres beschreibenden Inhalts ein Verständnis als betriebliches Herkunftskennzeichen nahelegen könnten.

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Allein die Tatsache, dass die angemeldete Marke theoretisch auch andere Bedeutungen aufweisen kann, ist nicht geeignet, deren Unterscheidungskraft zu begründen, denn einer Angabe fehlt bereits dann die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn sie in einer ihrer Bedeutungen für die beanspruchten Waren eine beschreibende Bedeutung hat, unabhängig davon, ob sie noch andere, auch nicht beschreibende Bedeutungen haben kann (BGH GRUR 2005, 257, 258 - Bürogebäude; GRUR 2009, 952 - Deutschland-Card).

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Die angemeldete Marke weist entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Ansicht auch keine Interpretationsbedürftigkeit auf. Ob eine schutzbegründende Bedeutungsvielfalt vorliegt, darf nicht abstrakt-lexikalisch beurteilt werden, sondern muss im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen gesehen werden (BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt). Hierbei kann sich waren- und branchenbedingt der Kreis lexikalisch möglicher Begriffsgehalte auf einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt reduzieren (BGH GRUR 2003, 882, 883 - Lichtenstein). Davon ist auch im Fall der angemeldeten Marke bei einer Benutzung im Zusammenhang mit dem Angebot von Transport- oder Verkehrsdienstleistungen aller Art wie oben beschrieben auszugehen.

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Auch die Schreibweise der angemeldeten Marke vermag deren Unterscheidungskraft nicht zu begründen. Zwar kann durch eine besondere (schrift-)bildliche, grafische und/oder farbige Ausgestaltung nicht unterscheidungskräftiger Wortbestandteile im Einzelfall ein eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis erreicht werden. Die Ausgestaltung muss jedoch hierzu eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen Markenteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung des Gesamteindrucks der Marke bewirken (BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK; GRUR 2009, 954 - Kinder III), weshalb sie charakteristische, über einfache und gebräuchliche Gestaltungen hinausgehende Merkmale aufweisen muss (BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; GRUR 2008, 710 - VISAGE). Unterschiedlich große oder farblich unterschiedlich gestaltete Einzelbuchstaben und Wörter stellen ebenso wie die vorliegende Binnengroßschreibung keine solchen charakteristischen Merkmale dar, weil sie werbeüblich sind und vom Verkehr deshalb nur dem Bemühen um eine ansprechende Gestaltung des Schriftbildes zugeschrieben, nicht aber als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden (BGH a. a. O. - antiKALK; vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, Kommentar zum Markengesetz, 10. Auflage, § 8 Rdn. 151 ff. m. w. N.).

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Angesichts des für den zurückgewiesenen Teil der Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsgehalts ist die angemeldete Bezeichnung „fahrCard“ insoweit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung als Marke ausgeschlossen.

44

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.