Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.04.2011


BPatG 28.04.2011 - 26 W (pat) 526/10

Markenbeschwerdeverfahren – "fly4young" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
28.04.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 526/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 056 615.1

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. April 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Januar 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

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Mit Beschluss vom 12. Januar 2010 hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung der Wortmarke 30 2009 056 615.1/39

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fly4young

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unter anderem für die Waren und Dienstleistungen

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„Klasse 9: digitale Thermometer, nicht für medizinische Zwecke; Barometer; Temperaturanzeiger; drahtlose Wetterstation im Wesentlichen bestehend aus einer Temperaturanzeige, einem Barometer, einem Hygrometer sowie einem Anzeigegerät für Datum und Uhrzeit; auswechselbare digitale Datenspeichermedien; auswechselbare elektronische Datenspeichermedien; USB-Sticks; Digitalkameras; Fotoapparate; Videokameras; Telefonapparate; insbesondere Mobiltelefone und Zubehör für die genannten Waren (soweit in Klasse 9 enthalten); Rechenmaschinen; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte  Apparate; Ferngläser; Lupen; Brillenetuis, Brillen, Brillengläser und Brillengestelle und Sonnenbrillen; Optikerwaren; Taucheranzüge und -masken; Atemgeräte zum Tauchen; dekorative Magnete; Bügeleisen, elektrisch; Tachometer; Mauspads (Mausmatten); Waagen; Reagenzgläser; Navigationsgeräte für Fahrzeuge (Bordcomputer);

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Klasse 16: Behälter für Papier- und Schreibwaren, Bierdeckel, Verpackungsbeutel aus Papier und Kunststoff, Papiertaschen, Papierblöcke, Briefpapier; Schreibgeräte, insbesondere Bleistifte, Kugelschreiber, Füllfederhalter, Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Büroartikel (ausgenommen Möbel), insbesondere Reißnägel (Heftzwecken), Stempel und Stempelkissen, Notizzettelhalter; Verpackungsmaterial aus Karton, Papier und Kunststoff (soweit in Klasse 16 enthalten); Drucklettern; Fahnen und Wimpel aus Papier; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren; Untersetzer aus Papier für Gläser, Becher, Tassen, Kaffee- und Teekannen.

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Klasse 39: Verpackung und Lagerung von Waren; Vermietung von Taucheranzügen (Skaphander, schwere Taucherausrüstung); Vermietung, Buchung und Vermittlung von Schiffen, insbesondere Ruder- und Motorbooten, Segelschiffen und Kanus; Vermietung, Buchung und Vermittlung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Pferden; Auslieferung von Paketen; Austragen,  Versenden und Ausliefern von Zeitungen und Zeitschriften; Standortermittlung von Personenfahrzeugen mittels Computer oder mittels eines globalen Positionsbestimmungssystems (GPS); Standortermittlung von Frachtfahrzeugen durch Computer oder mittels eines globalen Positionsbestimmungssystems (GPS); Verkehrsinformationsdienste;

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Klasse 41: Erziehungsberatung; Film- und Videoverleih, Künstlervermittlung; Künstlerdienste (Unterhaltung); Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung); Betrieb von Kinos, Diskotheken, Vermietung und Vermittlung von Sporttaucherausrüstungen; Reservierungsdienste (soweit in Klasse 41 enthalten) für sportliche, wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen; Vermietung von bespielten Datenträgern (Filme, Musik, Spiele), Projektionsapparaten und deren Zubehör (soweit in Klasse 41 enthalten); Vermietung von Zeitungen und Zeitschriften; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in Form von elektronischen Medien einschließlich CD-ROMs), ausgenommen für Werbezwecke, insbesondere von Büchern, Zeitschriften, Zeitungen; Publikation von Druckschriften in elektronischer Form ausgenommen für Werbezwecke, insbesondere von Zeitschriften und Büchern, auch im Internet; Herausgabe von Texten, ausgenommen von Werbetexten, insbesondere von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen, einschließlich in elektronischer Form auch im Internet; Dienstleistungen eines Dolmetschers und eines Übersetzers; Photographieren; Beratung mittels Hotline oder Callcenter auf dem Gebiet der Erziehung, der Aus- und Fortbildung und der Unterhaltung; Beratung mittels Hotline oder Callcenter auf dem Gebiet der Reservierungsdienste für sportliche, wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen; Auskünfte über Unterhaltung und Unterhaltungsveranstaltungen via Onlinenetzen und Internet;

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Klasse 43: Zimmervermittlung; Betrieb von Hotels und Motels; Catering; Dienstleistungen von Pensionen, Hotels und Motels; Vermietung von Versammlungsräumen; Betrieb einer Bar; Verpflegung von Gästen in Restaurants; Verpflegung von Gästen in Internetcafés; Beratung mittels Callcenter oder Hotline auf dem Gebiet der Zimmervermittlung“

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mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. „fly4young“ werde vom überwiegenden Teil der inländischen Verbraucher im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen mit „fliegen für junge Leute“ übersetzt und lediglich als beschreibender Sachhinweis wahrgenommen werden.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Im Beschwerdeverfahren hat sie das ursprüngliche Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf die oben genannten Waren und Dienstleistungen beschränkt. Sie ist der Ansicht, „fly4young“ enthalte für die beanstandeten Waren und Dienstleistungen keine im Vordergrund stehende Angabe oder unmittelbare Beschreibung; ein enger sachlicher beschreibender Bezug fehle. „Fliegen für junge Leute“ sei mit „fly for young people“ zu übersetzen. Die Interpretation der Markenstelle stelle insbesondere für die beanspruchten touristischen Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 43 eine von der Markenanmelderin nicht gewollte Beschränkung des angesprochenen Kundenkreises dar. Es sei möglich, das Markenwort als schlagwortartigen Hinweis auf einen bestimmten Warenhersteller und Dienstleistungserbringer aufzufassen. Ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht.

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Die Anmelderin beantragt,

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der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Januar 2010 aufzuheben.

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Ergänzend wird auf die Akte des Amtes Az. 30 2009 056 615.1 Bezug genommen.

II.

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Die gemäß § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde erweist sich nach Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses als begründet. Einer Eintragung der angemeldeten Wortmarke „fly4young“ für die oben genannten, nunmehr allein noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen steht weder das von der Markenstelle angenommene Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, noch besteht insoweit ein Freihaltebedürfnis, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2, EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel). Werden mehrere rein beschreibende Begriffe zu einem einzigen zusammengesetzt, so bleibt der Gesamtbegriff von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sich durch die Wortkombination kein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt (EuGH GRUR 2004, 680, 682, EG 43 – biomild). Da die Frage der Unterscheidungskraft stets konkret für die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen ist, vermag eine Marke für bestimmte Waren und Dienstleistungen unterscheidungskräftig zu sein, während ihr für andere die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 677, Rdn. 73 - 78 - Postkantoor; GRUR 2007, 425, 426, Rdn. 32 - MT&C/BMB). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006).

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Für die oben genannten, nunmehr allein noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann der hier zu beurteilenden Wortmarke „fly4young“ nach diesen Grundsätzen das zur Überwindung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Denn als werbeübliche Aufforderung zur Buchung von Flügen und Flugreiseleistungen für junge Leute beschreibt das Zeichen weder die Art, Bestimmung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale der genannten Waren und Dienstleistungen, noch weist es einen hinreichend engen, sachlich beschreibenden Bezug zu ihnen auf. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der angesprochene Fachverkehr für Flugreisedienstleistungen und die an einer Buchung derartiger Reisen interessierten Verbraucher „fly4young“ zumindest auch als Herkunftshinweis auffassen werden, wenn sie mit dem Zeichen gerade im Zusammenhang mit den nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen konfrontiert werden.

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Die oben genannten Waren der Klassen 9 und 16 weisen keinen oder keinen hinreichend engen Bezug zur Buchung von Flügen und Flugreiseleistungen für junge Leute auf. Sie sind auch nicht geeignet, sich mit dem Thema „Fliegen für junge Leute“ zu befassen und nach ihrem thematischen Inhalt benannt zu werden. Für Brillen, Sonnenbrillen und Optikerwaren, bei denen es sich um so genannte Pilotenbrillen handeln kann, ergibt sich zwar ein entfernter Bezug zum Fliegen. Unabhängig davon, ob Pilotenbrillen als Ausrüstungsgegenstand beim Fliegen eingesetzt oder als modisches Accessoire benutzt werden, beschreibt gerade „fly4young“ jedoch weder eine bestimmte Brillenform, noch die Bestimmung einer solchen Brille.

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Ein enger sachlicher beschreibender Bezug fehlt ebenfalls für die genannten Dienstleistungen der Klasse 39. Die Dienstleistung „Vermietung von Kraftfahrzeugen“ wird zwar häufig in Verbindung mit Flugreisedienstleistungen und vor Ort am Flughafen angeboten. Ohne weitere gedankliche Schritte lässt sich jedoch kein hinreichend enger Bezug herstellen (vgl. BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 153/05 - Easy Rückflug Check-in). Verkehrsinformationsdienste können zwar dem Flugverkehr dienen, weisen jedoch keinen engen Bezug speziell zu Flügen und Flugreiseleistungen für junge Leute auf.

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Die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 und 43 weisen keine typischen Charakteristika auf, die zur Begründung eines engen sachlichen beschreibenden Bezugs zur Buchung von Flügen und Flugreiseleistungen für junge Leute geeignet wären. Insbesondere „Film- und Videovorführungen“ werden Reisenden zwar auf Flügen angeboten. Seitdem zahlreiche, auch öffentliche Verkehrsmittel mit Bildschirmen ausgestattet sind, unterscheidet dieser Umstand jedoch weder Flüge im allgemeinen noch speziell für junge Leute konzipierte Flugreisen von einer Personenbeförderung mit anderen Verkehrsmitteln oder für ein anderes Publikum.

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In Bezug auf die oben bezeichneten Waren und Dienstleistungen ist die beanspruchte Wortfolge daher nichtssagend und in diesem - engen - Rahmen geeignet, vom Verkehr als betriebskennzeichnende Angabe angesehen zu werden. Die angemeldete Marke kann daher insoweit nicht mangels Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen werden.

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Ebenso wenig besteht insoweit ein Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Es sind nach dem oben Gesagten keine Umstände ersichtlich, derentwegen die Bezeichnung „fly4young“ als konkret beschreibende Angabe zugunsten der Mitbewerber der Anmelderin für diese Dienstleistungen freigehalten werden müsste.

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Da weitere Eintragungshindernisse nicht ersichtlich sind, war der Beschwerde der Anmelderin nach Beschränkung des Warenverzeichnisses aus diesen Gründen stattzugeben.