Entscheidungsdatum: 30.04.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 043 937.3
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. April 2013 aufgehoben.
I
Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Marke
die Waren der Klasse 32
„Bier, alkoholfreie Getränke“
zur Eintragung angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 23. April 2013 zurückgewiesen, weil die Marke gegen die guten Sitten verstoße (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG).
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Wort-/Bildmarke enthalte in augenfälliger Position die Angabe „agnus dei" (lat. = Lamm Gottes), bei der es sich um die christlich-religiöse Bezeichnung für Jesus Christus im Neuen Testament handele. Ungeachtet der Bildbestandteile der angemeldeten Marke sei zu erwarten, dass der Durchschnittsverbraucher der mit der Anmeldung beanspruchten Waren die Angabe „agnus dei" in weit überwiegendem Maße als Hinweis auf Jesus Christus bzw. den Sohn Gottes in der christlichen Religion verstehen werde. Die angemeldete Marke widerspreche damit den religiösen Wertvorstellungen wesentlicher Verkehrskreise und werde von diesen als religiös anstößig empfunden. Zwar sei es richtig, dass im Bereich von Bieren, die traditionell häufig von Klosterbrauereien hergestellt würden, religiös besetzte Zeichen und Gestaltungen oft anzutreffen seien. Jedoch könne die Verwendung von Heiligendarstellungen oder der Darstellung von kirchlichen Würdenträgern nicht mit der Verwendung eines Symboles gleichgesetzt werden, das auf Jesus Christus hinweise. Ausländischen Voreintragungen könne demgegenüber keine Indizwirkung zukommen, da die inländische Verkehrsauffassung sich von der Auffassung anderer Länder deutlich unterscheiden könne. Darüber hinaus dürfe auch die unterschiedliche Prüfungspraxis in den verschiedenen europäischen Ländern nicht unbeachtet bleiben, die sich im Ergebnis teilweise einer bloßen Registrierung annähere.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde Sie macht geltend, dass das Schutzhindernis der Sittenwidrigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG restriktiv auszulegen sei. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit könne nicht allein in dem Fakt der Kommerzialisierung eines christlichen Symboles als solchem gesehen werden. Die Kirche selbst nutze moderne Vermarktungsformen als Einnahmequelle und verhalte sich streckenweise in der Verwertung ihrer heiligen Symbole selbst wie ein Wirtschaftsunternehmen. Unter diesem Blickwinkel könne in der angemeldeten Marke keine religiös anstößige Aussage gesehen werden. Die Markengestaltung greife die historische Verbindung des Brauens zum christlichen Hochfest auf Ostern auf und setze sie in Kontext zur Historie des Templerordens. Das Bierbrauen habe seine historischen Wurzeln im Wirkungskreis der Kirche und die Geschäftsbetriebe der ältesten Brauereien in der Bundesrepublik Deutschland entsprängen ursprünglichen Klosteranlagen. Von vorne herein liege kein Ärgernis vor, wenn bei bestimmten Waren Bezüge zu Religiösem traditionell seien. Des Weiteren sei auch fraglich, ob die angesprochenen Verkehrskreise den religiösen Bedeutungsgehalt der Bezeichnung „agnus dei“ überhaupt erkennen würden. Ergänzend verweist die Anmelderin auf die voreingetragene identische Gemeinschaftsmarke sowie auf eine deutsche Marke, die den Begriff „AGNUS DEI“ enthält und u. a. ebenfalls für die Ware „Biere“ eingetragen worden ist.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II
Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 64 Abs. 6 i. V. m. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und auch begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die Waren der Klasse 32 „Bier, alkoholfreie Getränke“ steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG nicht entgegen. Die angemeldete Marke verstößt nicht gegen die guten Sitten.
Gegen die guten Sitten i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG verstoßen Marken, die geeignet sind, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu verletzen, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig oder herabwürdigend wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellen (BGH GRUR 1964, 136, 137 – Schweizer; BlPMZ 2013, 252, 253 – READY TO FUCK; BPatGE 46, 66, 68 f. Dalailama). Entscheidend ist insoweit die Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die mit der angemeldeten Marke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Zeichen im Alltag zufällig begegnen (BGH a. a. O. - READY TO FUCK; EuG GRUR Int. 2012, 247 – PAKI). Maßgeblich ist weder eine übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige und empfindsame, sondern eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise. Auch darf die Prüfung des Schutzversagungsgrundes nicht in einer Geschmackszensur bestehen (BGH a. a. O. – READY TO FUCK).
Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ist die angemeldete Marke nicht religiös anstößig und verstößt damit nicht gegen die guten Sitten. Zwar liegt bei Begriffen, die ausschließlich oder im Wesentlichen nur im religiösen Bereich verwendet werden und die dem Verkehr als religiöse Begriffe geläufig sind, grundsätzlich die Möglichkeit nahe, dass durch ihre kommerzielle Verwendung das religiöse Empfinden des angesprochenen Publikums verletzt wird (BPatGE 28, 41, 42 f. - CORAN; BPatG GRUR 1994, 377 - MESSIAS; PAVIS PROMA 28 W (pat) 66/06 - Budha; PAVIS PROMA 26 W (pat) 117/06 - Pontifex). Andererseits ist aber auch eine Tendenz zur Lockerung religiöser Bindungen unverkennbar (BPatG Mitt. 1988, 75 - ESPIRITO SANTO). Damit verbunden ist eine wachsende Unkenntnis in Fragen der Religion, die von vornherein der Erregung eines Ärgernisses entgegenstehen kann. Insoweit sind vor allem wertneutrale Benennungen von Heiligen jedenfalls dann unbedenklich, wenn der Verkehr in bestimmten Branchen an solche Angaben auch außerhalb des religiösen Bereichs als Markenbestandteile gewöhnt ist (vgl. BPatGE 15, 230, 234 ff. - MARIE CELESTE; BPatG a. a. O. - ESPIRITO SANTO; BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 86/87 - 12 Apostoli).
Im Fall der in der angemeldeten Marke enthaltenen lateinischen Bezeichnung „agnus dei“ ist zum einen bereits davon auszugehen, dass der durchschnittliche Angehörige der von Bieren und alkoholfreien Getränken angesprochenen Verkehrskreise, einschließlich der Teile des Publikums, die der Bezeichnung im Alltag zufällig begegnen, deren Bedeutung „Lamm Gottes“ in erheblichem Umfang nicht versteht bzw. nicht als die christlich-religiöse Bezeichnung für Jesus Christus, den Sohn Gottes, kennt oder erkennt. Aber auch Verbraucher, die den Wortbestandteil „agnus dei“ in der angemeldeten Marke im vorgenannten Sinne auffassen, werden – soweit sie eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise an den Tag legen – vor dem Hintergrund der langjährigen Verwendung einer Vielzahl von christlichen Bezeichnungen im Zusammenhang mit Bieren und alkoholfreien Getränken, auch durch Klöster und kircheneigene Betriebe selbst, an diesem Wortbestandteil der angemeldeten Marke keinen Anstoß nehmen, da es sich bei ihm im Zusammenhang mit den fraglichen Waren auch nicht um eine herabwürdigende, das religiöse Empfinden eines Christen erheblich verletzende Äußerung handelt. Daher ist der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben.