Entscheidungsdatum: 23.05.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 064 384
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Mai 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2014 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 053 384 für die Waren der
Klasse 32: Biere; Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, ausgenommen Energiedrinks und koffeinhaltigen Getränken und Mischungen mit ihnen;
Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), ausgenommen Energiedrinks und koffeinhaltigen Getränken und Mischungen mit ihnen.
zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Löschung der angegriffenen Marke 30 2010 064 384 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 053 384 anzuordnen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Wortmarke
Finca del Toro
ist am 4. November 2010 unter der Nummer 30 2010 064 384 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet und am 10. Februar 2011 eingetragen worden für Waren der
Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
Klasse 32: Biere; Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, ausgenommen Energiedrinks und koffeinhaltigen Getränken und Mischungen mit ihnen;
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), ausgenommen Energiedrinks und koffeinhaltigen Getränken und Mischungen mit ihnen.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 18. März 2011 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben
1. aus der Wortmarke
EL TORO
die am 5. September 1983 in das Register unter der Nummer 1 053 384 eingetragen worden ist für Waren der
Klasse 33: Sherry-Weine, Spirituosen und Liköre
2. und aus der Wortmarke
TOROS
die am 12. Januar 2004 in das Register unter der Nummer 303 42 440 für Waren der
Klasse 30: Teigwaren frisch und gefroren, Rohteig und vorgebackener Teig, Blätterteig, Apfelstrudelteig, Teigwarenblätter, Brot, feine Backwaren, Konditorwaren, Rollfladenbrot (Wrap, Tortilla, Dürüm, Lavas), Teigprodukte, nämlich Yufka in türkischen Teigblättern, Honig
eingetragen worden ist.
Mit Beschluss vom 19. Februar 2014 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA beide Widersprüche mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Widerspruchsmarke zu 1.) liege für die gegenseitigen Waren der Klasse 33 Identität vor, während zwischen den angegriffenen Waren der Klasse 32 und den Widerspruchsprodukten der Klasse 33 durchschnittliche bis entfernte Ähnlichkeit bestehe. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 1.) bewege sich im mittleren Bereich. Die jüngere Marke halte den erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke zu 1.) ein, da ihrem Bestandteil „Toro“ weder eine prägende Bedeutung noch eine selbständig kennzeichnende Stellung zukomme. Die Markenelemente „Finca“ und „Toro“ gehörten zum spanischen Grundwortschatz und seien daher weiten inländischen Verkehrskreisen bekannt. In der deutschen Übersetzung bedeuteten sie „Landgut, Bauernhof“ bzw. „Stier, Bulle“. Da die Buchstabenkombination „del“ als Verschmelzung der spanischen Präposition „de“ mit dem spanischen Artikel „el“ eine Genitivbildung anzeige, lasse sich die Gesamtmarke nicht nur als grammatikalische, sondern auch als begriffliche Einheit im Sinne von „Stierhof“ werten. Für das kaufende Publikum bestehe kein Anlass, diese Kennzeichnung unter willkürlicher Auflösung des gesamtsprachlichen und gesamtbegrifflichen Zusammenhangs auf den Bestandteil „Toro“ zu verkürzen. Die angegriffene Marke erhalte nur in der Kombination ihrer Elemente ihren besonderen Sinngehalt, der durch die bloße Verwendung des Bestandteils „Toro“ nicht zum Ausdruck gebracht werden könne, weil damit der Charakter der jüngeren Marke als Bezeichnung eines ganz bestimmten Landgutes verloren ginge und im Vordergrund allein der sachliche Hinweis auf den Stier stünde. Für eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen fehle es aufgrund der Gesamtbegrifflichkeit an einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Elements „Toro“.
Zwischen den Waren der Widerspruchsmarke zu 2.) und den Produkten der jüngeren Marke in derselben Klasse 30 bestehe teilweise Identität, teilweise hochgradige Ähnlichkeit. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 2.) sei ebenfalls durchschnittlich. Hinsichtlich der Markenähnlichkeit werde auf die Ausführungen zur Widerspruchsmarke zu 1.) verwiesen. Aufgrund des einheitlichen Gesamtbegriffs der angegriffenen Marke bestehe für den Verkehr keine Veranlassung, sich nur an dem Zeichenteil „Toro“ zu orientieren.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, hochgradige Ähnlichkeit bestehe auch zwischen den Waren der Widerspruchsmarke zu 1.) in Klasse 33 und den angegriffenen Produkten „alkoholfreie Getränke“ und „Bier“ in Klasse 32, weil sich diese gegenseitig ergänzten und als Mixgetränke genossen werden könnten. Die jüngere Marke erschöpfe sich in der Kombination einzelner Begriffe ohne eigenen Begriffsinhalt, wobei dem Bestandteil „Finca“ keine herkunftshinweisende Bedeutung zukomme. Das Wort werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres verstanden, da es im Zusammenhang mit Wein und Lebensmitteln allgemein üblich und ein rein beschreibender Hinweis auf deren spanische Herkunft sei. „Finca“ in Kombination mit „Wein“ ergebe bei Google ca. 686.000 Treffer, in Kombination mit „Bier“ 5.940.000 Treffer. Im Register des DPMA seien für die Klassen 30, 32 und/oder 33 238 Marken mit dem Bestandteil „Finca“ eingetragen. Die angegriffene Wortmarke könne in den unterschiedlichsten Schriftarten und -größen verwendet werden, so dass das Element „Toro“ auffälliger aufgemacht und die Aufmerksamkeit der Käufer hierauf gelenkt werden könne. Für den Zeichenvergleich komme es daher bei der jüngeren Marke auf den Bestandteil „Toro“ an. Dieser werde aus den beiden Widerspruchsmarken übernommen, die jeweils von dem Begriff „Toro“ geprägt seien, da zu diesem nur der spanische Artikel „EL“ bzw. ein „S“ für die Pluralform hinzutrete. Zudem sei die Widerspruchsführerin Inhaberin diverser Marken mit dem Bestandteil „EL TORO“, wie z. B. „RESERVA DEL TORO“ (306132567 und EM 004401022), die in ihrem Aufbau demjenigen der angegriffenen Marke entsprächen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 19. Februar 2014 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die angegriffene Marke wegen der Widersprüche aus den Marken 1 053 384 und 303 42 440 zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Amtsverfahren hat sie die Auffassung vertreten, die jüngere Marke unterscheide sich in schriftbildlicher wie klanglicher Hinsicht durch das zusätzliche Wort „Finca“ deutlich von den beiden Widerspruchsmarken. Die große Anzahl für Waren der Klasse 33 eingetragener Marken mit dem Bestandteil „Toro“ (Anlage zum Schriftsatz vom 3. April 2012, Bl. 47 VA) spreche dagegen, dass dieses Element allein der Widersprechenden zugerechnet werden könne.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. März 2016 sind die Verfahrensbeteiligten unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagenkonvolute 1 bis 7, Bl. 67 – 90 GA) auf die Rechtsauffassung des Senats hingewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke zu 1.) besteht für die im Tenor genannten Waren der Klassen 32 und 33 unmittelbare Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Im Übrigen hat die Markenstelle die Verwechslungsgefahr zu Recht verneint.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. - Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 19 – BioGourmet m. w. N.).
I. Widerspruch aus der Wortmarke 1 053 384 „EL TORO“ (Widerspruchs-marke zu 1.):
1. Ausgehend von der Registerlage werden die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teilweise identischer, teilweise durchschnittlich ähnlicher und teilweise unähnlicher Waren verwendet.
a) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH, GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 - ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 - ZOOM).
b) Die beiderseitigen Waren in Klasse 33 sind identisch. Denn die Widerspruchswaren „Sherry-Weine, Spirituosen und Liköre“ sind in den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), ausgenommen Energiedrinks und koffeinhaltigen Getränken und Mischungen mit ihnen“ enthalten.
c) Eine mittelgradige Ähnlichkeit besteht zwischen den angegriffenen Waren in Klasse 32 „Biere; Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, ausgenommen Energiedrinks und koffeinhaltigen Getränken und Mischungen mit ihnen“ und den für die Widerspruchsmarke geschützten alkoholischen Getränken in Klasse 33 „Sherry-Weine, Spirituosen und Liköre“. Denn auch Bier kann Alkohol enthalten. Zudem können die Vergleichswaren gemeinsame Produktions- und Vertriebsstätten haben und bei Fruchtgrundlage in der stofflichen Beschaffenheit übereinstimmen. Sie dienen dem gleichen Verwendungszweck, ergänzen sich durch Vermischung, werden gemeinsam konsumiert und sind in der Darreichungsform ähnlich (BGH GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN). Es gibt fertige Mischgetränke, z. B. in Form von sog. Alcopops, bei denen Fruchtsäfte oder Fruchtsaftgetränke mit in der Regel hochprozentigen alkoholischen Getränken gemischt werden (32 W (pat) 76/05 – LINIE VITAL/LINIE).
d) Eine Ähnlichkeit zwischen den Widerspruchswaren „Sherry-Weine, Spirituosen und Liköre“ und den von der jüngeren Marke beanspruchten Waren der Klasse 30 „Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis“ ist nicht erkennbar. Bei letzteren handelt es sich überwiegend um unvermischte Lebensmittel, die keinen Bezug zur Wein- oder Spirituosenherstellung aufweisen. Sie unterscheiden sich in der stofflichen Beschaffenheit, in den Produktions- und Vertriebsstätten sowie im Verwendungszweck. Bei „Kaffee“ handelt es sich um solchen in Form von Bohnen und Pulver, bei „Tee“ um solchen in Form von Blättern oder gemahlen, evtl. abgepackt in Teebeuteln, sowie um Kakaobohnen oder Kakaopulver, nicht jedoch – weil nicht als solche bezeichnet und beansprucht – um verzehrfertige Kaffee-, Tee- und Kakaogetränke oder -zubereitungen. Kaffee, Tee und Kakao als Ausgangsprodukte zur Zubereitung von Getränken sind nach überwiegender Meinung, der sich der Senat anschließt, Spirituosen oder anderen alkoholhaltigen Getränken unähnlich (26 W (pat) 255/02 m. w. N.; 28 W (pat) 7/03). Diese Unähnlichkeit gilt erst recht für alle anderen Grundprodukte außerhalb des Getränkebereichs.
2. Die sich gegenüberstehenden identischen und durchschnittlich ähnlichen Waren der Vergleichsmarken in den Klassen 32 und 33 richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den Durchschnittsverbraucher als auch an den Getränkefachhandel.
Auszugehen ist von dem angesprochenen inländischen Verkehr, der alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren und Dienste Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 65 - Henkel). Maßgeblich ist dabei nicht ein flüchtiger, sondern ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 RdNr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 - Chiemsee). Dabei kann der Aufmerksamkeitsgrad je nach Art der Waren und Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein.
Die Aufmerksamkeit des Publikums bei der Auswahl alkoholischer und alkoholfreier Getränke wird abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau entweder bei alltäglichen Massenartikeln gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein. Es kann daher insgesamt von keinem höheren als einem normalen Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen werden.
3. Der Widerspruchsmarke „EL TORO“ kommt eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft zu.
a) Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 - BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH a. a. O. Rdnr. 31 - BioGourmet). Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 - ISET/ISETsolar; BGH GRUR 2008, 905, 907 Rdnr. 16 - Pantohexal).
b) Die Widerspruchsmarke setzt sich aus dem spanischen Artikel „EL“ und dem spanischen Substantiv „TORO“ mit der Bedeutung „Stier, Bulle“ zusammen (Pons Großwörterbuch Spanisch, 2001, S. 821; Langenscheidt Handwörterbuch Spanisch, 2006, S. 686). Dieser vom lateinischen „taurus“ abstammende Begriff hat auch Aufnahme in den deutschen Duden gefunden (www.duden.de), so dass auch vor dem Hintergrund der Beliebtheit Spaniens als Urlaubsland bei den Deutschen davon ausgegangen werden kann, dass der Durchschnittsverbraucher diese Bedeutung kennt. Einen beschreibenden Zusammenhang zu den alkoholischen Widerspruchswaren stellt der Gesamtbegriff „Der Stier bzw. Bulle“ aber nicht her, so dass der Widerspruchsmarke ein normaler Schutzumfang zukommt.
c) Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
d) Auch eine Schwächung durch Drittzeichen, nämlich 33 Marken mit dem Bestandteil „Toro“ (Bl. 47 VA), kommt ohne konkreten Vortrag zur Benutzungslage nicht in Betracht.
4. Unter Berücksichtigung identischer und mittelgradig ähnlicher Waren der Klassen 32 und 33, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und eines normalen Aufmerksamkeitsgrades der angesprochenen Verkehrskreise hält die angegriffene Marke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand nicht mehr ein.
a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (BGH, GRUR 2013, 833, Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH, GRUR 2004, 428, Rdnr. 53 – Henkel; BGH, GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH, GRUR 2005, 1042, Rdnr. 28 f. - THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2012, 64, Rdnr. 14 - Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. EuGH, GRUR 2006, 413, Rdnr. 19 - ZIRH/SIR; BGH a. a. O. Rdnr. 37 - BioGourmet).
b) Die Vergleichsmarken sind in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht weit überdurchschnittlich ähnlich, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben ist.
aa) Die Wortelemente „del Toro“ nehmen einen die angegriffene Marke prägenden Charakter ein, weil der Wortbestandteil „Finca“ in den Hintergrund tritt.
Das spanische Nomen „Finca“ wird mit „Grundstück, Landgut, ländliches Anwesen, Bauernhof“ übersetzt (Pons Großwörterbuch Spanisch, 2001, S. 385; Langenscheidt Handwörterbuch Spanisch, 2006, S. 348). Dieses Wort hat sogar Eingang in den deutschen Duden gefunden mit der Bedeutung „spanisches Landhaus mit Garten; Landgut in Südamerika“ (www.duden.de). Nicht nur, dass der Durchschnittsverbraucher die Bezeichnung „Finca [del] + unterscheidender Zusatz“ kennt, weil eine Vielzahl spanischer Hotels und Ferienhäuser so benannt sind (vgl. Google-Ergebnisse als Anlagenkonvolut 5 zum gerichtlichen Hinweis), sondern die Kombination „Finca [del]“ findet gerade im Getränkebereich häufige Verwendung zur Bezeichnung spanischer Land- bzw. Weingüter und der dort hergestellten Weine, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben hat (Anlagenkonvolut 6 zum gerichtlichen Hinweis). Von diesen Land- bzw. Weingütern können aber auch noch andere Produkte angeboten werden, die als Folge des Weinanbaus anfallen, wie z. B. Traubensaft, Traubensirup sowie andere alkoholfreie Getränke, kohlensäurehaltige Wässer und Sirupe, denen Weintraubensaft, –extrakt oder –aroma zugesetzt werden kann. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auf Landgütern auch „Biere“ gebraut oder „Mineralwasser“ gewonnen werden kann, liegt es für den Verkehr nahe, auch bei diesen Getränken, den jeweiligen Namenszusatz neben „Finca“ für das unterscheidende und damit kennzeichnende Element zu halten und sich allein daran zu orientieren. Das bedeutet, dass die jüngere Marke durch „del Toro“ geprägt wird. Dabei ist „del“ der bestimmte Artikel Genitiv Singular mit der Bedeutung „des, der“ (www.leo.org), so dass „del Toro“ mit „des Stieres“ bzw. die angegriffene Marke mit „Landgut des Stieres“ zu übersetzen ist.
bb) Es stehen sich somit die Markenbestandteile „del Toro“ und „El Toro“ gegenüber. Es besteht jedenfalls kein Anlass, dass die beiden Artikel „del“ und „EL“ vernachlässigt werden (BGH BlPMZ 2005, 200, 201 – il Padrone/IL Portone). Die Vergleichszeichen unterscheiden sich schriftbildlich nur durch ein einziges Schriftzeichen, nämlich den zusätzlichen Buchstaben „d“ in der jüngeren Marke. Dieser Unterschied fällt visuell kaum auf.
cc) Auch klanglich ähneln sich die Vergleichszeichen hochgradig. Sie bestehen beide aus drei Silben, von denen die beiden Endsilben übereinstimmen. Die Vokalfolge, die Betonung und der Sprechrhythmus sind identisch. Die minimale klangliche Abweichung durch den klangschwachen Konsonanten „d“ am Anfang der angegriffenen Marke wird der Verkehr bereits bei einer nur leicht verschliffenen Aussprache nicht bemerken. Der klangliche Unterschied ist zu geringfügig, um ein Auseinanderhalten der beiden Vergleichszeichen zu gewährleisten.
II. Widerspruch aus der Wortmarke 303 42 440 „TOROS“ (Widerspruchsmarke zu 2.):
Die Warenähnlichkeit in Klasse 30 kann dahinstehen, weil selbst bei identischen Produkten trotz durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei eher geringem Aufmerksamkeitsgrad der breiten angesprochenen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr mangels Zeichenähnlichkeit zu verneinen ist.
Zum einen wird mangels entsprechender Kennzeichnungsgewohnheiten bei Teig- und Backwaren das Wortelement „Finca“ in der jüngeren Marke nicht zurücktreten, zum anderen unterscheiden sich die Wortelemente „del Toro“ und „TOROS“ schriftbildlich und klanglich ausreichend in der Silbenzahl, der Vokalfolge, der Betonung, im Sprechrhythmus und insbesondere in der Endsilbe, bei der ein lang ausgesprochener dunkler Vokal einem stimmlosen scharfen „S“ nach einem kurz ausgesprochenen Vokal gegenübersteht.