Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.05.2016


BPatG 18.05.2016 - 26 W (pat) 519/14

Markenbeschwerdeverfahren – "einfarbige Tube mit Verschlusskappe, die mittig auf dem Dach eines Kraftfahrzeugs mit dem Schraubverschluss in Fahrtrichtung angebracht ist und genau bestimmte Ausmaße hat (dreidimensionales Zeichen - Positionsmarke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
18.05.2016
Aktenzeichen:
26 W (pat) 519/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 042 758.8

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters kraft Auftrags Schödel und der Richterin Kriener

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

Abbildung

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2

ist am 3. August 2012 unter der Nummer 30 2012 042 758.8 als Positionsmarke (sonstige Markenform) zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der

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Klasse 35: Beschaffungsdienstleistungen für Dritte, insbesondere Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von sowie Erwerb von Arzneimitteln, Haushaltswaren und technischen Hilfsmitteln für Kranke und ältere Menschen; Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Verbraucherberatung], insbesondere unter der Verwendung einer Kommunikationsplattform für Ärzte, Apotheken, Pflegedienste, Pflegeheime, Patienten (insbesondere ältere Menschen) und sonstige Leistungserbringer des Gesundheitswesens; Information und Beratung für Verbraucher (insbesondere für ältere Menschen) in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Vermittlung von Personal, insbesondere für Pflege, Rehabilitation und Hauswirtschaft; Werbung, insbesondere für Dienstleistungen eines Apothekers; Beratung von Apotheken in Marketingfragen; Konzeption und Durchführung von Kundenmaßnahmen unter Werbe- und Marketingaspekten, Ausgabe von Kundenkarten ohne Zahlungs- und Rabattfunktion zur Durchführung von Kundenbindungsaktionen im Rahmen des Marketings; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentationszwecken; Großhandelsdienstleistungen, Einzelhandelsdienstleistungen und Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich pharmazeutische Erzeugnisse, veterinärmedizinische Erzeugnisse, Hygienepräparate für medizinische Zwecke, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost, Pflaster, Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Hygieneprodukte für den persönlichen Gebrauch, Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel, Nahrungsergänzungsmittel, orthopädische Bandagen, medizinische Tees, Getränke für medizinische Zwecke; Geschäftsführung, insbesondere einer Apotheke oder einer Kooperation von Apotheken; Rechnungsabwicklung von Verträgen mit Sozialversicherungen; Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung über Arzneimittel und apothekenübliche Ware; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Verkaufszwecken, nämlich pharmazeutische Erzeugnisse, veterinärmedizinische Erzeugnisse, Hygienepräparate für medizinische Zwecke, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost, Pflaster, Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Hygieneprodukte für den persönlichen Gebrauch, Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel, Nahrungsergänzungsmittel, orthopädische Bandagen, medizinische Tees, Getränke für medizinische Zwecke;

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Klasse 39: Transportwesen, insbesondere Botendienste und Transport von Arzneimitteln, Hygienepräparaten, diätetischen Erzeugnissen, Pflaster, Verbandmaterial, orthopädischen Artikeln, ärztlichen Instrumenten und Apparaten sowie Rehabilitationsmitteln; Verpackung und Lagerung von Waren, insbesondere von Arzneimitteln, Hygienepräparaten, diätetischen Erzeugnissen, Pflastern, Verbandmaterial, orthopädischen Artikeln, ärztlichen Instrumenten und Apparaten sowie Rehabilitationsmitteln; Personentransporte, insbesondere zu medizinischen oder Rehabilitationszwecken; Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten; Krankentransporte;

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Klasse 44: Medizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Apothekers; Beratung in der Pharmazie, nämlich durch einen Apotheker; Dienstleistungen eines Apothekers, nämlich Zubereitung von pharmazeutischen Zubereitungen sowie Arzneimittel für Dritte aufgrund von ärztlichen Rezepten; Gesund- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Gesundheitsberatung, Ernährungsberatung; pharmazeutische Beratung und Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Ermittlung des individuellen pharmazeutischen und kosmetischen Bedarfs, Hauttyp-Beratung, Still-Beratung, ambulante medizinische Fußpflege und ambulante Kosmetikdienstleistungen, Vermietung von Milchpumpen und anderen medizinischen Geräten.

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Die der Anmeldung beigefügte Beschreibung lautet wie folgt:

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„Die Marke ist eine Positionsmarke und besteht aus einer einfarbigen Tube, die auf dem Dach eines KFZ angeordnet ist. Die Anordnung auf dem Dach des KFZ erfolgt in Längsrichtung in der Mitte des Daches mit identischem Abstand der Tube zu den Dachrändern. Dabei ist die Tube so angebracht, dass der hintere Teil senkrecht nach oben zeigt. Die Länge der Tube ist 1380 mm, der Durchmesser 360 mm sowie die Höhe/Länge der abschließenden Kante 500 mm. Die Verschlusskappe hat eine Länge von 200 mm sowie einen Durchmesser von 200 mm.

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Die Abbildungen zeigen ein KFZ mit der Tube wie oben beschrieben versehen. Das KFZ dient lediglich der Erläuterung der Positionierung der Kapsel an dem KFZ und ist nicht Teil der Positionsmarke.“

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Mit Beschluss vom 27. Februar 2014 hat die Markenstelle für Klasse 39 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Schutz suchende Positionszeichen bestehe aus einer dreidimensionalen einfarbigen großen Tube, die an festgelegter Stelle mittig mit dem Verschluss nach vorn auf dem Dach eines Kfz angebracht sei. Es sei üblich, auf dem Dach eines Fahrzeugs Werbung in Form von Schrift- und/oder Bildtafeln oder dreidimensionalen Abbildungen wie Dosen, Flaschen, Pillen, Lebensmitteldarstellungen oder Ähnlichem anzubringen. Deshalb werde das angesprochene Publikum auch die auf einem Auto befestigte überdimensional große Tube lediglich als einen gut erkennbaren Dachwerbeträger wahrnehmen. Gestaltung und Platzierung dieser bloßen Autodach-Werbefigur seien nicht hinreichend eigenwillig und prägnant, um als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen. Als Grundform eines dreidimensionalen Autodach-Werbeträgers in Tubenform bestehe zudem ein Freihaltebedürfnis.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in der auf ihren Hilfsantrag anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 27. Februar 2014 aufzuheben.

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Sie ist der Ansicht, die Markenstelle habe ihre Ausführungen zur Geläufigkeit ähnlicher dreidimensionaler Gestaltungen auf Fahrzeugdächern nicht belegt, zu Unrecht die Maßstäbe für eine dreidimensionale Marke angelegt und sich nicht mit den konkret angemeldeten Dienstleistungen auseinandergesetzt. Die Form der Tube könne die beanspruchten Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreiben (vgl. BGH WRP 2005, 217 – Bürogebäude; BPatG 25 W (pat) 42/12 - Blatt mit abperlenden Wassertropfen). Der Verkehr könne daher erst nach mehreren Gedankenschritten eine Verbindung zwischen dem Positionszeichen und den Dienstleistungen herstellen. Sehe der Betrachter das Zeichen mehrfach, werde er sich an die beworbene Dienstleistung erinnern und es als Herkunftshinweis wahrnehmen. Denn in Deutschland würden bisher keine vergleichbaren Fahrzeugaufbauten verwendet. Soweit es in Deutschland Fahrzeuge mit einer zweifarbigen Pillenkapsel auf der Heckscheibe oder auf dem Dach eines Kfz gebe, seien diese beiden Gestaltungen durch zwei Unionspositionsmarken geschützt. Ein Dachaufbau auf einem Fahrzeug sei zudem ungewöhnlich, weil er unpraktisch sei. Denn es bestehe das Risiko, dass das Fahrzeug wegen des Dachaufbaus an Unterführungen hängen bleibe oder aufgrund der fehlenden Aerodynamik hohe Spritkosten verursache. Ferner bestehe kein Freihaltebedürfnis, weil es für die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht erforderlich sei, mit einem Kfz-Dachaufbau zu werben.

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Mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Januar 2016 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 3, Bl. 48 – 77 GA) auf die Rechtsauffassung des Senats hingewiesen worden. In die mündliche Verhandlung sind weitere Recherchebelege zu Kfz-Dachwerbeträgern eingeführt worden, die der Anmelderin als Anlage zum Protokoll übersandt worden sind.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

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Dem angemeldeten Positionszeichen Abbildung

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fehlt die notwendige Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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1. Das Positionszeichen gehört zu den sonstigen Aufmachungen im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG.

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a) Seinen Schutzgegenstand bildet ein Zeichen, das in stets gleichbleibender Position sowie in stets gleichbleibender Größen- und Abstandsrelation zum Positionsträger auf diesem angebracht ist (Bingener, MarkenR 2004, 377, 378; Fabian Klein, Schutzvoraussetzungen und Schutzumfang der Positionsmarke, 2012, S. 394).

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b) Dabei kommen als Positionsträger nicht nur Waren oder Warenteile, sondern auch Repräsentanten der Dienstleistung in Betracht, wie z. B. Werbemaßnahmen, Arbeitskleidung, Prospekte, Geschäftspapier und Rechnungen, so dass Positionszeichen auch für Dienstleistungen angemeldet werden können (Bingener, a. a. O., 381 ff.; Fabian Klein, a. a. O., S. 179, 395 f.).

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2. Das Anmeldezeichen ist auch hinreichend grafisch dargestellt im Sinne von § 8 Abs. 1 MarkenG.

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a) Nach herrschender Meinung muss der Anmeldung eines Positionszeichens eine nach § 12 Abs. 3 MarkenV für sonstige Marken eigentlich nur fakultativ vorgesehene Beschreibung beigefügt werden, in der die genaue Position, Form und Größe des Zeichens festgelegt sind, wenn nur durch sie die erforderliche wesensmäßige Beschränkung auf die Position des Zeichens vorgenommen werden kann (BPatG MarkenR 2009, 569 – Schultütenspitze; Bingener, a. a. O., 379 f.; Ingerl/Rohnke, 3. Aufl., § 3 MarkenG Rdnr. 34; Ströbele/Hacker/Kirschneck, 11. Aufl., § 3 MarkenG Rdnr. 82; a. A. Fabian Klein, a. a. O., S. 246; differenzierend: BPatG 29 W (pat) 564/12 - Roter Halbrahmen; Fezer, 4. Aufl., § 32 MarkenG Rdnr. 55; HK-MarkenR/Kramer, 3. Aufl., § 32 Rdnr. 34). Die mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen wiedergegebene Darstellung muss daher klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein (EuGH GRUR 2003, 604 Rdnr. 28 f. – Libertel).

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b) Diese Voraussetzungen werden durch die vier unterschiedlichen Ansichten und die beigefügte Beschreibung, die die Größenverhältnisse und die Positionierung präzise erläutern, erfüllt. Das Fehlen einer skizzenhaften (gestrichelten) Darstellung des Positionsträgers wird durch die Beschreibung kompensiert, weil ihr Absatz 2 klarstellt, dass das Kfz nicht Teil der Positionsmarke ist.

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3. Das beanspruchte Positionszeichen Abbildung

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weist jedoch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf.

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a) Auch bei einem Positionszeichen, das aus einer bestimmten Art und Weise der Anbringung eines Zeichens auf einem Positionsträger besteht, ist grundsätzlich zu prüfen, ob es als von Haus aus geeignet angesehen werden kann, die mit ihm gekennzeichneten Waren und/oder Dienstleistungen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden, wobei die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Positionszeichens denselben Beurteilungskriterien unterliegt wie andere Markenformen.

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b) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 16 – for you).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).

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Die Unterscheidungskraft eines Positionszeichens ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung seiner beiden Komponenten, nämlich des (positionierten) Zeichens und seiner Position, unter Berücksichtigung der bestehenden Kennzeichnungsgewohnheiten zu ermitteln. Unterscheidungskraft eines Positionszeichens liegt vor, wenn entweder das positionierte Zeichen, dessen Positionierung oder die Kombination auf einen bestimmten Anbieter hinweisen, und sich nicht in einer beschreibenden oder dekorativen Funktion erschöpfen (vgl. BPatG 27 W (pat) 511/14 – Winkelförmiges Motiv auf Schuhen; 29 W (pat) 567/12 – Roter Halbrahmen; 29 W (pat) 19/08 = MarkenR 2009, 569 – Schultütenspitze).

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c) Diesen Anforderungen wird das angemeldete Positionszeichen nicht gerecht. Weder das positionierte dreidimensionale Zeichen oder dessen Positionierung noch die Kombination werden von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst.

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d) Das um Schutz nachsuchende Positionszeichen besteht aus einem dreidimensionalen Zeichen in Form einer einfarbigen, 1,38 m langen Tube, die einen Durchmesser von 36 cm sowie eine abschließende Kante mit einer Höhe bzw. Länge von 50 cm hat, mit einer 20 cm langen Verschlusskappe versehen ist, deren Durchmesser 20 cm beträgt, mittig auf dem Dach eines Kraftfahrzeuges in Längsrichtung mit identischem Abstand zu den Dachrändern angebracht ist und deren hinterer Teil senkrecht nach oben zeigt.

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aa) Das dreidimensionale Zeichen in Form der einfarbigen Tube in den oben genannten Ausmaßen kann für sich genommen nicht als unterscheidungskräftig angesehen werden.

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aaa) Dreidimensionalen Zeichen fehlt die Unterscheidungskraft, wenn es sich nur um die Verkörperung eines im Vordergrund stehenden Begriffsinhalts oder einfache, der Ästhetik dienende Gestaltungsmerkmale handelt (EuGH GRUR 2003, 604 Rdnr. 65 – Libertel; GRUR 2004, 858 Rdnr. 39 – Heidelberger Bauchemie; BGH GRUR 2016, 197 Rdnr. 27 – Bounty). Unterscheidungskraft können dreidimensionale Zeichen daher nur erlangen, wenn sie charakteristische Merkmale aufweisen, die erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweichen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 49 - Henkel; GRUR Int. 2004, 631 Rdnr. 39 - Dreidimensionale Tablettenform I; BGH GRUR 2004, 329, 330 - Käse in Blütenform; GRUR 2004, 507, 509 - Transformatorengehäuse). Solche Abweichungen müssen für den Verkehr auch ohne eingehende, d. h. ohne analysierende und vergleichende Betrachtung oder nähere Prüfung eindeutig erkennbar sein (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 49 - Henkel; MarkenR 2004, 461 Rdnr. 31 - Maglite).

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bbb) Nach diesen Maßstäben wird der Verkehr allein in dem positionierten dreidimensionalen Zeichen in Form der oben beschriebenen Tube keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen.

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(1) Die von den beanspruchten Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise sind sowohl medizinische und pharmazeutische Fachkreise, insbesondere Ärzte und Apotheker, als auch der Endverbraucher.

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(2) Bei der dreidimensionalen einfarbigen Tube in dem Anmeldezeichen handelt es sich um die vergrößerte Wiedergabe eines Alltagsgegenstands, der von den allgemein gebräuchlichen Formen nicht abweicht und daher selbst nicht schutzfähig ist. Die positionierte Tube weist die übliche Form von Behältnissen zum Aufbewahren von Pasten, Salben, Cremes, etc. auf, so dass der Verkehr diese gewöhnliche Tubenform nicht als Herkunftshinweis identifizieren wird. Gerade im Bereich der Pharmazie, der Medizin sowie der Körper- und Schönheitspflege finden solche Tuben nach der Recherche des Senats vielfältige Verwendung (Anlagenkonvolut 1.1 zum gerichtlichen Hinweis, Bl. 48 – 53 GA). Die Abbildung einer vergleichbaren Standardtube hat sogar Eingang in den Duden gefunden (Anlage 1.2 zum gerichtlichen Hinweis, Bl. 54 f. GA). Von der Form her weist das (positionierte) Zeichen daher nur die Merkmale einer gewöhnlichen Tube mit Verschlusskappe für die Aufbewahrung medizinischer, pharmazeutischer oder kosmetischer Pasten, Salben, Cremes, etc. auf. Diese Form fällt in keiner Weise aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt der am Markt angebotenen und eingesetzten Tuben. Das (positionierte) Zeichen besitzt somit keine charakteristischen Merkmale, die es bei der gegebenen Vielfalt als etwas Individuelles herausheben und kennzeichnen könnten, es ist damit nur als eine weitere Variante im vorhandenen Formenschatz anzusehen. Der Verkehr wird in der Form einer typischen Salben- oder Cremetube daher lediglich einen Hinweis auf die damit in engem beschreibenden Bezug stehenden beanspruchten Beschaffungs-, Beratungs-, Verkaufs-, Werbe-, Transport- sowie medizinischen, pharmazeutischen und kosmetischen Dienstleistungen sehen, da solche Tuben Gegenstand dieser Dienstleistungen sein können. Die Form der Tube an sich verfügt daher nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft.

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(3) Daran ändert auch die ungewöhnliche Größe der Tube nichts, da diese Überdimensionierung nur dazu dient, das der Werbung dienende Objekt auf dem Kfz-Dach deutlich wahrnehmbar zu gestalten. Sie fällt damit nicht aus dem verkehrsüblichen Rahmen der Gestaltungsvielfalt solcher Werbeträger, bei denen die angesprochenen Verkehrskreise den betrieblichen Herkunftshinweis erst aufgrund einer Beschriftung mit oder ohne Bildelementen erwarten.

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bb) Das an sich schutzunfähige, dreidimensionale Zeichen erlangt aber auch nicht durch die Art der Positionierung die erforderliche Unterscheidungskraft.

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aaa) Denn diese fehlt, wenn die spezifische Positionierung der typische oder funktional begründete Ort der Anbringung des Zeichens ist oder nur wenige Platzierungsalternativen bestehen (Bingener, a. a. O., 381). Für die Unterscheidungskraft spricht dagegen, wenn es sich um eine ungewöhnliche Positionierung handelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an die Positionierung umso größere Anforderungen zu stellen sind, je kennzeichnungsschwächer das (positionierte) Zeichen ist. Erforderlich ist somit eine den schutzunfähigen Charakter der dreidimensionalen Form aufhebende und damit kennzeichnungskräftige Positionierung. Daran fehlt es hier.

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bbb) Die Recherche des Senats hat ergeben, dass neben den üblichen Schrift- und/oder Bildtafeln am Heck oder auf dem Dach von Fahrzeugen

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https://shop.werbescheibe.de/images/landing_page/pizzaservice_auto_pin.png

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Abbildung Abbildung.

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auch die Anbringung von Behältnissen oder anderen dreidimensionalen Gegenständen an diesen Stellen zu Werbezwecken üblich geworden ist, um Waren, aber auch Dienstleistungen anzupreisen (vgl. auch Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis, Bl. 56 – 75 GA):

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www.werbecar.de

Abbildung Abbildung Abbildung

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www.americanwarehouse.de

Abbildung

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http://www.fahrzeugbilder.de/bilder/vw-t5-als-werbefahrzeug-t-mobile-14195.jpg

Abbildung

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http://www.peki.com/

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Es gibt eine Vielzahl weiterer Unternehmen, die verschiedenartigste Kfz-Dachwerbeträger, auch solche mit dreidimensionalen Gegenständen, anbieten, wie eine weitere Recherche des Senats ergeben hat (vgl. Anlage zum Protokoll vom 18. Mai 2016, Bl. 90 – 102 GA). Die Anmelderin hat zudem selbst vorgetragen, dass in Deutschland Fahrzeuge mit einer zweifarbigen Pillenkapsel auf der Heckscheibe oder auf dem Dach eines Kfz herumfahren.

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ccc) Die Anbringung am Heck oder auf dem Dach entspricht auch den einzigen straßenverkehrsrechtlich zulässigen und praktikablen Möglichkeiten, ein dreidimensionales Zeichen an einem Auto anzubringen. Ragen Gegenstände in einem bestimmten Maß über die Fahrzeugabmessungen hinaus, sind sie mit Warntafeln oder zusätzlichen Lichtern kenntlich zu machen (vgl. § 22 StVO).

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ddd) Folglich entspricht die Positionierung der Tube den gesetzlichen Vorgaben und ist somit typisch und funktional begründet. Zudem ist das Publikum an derartige an der Heckscheibe oder auf dem Dach eines Kraftfahrzeuges positionierte Werbeträger hinreichend gewöhnt. Die Positionierung ist somit nicht ungewöhnlich. Hinzu kommt, dass die Befestigung auf einem Kraftfahrzeugdach auch sachlich auf die beanspruchten Transportdienstleistungen der Klasse 39 hinweist.

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cc) Auch die konkrete Kombination des dreidimensionalen Zeichens in Form einer einfarbigen, überdimensionalen Tube mit dessen mittiger Positionierung auf dem Dach eines Kraftfahrzeuges ist nicht geeignet, dem Positionszeichen in seiner Gesamtheit Schutzfähigkeit zu verleihen.

51

In sämtlichen recherchierten Fällen diente nicht schon die Anbringung von Gegenständen am Heck oder auf dem Dach eines Fahrzeugs dem betrieblichen Herkunftshinweis, sondern die Kennzeichnung erfolgte stets ausschließlich durch zusätzliche schriftliche und/oder graphische Elemente. Die angesprochenen Verkehrskreise werden das Positionszeichen daher nicht als Herkunftszeichen, sondern allenfalls als (leeren) Werbeträger wahrnehmen, auf den noch keine Aufschrift und damit noch kein individualisierender Unternehmenshinweis angebracht worden ist.

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4. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die beanspruchten Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.

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5. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der beiden eingetragenen Unionspositionsmarken 011673332 und 011673316, bei denen die Anbringung zweifarbiger Kapseln auf der Heckscheibe oder auf dem Dach eines Kraftfahrzeuges geschützt wird.

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Die im Ausland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom Harmonisierungsamt aufgrund der Gemeinschaftsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse sind zudem für nachfolgende Verfahren in anderen Mitgliedstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428, 432, Rdnr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. - Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2014, 569, 572 Rdnr. 30 - HOT; GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 18 – Willkommen im Leben).

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6. Alle ähnlichen deutschen Markenanmeldungen wurden bisher stets zurückgenommen. Dabei handelt es sich um die beiden mit den Unionsmarken identischen Positionszeichen 30 2012 033 474.1 und 30 2012 033 473.3 sowie um zwei weitere Positionszeichen mit den Registernummern 30 2012 038 990.2 und 30 2012 038 991.0, bei denen die Anbringung einfarbiger Kapseln auf der Heckscheibe oder auf dem Dach eines Kraftfahrzeuges geschützt werden sollte.