Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.08.2013


BPatG 07.08.2013 - 26 W (pat) 519/13

Markenbeschwerdeverfahren – "gibo-bag" – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
07.08.2013
Aktenzeichen:
26 W (pat) 519/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 050 393.4

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. August 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 20. März 2013 hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes nach vorangegangener Beanstandung die Anmeldung der für die Waren

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Klasse 20:

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Vorrichtung aus Kunststoff zur Aufnahme von Unterlagen, speziell Transporttasche aus Kunststoff zur Aufnahme von Transportunterlagen, Sicherheitsdatenblättern, Barcode-Kennungen und Handbüchern, zur Befestigung an Gitterboxen, Transportboxen und Containern

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angemeldeten Wortmarke 30 2012 050 393

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gibo-bag

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zurückgewiesen, weil der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens als Marke in Bezug auf die angemeldeten Waren ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als absolutes Schutzhindernis entgegenstehe. Danach seien Marken nicht schutzfähig, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

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Das angemeldete Zeichen bestehe aus der Abkürzung „gibo“ (= Gitterbox), an die sich nach einem Bindestrich das englische Wort „bag“ (= Tasche, Beutel, Sack) anschließe, wie mit den Belegen zur Beanstandung untermauert werde. In der Gesamtheit habe das Zeichen „gibo-bag“ daher die Bedeutung „Gitterboxtasche“ oder „Tasche, Beutel oder Sack für Gitterboxen“, wie ebenfalls belegt sei. Der angesprochene Verkehr werde die Wortmarke für die von der Anmeldung erfassten angebotenen Waren daher lediglich als sachbezogenen Hinweis dahingehend auffassen, dass (Transport-)Taschen, Beutel, Säcke oder ähnliche Aufnahmevorrichtungen aus Kunststoff angeboten werden, die zur Befestigung an Gitterboxen oder ähnlichen Behältern, wie z. B. Transportboxen oder Containern, bestimmt oder geeignet sind, oder dass Gitterboxtaschen angeboten werden. Soweit die Anmelderin die Verständlichkeit des englischsprachigen Begriffes „bag“ im Inland bezweifele, könne dem nicht gefolgt werden, da das Wort zum englischen Grundwortschatz gehöre. Ein Freihaltebedürfnis bestehe für beschreibende Angaben, die aus Ausdrücken einer Welthandelssprache oder der einschlägigen Fachsprache gebildet seien.

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Entgegen der Ansicht des Anmelders bestehe der beteiligte inländische Verkehr auch aus Fachkreisen insbesondere aus den Bereichen Lager, Logistik, Fördertechnik und Transport. Es sei brancheneinschlägig, die Abkürzung „gibo“ für Gitterboxen zu verwenden, wie sich ebenfalls den der Beanstandung beigefügten Belegen entnehmen lasse.

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Die Wortkombination sei den Verkehrskreisen aus diesen Gründen unmittelbar ohne analysierende oder interpretierende Betrachtungsweise verständlich. Die angemeldete Wortmarke „gibo-bag“ beschreibe sowohl die Beschaffenheit (Taschen) als auch den Bestimmungszweck (für Gitterboxen) der angemeldeten Waren und bezeichne somit mehrere Merkmale der beanspruchten Waren, weshalb die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 MarkenG zurückzuweisen sei.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der meint, der Verkehr würde „gibo“ nicht als Hinweis auf Gitterboxen und das englische Wort „bag“ (für Tasche) nicht (ohne weiteres) verstehen. Der Anmelder,

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der hilfsweise als eingeschränktes Warenverzeichnis

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Vorrichtung aus Kunststoff zur Aufnahme von Unterlagen, speziell Transporttasche aus Kunststoff zur Aufnahme von Transportunterlagen, Sicherheitsdatenblättern, Barcode-Kennungen und Handbüchern

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zugrunde legen möchte, beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. März 2013 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich der Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht auch für die hilfsweise eingeschränkt beanspruchten Waren, wie von der Markenstelle zutreffend ausgeführt, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die angemeldete Marke besteht ausschließlich aus einer Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Bestimmung, eines Merkmals der beanspruchten Waren dienen kann (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

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Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind unter anderem solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für die sie eingetragen werden sollen. Diese auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. C MarkenRL beruhende Vorschrift verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen oder Angaben im Sinne der Bestimmung von jedermann frei verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 54 - Postkantoor; BGHZ 167, 278 Rn. 35 - FUSSBALL WM 2006). Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterliegen nicht nur im Verkehr übliche Fachbegriffe oder glatt beschreibende Gattungsbezeichnungen einem Eintragungsverbot, sondern alle Zeichen und Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu bezeichnen (EuGH GRUR 2010, 534, Rn. 56 - PRANAHAUS; GRUR Int. 2011, 400, Rn. 40 - Zahl 1000). Dabei sind nicht nur die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG explizit beispielhaft aufgezählten Merkmale der Art, Beschaffenheit, Bestimmung etc., sondern auch alle sonstigen Merkmale zu berücksichtigen (EuGH a. a. O., Rn. 49 f. - Zahl 1000). Sonstige Merkmale der Waren und Dienstleistungen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind alle solchen, die für den Waren- und Dienstleistungsverkehr irgendwie bedeutsame, nicht völlig nebensächliche Umstände mit Bezug auf die Ware oder Dienstleistung beschreiben (EuGH a. a. O. Rn. 28 - PRANAHAUS; BGH GRUR 2002, 809, 811 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I).

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Die Marke besteht aus der Abfolge der Wörter „gibo“ und „bag“, deren mögliche Bedeutungen „Gitterbox“ und „Tasche“ die Markenstelle im angegriffenen Beschluss zutreffend dargelegt hat, was auch der Anmelder nicht in Abrede stellt.

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Zwar kann aus dem beschreibenden Charakter von einzelnen Markenbestandteilen nicht ohne weiteres auch für die mehrteilige Kombinationsmarke ein Schutzhindernis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hergeleitet werden. Andererseits geht der beschreibende Charakter mehrerer Wörter durch deren Zusammenfügung aber auch nicht ohne weiteres verloren. Vielmehr bleibt im Allgemeinen die bloße Verbindung von beschreibenden Bestandteilen selbst beschreibend, sofern kein merklicher Unterschied zwischen der Kombination in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe der Bestandteile besteht. Der durch die Verbindung bewirkte Gesamteindruck muss also über die Zusammenfügung beschreibender Elemente hinausgehen und darf sich nicht in deren bloßer Summenwirkung beschränken (EuGH a. a. O. Rn. 98-100 - Postkantoor; GRUR 2008, 608 Rn. 45 und 69 - EUROHYPO). Eine diese Summenwirkung übersteigende und damit schutzbegründende Wirkung kann vor allem durch eine besondere grafische Ausgestaltung oder durch die Ungewöhnlichkeit der Kombination erzielt werden. Selbst eine über die bloße Summe der Einzelbestandteile hinausgehende Kombination bleibt aber schutzunfähig, wenn sie in ihrer Gesamtheit zur Beschreibung der Waren und Dienstleistungen geeignet ist (EuGH GRUR-RR 2008, 47 Rn. 31-34 - MAP & GUIDE; BGH GRUR 1998, 394, 396 - Active Line).

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Hiervon ausgehend stellt die angemeldete Marke eine die Waren der Anmeldung beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, da die Kombination der beiden für diese Waren beschreibenden Wörter weder sprachlich noch sonst ungewöhnlich ist und auch in ihrer Gesamtheit zur Beschreibung der Bestimmung der Waren geeignet ist. Die Gesamtbezeichnung „gibo-bag“ stellt eine Bestimmungsangabe dar, wie sich letztlich im (auch eingeschränkten) Warenverzeichnis lesen lässt: Es handelt sich um Vorrichtungen, die (Transport-)Papiere aufnehmen und an Gitterboxen oder anderen Transportbehältern verwendet werden sollen und können.

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Dabei überzeugt die Ansicht des Anmelders, „gibo“ werde nicht per sé als Gitterbox verstanden, aus den von der Markenstelle bereits zutreffend angestellten Erwägungen nicht. Denn der interessierte Verkehr ist mit Transport und Logistik befasst, sei es als Anbieter wie Spediteure oder als Nachfrager in z. B. Lagern, und verwendet und versteht „gibo“ als Abkürzung für Gitterbox, was branchenüblich ist, wie die Markenstelle zutreffend betont. Dass „bag“ das Wort aus dem englischen Grundwortschatz für „Tasche“ ist, ergibt sich ebenfalls aus den überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss.

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Darauf, ob die angemeldete Marke zuvor bereits im Verkehr zur Beschreibung benutzt worden ist, kommt es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht an. Vielmehr reicht es aus, wenn sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (EuGH MarkenR 2008, 160, Rn. 35 - HAIRTRANSFER).

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Die Eignung zur beschreibenden Sachangabe setzt auch nicht voraus, dass die Angabe bereits feste begriffliche Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung des Verkehrs zu ihrem Sinngehalt herausgebildet hat (BGH GRUR 2008, 900 - SPA II). Bei Oberbegriffen oder Sammelbezeichnungen ist eine gewisse Allgemeinheit und Unschärfe sogar unvermeidbar, um den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können (BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; a. a. O., BGH GRUR 2009, 952 - DeutschlandCard). So liegt der Fall auch bei der angemeldeten Marke, die dem Verkehr in bewusst schlagwortartiger, allgemeiner Weise den Sachhinweis übermittelt, dass die so bezeichneten Waren für das sichere Anbringen von Transportdokumenten an Gitterboxen oder anderen Behältern bestimmt ist.

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Angesichts dieses für die Waren beschreibenden Begriffsgehalts ist die angemeldete Bezeichnung „gibo-bag“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung als Marke ausgeschlossen.

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Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.