Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.11.2011


BPatG 09.11.2011 - 26 W (pat) 510/11

Markenbeschwerdeverfahren – "SOLIST" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
09.11.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 510/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 029 455.8

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung der Wortmarke 30 2010 029 455.8

2

SOLIST

3

beansprucht u. a. Schutz für die Dienstleistungen

4

„Klasse 35:

5

Aktualisierung und Pflege, Systematisierung sowie Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken (mit Ausnahme von Daten einzeldarbietender Musiker); Dateienverwaltung mittels Computer (alle vorgenannten Dienstleistungen nicht auf Singles und Solisten zugeschnitten)

6

Klasse 38 (Leitklasse):

7

Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellung von Portalen und anderen Plattformen im Internet (mit Ausnahme von Portalen und anderen Plattformen über einzeldarbietende Musiker), insbesondere von Job-, Freizeit- und Wohnraumbörsen; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging); Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken (alle vorgenannten Dienstleistungen nicht auf Singles und Solisten zugeschnitten)

8

Klasse 39:

9

Veranstaltung von Reisen und Outdoor-Aktivitäten; Vermittlung von Reisen und Outdoor-Aktivitäten (alle vorgenannten Dienstleistungen nicht auf Singles und Solisten zugeschnitten)

10

Klasse 41:

11

Ausbildung (ausgenommen musikalische Ausbildung); Erwachsenenbildung; Veranstaltung und Vermittlung von Seminaren im Bereich Persönlichkeitsbildung und Gesundheitsförderung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten (mit Ausnahme der Einzeldarbietung von Musik); Planung, Veranstaltung und Vermittlung von Sport- und Freizeitaktivitäten; Online-Publikation von Reise- und Lifestyle-Themen (alle vorgenannten Dienstleistungen nicht auf Singles und Solisten zugeschnitten)“,

12

wobei der Markenanmelder das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis in der Beschwerdeinstanz in den Klassen 35, 38, 39 und 41 jeweils mit dem Zusatz „(alle vorgenannten Dienstleistungen nicht auf Singles und Solisten zugeschnitten)“ versehen hat. Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 11. Januar 2011 die Anmeldung zuvor für die genannten Dienstleistungen dieser Klassen mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem insoweit freihaltebedürftigen Zeichen zugleich jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Unter Vorlage von Belegen hat sie ausgeführt, das angemeldete Markenwort habe seine Wurzeln in der lateinischen Sprache (vgl. lat. "solus = allein, alleinstehend, einzig, einsam") und bezeichne u. a. einen Musiker, der bei seiner Darbietung als Einzelperson hervortrete. Im Wege der Übertragung habe dieser Begriff zudem eine Bedeutungserweiterung für Menschen erfahren, die in sportlicher, gesellschaftlicher, politischer oder berufsbezogener Hinsicht als Einzelgänger oder Einzelaktivisten aufträten. „Solist“ werde in beiden Bedeutungen in der medialen Berichterstattung häufig verwendet. Bei den von der Zurückweisung umfassten informationsbezogenen Dienstleistungen sei es üblich, schlagwortartig auf den Inhalt der Informationen hinzuweisen. Im Zusammenhang mit diesen werde der Verkehr das Anmeldezeichen daher nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.

13

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Er führt aus, das Wort „SOLIST“ stehe für „S-pirit O-f L-ife I-n S-pecial T-eam“.

14

Der Anmelder beantragt,

15

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2011 aufzuheben.

16

Ergänzend wird auf die Akte des Deutschen Patent- und Markenamts Az. 30 2010 029 455.8 Bezug genommen.

II.

17

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde erweist sich nach Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses als begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch das einer Produktmerkmalsbezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, sofern „SOLIST“ zur Kennzeichnung der nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 39 und 41 verwendet wird.

18

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006 m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen mit seiner Eintragung in das Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2006, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel). Da die Frage der Unterscheidungskraft stets konkret für die jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist, vermag eine Marke für bestimmte Waren und Dienstleistungen unterscheidungskräftig zu sein, während ihr für andere die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 677, Rdn. 73 bis 78 - Postkantoor; GRUR 2007, 425, 426, Rdn. 32 - MT&C/BMW). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006). Für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 39 und 41kann der angemeldeten Wortmarke das hiernach erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

19

Zur Bedeutung des Wortes „SOLIST“ i. S. e. einen Solo-Musikers sowie eines Menschen, der in sportlicher, gesellschaftlicher, politischer oder berufsbezogener Hinsicht als Einzelgänger oder Einzelaktivist auftritt, hat bereits die Markenstelle umfangreiche Nachweise zur Akte gereicht, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Nach der Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses beansprucht der Anmelder in den Klassen 35, 38, 39 und 41allerdings lediglich noch Schutz für Dienstleistungen, die nicht auf Singles und Solisten zugeschnitten sind. Für diese Dienstleistungen stellt „SOLIST“ keinen Sachhinweis auf deren Thema bzw. Inhalt oder die durch sie angesprochene Zielgruppe dar; auch ein enger sachlicher beschreibender Bezug des angemeldeten Markenwortes zu ihnen fehlt. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der angesprochene durchschnittliche allgemeine Interessent für die oben genannten Dienstleistungen „SOLIST“ als Herkunftshinweis verstehen wird, wenn das angemeldete Markenwort zur ihrer Kennzeichnung verwendet wird.

20

Für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen ist das angemeldete Zeichen in Ermangelung eines unmittelbar beschreibenden Begriffsgehalts schließlich auch nicht freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

21

Aus diesen Gründen hat die Beschwerde nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg.