Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.11.2011


BPatG 09.11.2011 - 26 W (pat) 51/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Biogas30 (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
09.11.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 51/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 031 446.2

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 die Anmeldung der für die Waren und Dienstleistungen

2

„Klasse 4: Regenerative Brennstoffe;

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Klasse 35: betriebswirtschaftliche Beratung hinsichtlich der Lieferung von Strom, Heizwärme und Gas; Vermittlung von Verträgen über die Versorgung von Verbrauchern hinsichtlich der Lieferung von Strom, Heizwärme, Gas und Wasser; betriebswirtschaftliche Beratung in allen Versorgungsfragen sowie bei Energieverbrauchsgeräten, Energieverteilungseinrichtungen, Messgeräten und der Nutzung des Netzes, Verbraucherberatung hinsichtlich der Lieferung von Strom, Heizwärme und Gas; Durchführung von Marktanalysen;

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Klasse 36: Finanzwesen; Finanzierung von Anlagen der elektrischen und thermischen Energieerzeugung für Dritte unter Nutzung von Strom oder anderen regenerativen Energien;

5

Klasse 39: Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich die Verteilung bzw. der Transport von elektrischer Energie und Heizwärme;

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Klasse 42: technische Beratung in Bezug auf sämtliche Fragen der Netznutzung; technische Prüfungen zur Überwachung von Anlagen der elektrischen und thermischen Energieerzeugung sowie der Versorgungsanlagen für Dritte unter Nutzung von Strom oder anderen regenerativen Energien; technische Beratung in Bezug auf sämtliche Fragen der Energieverteilung, in allen Versorgungsfragen sowie bei Energieverbrauchsgeräten, Energieverteilungseinrichtungen und Messgeräten“

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in schwarz-weiß beanspruchten Wort-/Bildmarke 30 2009 031 446

Abbildung

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mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Zeichen für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Mit dem Begriff „Biogas“ werde ein Gas bezeichnet, das bei der Zersetzung von Naturstoffen entstehe und als alternative Energiequelle zu dienen vermöge. In Verbindung mit der hochgestellten Ziffer „30“ könne, wie die Markenstelle unter Vorlage von Belegen ausgeführt hat, „Biogas“ einen Gastarif mit prozentualem Biogasanteil in Höhe von 30 Prozent bezeichnen und mit dieser Bedeutung sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf dem Energiesektor nach Inhalt und Gegenstand beschreiben.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Ansicht nach werde der Verkehr die hochgestellt angefügte Zahl „30“ als Fußnote oder Potenz ansehen. Die Materie sei dem angesprochenen Verbraucher insgesamt fremd, weil die Biogaserzeugung in Deutschland erst seit wenigen Jahren etabliert sei. Da für die Anmelderin bereits die Marken „Biogas10“ und „Biogas20“ eingetragen seinen, werde der Verkehr „Biogas30“ ebenfalls als Hinweis auf die Anmelderin als Inhaberin einer Zeichenserie sehen. Ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht.

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Die Anmelderin beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Januar 2011 und 4. Juli 2011 aufzuheben.

II.

12

Die gemäß § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle dargelegt, weshalb dem Anmeldezeichen das für eine Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehlt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist für eine Eintragung des Zeichens „Biogas30“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein Raum.

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Die angemeldete Wortmarke besteht aus dem Begriff „Biogas“ und der unmittelbar angefügten, hochgestellten Ziffer „30“. „Biogas“ bezeichnet ein Gas, das bei der Zersetzung von Naturstoffen entsteht und als alternative Energiequelle dienen kann (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auf. 2007). In Verbindung mit der hoch- und nachgestellten Ziffer „30“ eignet sich „Biogas“ zur Beschreibung eines Gasgemisches mit einem prozentualen Biogasanteil von 30 vom Hundert und des zum Bezug dieses Gasgemisches erforderlichen Gastarifs. Diese Feststellung hat bereits die Markenstelle durch die von ihr zur Akte gereichten Nachweise belegt. Aus ihnen ergibt sich, dass Bezeichnungen, die aus dem Wortbestandteil „Biogas“ und einer nach- und ggff. hochgestellten Ziffer bestehen, in der Energieversorgungsbranche in Informationen zur Gas- und Stromversorgung, die an die an hier angesprochenen interessierten allgemeinen Endkunden von Energieversorgern gerichtet sind, von unterschiedlichen Anbietern als Sachangaben für Gasgemische mit Biogasanteil und hierauf bezogene Tarife verwendet werden. Für eine Schutzversagung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es bereits aus, dass ein Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 (Rdn. 21) - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 (Rdn. 32) - Doublemint, MarkenR 2004, 99, 109 (Rdn. 97) - Postkantoor; MarkenR 2004, 111, 115 (Rdn. 38) - Biomild).

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Einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller wird der angesprochene Verkehr „Biogas30““ nicht entnehmen, sofern das Zeichen zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verwendet wird: Mit den genannten Bedeutungen vermag „Biogas30“ einen der in Klasse 4 angemeldeten Brennstoffe zu beschreiben und als Bestimmungsangabe für die in den Klassen 35 und 42 beanspruchten Beratungs-, Prüfungs- und Analysedienstleistungen zu dienen. Zu der in Klasse 39 beanspruchten „Verteilung bzw. Transport von elektrischer Energie und Heizwärme“ besteht ein enger sachlicher beschreibender Bezug, weil Biogas in das Erdgasnetz eingespeist oder im Wege direkter Befeuerung zur Erzeugung von Heizwärme sowie in Blockheizkraftwerken zur Erzeugung von Strom verwendet werden kann.Die Dienstleistung der Klasse 36 „Finanzierung von Anlagen der elektrischen und thermischen Energieerzeugung für Dritte unter Nutzung von Strom oder anderen regenerativen Energien“, die unter den ebenfalls in dieser Klasse beanspruchten Oberbegriff „Finanzwesen“ fällt, ist bereits mit einem spezifischen Bezug zu Anlagen angemeldet worden, in denen Biogas hergestellt werden kann. Einen engen sachlichen beschreibenden Bezug des Anmeldezeichens zu ihnen begründet die am Markt zu beobachtende fortscheitende Diversifizierung von Finanzdienstleistern, unter denen sich einzelne gerade auf die Finanzierung von Biogasanlagen spezialisiert haben. Werden die in Klasse 36 beanspruchten Finanzdienstleistungen mit „Biogas30“ bezeichnet, wird der angesprochene interessierte Geschäftskunde der Energieversorgerbranche hierin lediglich einen Hinweis auf die Finanzierung von Anlagen zur Herstellung des bezeichneten Gasgemisches, jedoch, wie bei den übrigen von der Anmeldung umfassten Waren und Dienstleistungen, keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen.

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Ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme, ist „Biogas30“ für die genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35 und 42, für die das Zeichen eine Produktmerkmalsbezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellen kann, auch unter Berücksichtigung seiner konkreten Ausgestaltung mit hochgestellter Ziffer zugleich im Interesse von Wettbewerbern der Anmelderin freihaltebedürftig.

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Aus der Schutzgewährung für andere Marken wie „Biogas10“ (Reg.-Nr. 30 2008 043 660) und „Biogas20“ (Reg.-Nr. 30 2008 043 66) vermag die Anmelderin schließlich keinen Anspruch auf Eintragung des Anmeldezeichens ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG MarkenR 2007, 351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 – Volksflat; EuGH GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] - Bild.T-Online.de und ZVS; BGH GRUR 2011, 230 – 232 - SUPERgirl).

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Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.