Entscheidungsdatum: 01.10.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 018 544
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 1. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Richters Reker als Vorsitzenden sowie der Richterin Eder und des Richters Dr. Himmelmann
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2013 aufgehoben. Der Widerspruch aus der Wortmarke 30 2009 070 165 wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die Eintragung der für die Waren
Klasse 29: Marmeladen, Konfitüren
Klasse 32: Fruchtsäfte
Klasse 33: alkoholische Getränke
eingetragenen Wortmarke 30 2011 018 544
müncheberger forschergeist
ist aus der für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
Klasse 40: Dienstleistungen eines Destillateurs
eingetragenen Wortmarke 30 2009 070 165
Forschergeist
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch einen Beamten des gehobenen Dienstes mit Beschluss vom 28. Oktober 2013 die angegriffene Marke gelöscht, weil zwischen beiden Marken Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zur Begründung hat die Markenstelle erklärt, nach der Registerlage, von der auszugehen sei, bestehe zwischen den von der angegriffenen Marke geschützten Waren der Klassen 32 „Fruchtsäfte“, 33 „alkoholische Getränke“ und den gleichlautenden Waren der Widerspruchsmarke Identität. Ein „ungezwungener mittlerer Ähnlichkeitsbereich“ ergebe sich bei einem Vergleich der Waren der jüngeren Marke „Marmeladen, Konfitüren“ (Klasse 29) mit den Waren „Sirupe für die Zubereitung von Getränken“ der älteren Marke. Aufgrund dieser Ähnlichkeitslage könne auf die Beurteilung weiterer Ähnlichkeiten zwischen den für die ältere Marke geschützten „Dienstleistungen eines Destillateurs“ und den Waren der angegriffenen Marke verzichtet werden. Der Widerspruchsmarke komme ein durchschnittlicher Schutzumfang zu. Grundsätzlich sei bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen. In einem ersten Prüfungsschritt stünden sich daher hier die Zeichen „Müncheberger Forschergeist“ und „Forschergeist“ gegenüber. Eine Gefahr von deren Verwechslung könne durch den in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Wortbegriff „Müncheberger“ ausgeschlossen werden. Mehrteilige Marken, bei denen der für eine Verwechslung in Frage kommende Bestandteil in dem Gesamtzeichen eine die Marke als Ganzes prägende Stellung einnehme und somit als markenmäßiger Schwerpunkt des Gesamtzeichens gesehen werde, seien allerdings von der vergleichenden Prüfung einer Marke in ihrer Gesamtheit ausgenommen. In einem weiteren Prüfungsschritt sei deshalb darauf abzustellen, ob ein Bestandteil geeignet sei, den Gesamteindruck der Marken zu prägen. Die angegriffene Marke bestehe aus den Worten „Müncheberger“ und „Forschergeist“. „Müncheberger“ sei eine gängige Adjektivierung des Namens der amtsfreien Stadt Müncheberg im deutschen Bundesland Brandenburg und für die beanspruchten Waren eine mögliche geographische Herkunftsangabe, weshalb dem Wortbestandteil „Müncheberger“ in der angegriffenen Marke nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft zukomme. Das Wort „Forschergeist“ sei zwar aus den Substantiven „Forscher“ und „geist“ gebildet, wobei der Begriff „Geist“ in Alleinstellung für „Spirituosen“ einen beschreibenden Aussagegehalt aufweise. In ihrer Gesamtheit stelle die Wortverbindung „Forschergeist“ aber als Einwortbegriff eine unzertrennliche Einheit dar, der als „Wortneuschöpfung“ der zusätzliche Sinngehalt „der Geist i. S. v. die (geniale) geistige Eigenschaft eines Forschers“ zukommen könne. Die angegriffene Marke werde deshalb durch den Bestandteil „Forschergeist“ geprägt. Verbraucher würden dem Bestandteil „Forschergeist“ besondere Beachtung schenken und darin den markenmäßigen Schwerpunkt der Gesamtmarke sehen. Wegen der insoweit bestehenden Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen sei die angegriffene Marke zu löschen.
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie hat vorgetragen, der Abstand der beiden Marken sei ausreichend, um eine Verwechslung im geschäftlichen Verkehr auszuschließen. Die angegriffene Marke unterscheide sich von der Widerspruchsmarke durch den zusätzlichen Bestandteil „müncheberger“, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr auf Grund klanglicher, bildlicher oder begrifflicher Ähnlichkeit ausscheide. Die sich gegenüberstehenden Marken dürften nicht in einer zergliedernden Weise betrachtet werden. Vielmehr komme es auf den Gesamteindruck der betroffenen Marken an. Dieser unterscheide sich im vorliegenden Fall ausreichend, um selbst für identische Waren die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Insbesondere werde die jüngere Marke nicht durch den Bestandteil „forschergeist“ geprägt. Um die Prägung einer mehrgliedrigen Marke durch einen ihrer Bestandteile annehmen zu können, müssten die übrigen Bestanteile soweit in den Hintergrund treten, dass sie vom angesprochenen Verkehr bei der Wahrnehmung der Marke vernachlässigt würden. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Auch wenn man den Begriff „müncheberger“ als Adjektiv zu Müncheberg verstehen könne, besage das weder, dass der angesprochene Verkehr darin eine reine Ortsangabe sehe, noch, dass der Begriff für den Gesamteindruck der Marke zu vernachlässigen sei. Zunächst scheine fraglich, ob der angesprochene Verkehr „müncheberger“ überhaupt als Ortsangabe begreife. Anders als nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG komme es nicht auf ein Freihaltebedürfnis an. Entscheidend sei vielmehr, ob der angesprochene Verkehr den Bestandteil als unbedeutenden Hinweis auffasse und ihn deshalb im Gesamteindruck der Marke vernachlässige. Dies würde voraussetzen, dass dem angesprochenen Verkehr die Ortschaft Müncheberg geläufig sei, was in Anbetracht ihrer geringen Einwohnerzahl von nur ca. 6700 und ihrer fehlenden allgemeinen überregionalen Bedeutung zweifelhaft sei. Es sei daher viel eher davon auszugehen, dass der Begriff „müncheberger“ als Phantasiebezeichnung wahrgenommen werde. Der Begriff „müncheberger“ stehe dem Bestandteil „forschergeist“ gleichwertig gegenüber, so dass eine Prägung ausscheide. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der angesprochene Verkehr in „müncheberger“ eine Ortsangabe erkenne, sei das allein nicht ausreichend, um den Bestandteil im Gesamteindruck der Marke zu vernachlässigen. Denn es sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass selbst beschreibende Bestandteile, insbesondere geographische Bezeichnungen, den Gesamteindruck einer Marke mitbestimmen würden. Gerade eine Ortsbezeichnung sei geeignet eine bestimmte Herkunftsvorstellung zu erzielen und damit die Marke von anderen abzusetzen. Mache sich der Verbraucher konkrete Vorstellungen auf Grund einer ihm bekannten Ortsangabe, werde er die Marke weniger leicht mit anderen verwechseln. Dies gelte insbesondere dann, wenn er sich auf seine Erinnerung verlassen müsse, weil er sich besser an Dinge erinnere, zu denen er einen unmittelbaren Bezug herstellen könne. Zudem sei es unüblich, aus werbetaktischen Gründen auf Müncheberg hinzuweisen. Für den Verbraucher bestehe deshalb keine Veranlassung, sich in erster Linie an den übrigen Bestandteilen der Bezeichnung zu orientieren. Vorliegend trage die Ortsangabe vielmehr zur besonderen Identifizierung und Einprägsamkeit der Gesamtmarke bei. Die beiden Bestandteile der angegriffenen Marke würden zudem durch die Adjektivierung von „müncheberger“ zu einem einheitlichen Begriff verbunden, was der Vernachlässigung eines Bestandteils weiter entgegenstehe. Sofern ein Verbraucher den Ort Müncheberg tatsächlich kenne, sei ihm auch das dort ansässige Forschungszentrum bekannt. In diesem Fall erschließe sich die Zweideutigkeit der Marke „müncheberger forschergeist“ im Hinblick auf die dortige Forschungstätigkeit und auf die alkoholischen Waren („Geist“). Eine Vernachlässigung des Bestandteils „müncheberger“ komme auch in diesem Fall nicht in Betracht. Unabhängig davon, welche genaue Vorstellung der angesprochene Verkehr mit dem Bestandteil „müncheberger“ verbinde, vernachlässige er ihn bei der Wahrnehmung der Marke nicht vollständig. Damit sei eine Prägung der Marke durch den Bestandteil „forschergeist“ und eine darauf basierende Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Eine Verwechslungsgefahr aufgrund einer selbständig kennzeichnenden Stellung der Widerspruchsmarke in der jüngeren Marke scheide ebenfalls aus. Dem Bestandteil „forschergeist“ sei weder ein Unternehmenskennzeichen noch ein bekannter Stammbestandteil zur Seite gestellt. Die Beifügung sonstiger Bestandteile begründe keine selbständig kennzeichnende Stellung. Auch eine Verwechslung im weiteren Sinne komme nicht in Betracht, weil weder ein Serienzeichen noch andere besondere Umstände vorliegen würden.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent-und Markenamts vom 28. Oktober 2013 aufzuheben.
Der Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Auf die Terminsladung vom 28. August 2014 hat er mit Schriftsatz vom 8. September 2014 mitgeteilt, dass er den auf den 1. Oktober 2014 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werde. Es möge verhandelt und entschieden werden.
Zur Begründung seines Antrags hat der Widersprechende auf sein Vorbringen im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt verwiesen. Dort hat der Widersprechende vorgetragen, hinsichtlich der Waren der Klassen 32 und 33 bestehe zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke Identität und hinsichtlich der übrigen Waren zumindest hochgradige Ähnlichkeit. Die angegriffene Marke werde durch den Wortbestandteil „Forschergeist“ geprägt, wohingegen der Zeichenbestandteil „Müncheberger“ als glatt beschreibende Angabe der geographischen Herkunft zurücktrete. Die sich deshalb gegenüberstehenden Vergleichszeichen „Forschergeist“ seien identisch, weshalb Verwechslungsgefahr bestehe und die angegriffene Marke gelöscht werden müsse.
II.
Die nach § 64 Abs. 6 S. 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet, weil hinsichtlich der nach § 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG zu berücksichtigenden Waren für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen zwischen der angegriffenen und der Widerspruchsmarke i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin ist deshalb der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2013 aufzuheben und der Widerspruch aus der Wortmarke 30 2009 070 165 „Forschergeist“ zurückzuweisen.
1. Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG Verwechslungsgefahr besteht, wenn das Publikum glauben könnte, dass die von den Vergleichszeichen erfassten Waren/Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich im Hinblick auf die Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen einerseits und die Identität oder Ähnlichkeit der von diesen erfassten Waren/Dienstleistungen andererseits. Weil die Verwechslungsgefahr vom Vorliegen einer Vielzahl von Umständen abhängt, tritt als weiteres Element insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke hinzu (EuGH GRUR 1998, 922, 924 Rn. 29 – Canon; GRUR Int. 1999, 734, 736 Rn. 17 – Lloyd; GRUR Int. 2007, 718, 720 Rn. 55 – TRAVATAN II.; GRUR 2008, 343, 346 Rn. 63 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; GRUR 2008, 503, 504 Rn. 28 – adidas/Marca Mode u. a.; GRUR 2010, 841, 844 Rn. 51 – Portakabin/Primakabin; Hacker, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 9 Rn. 30).
2. Wechselwirkung und Feststellung der Verwechslungsgefahr Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, bemisst sich im Wesentlichen nach dem Zusammenwirken der Faktoren Identität oder Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke und Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen. Dabei stehen die genannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (EuGH GRUR 1998, 387, 389 Rn. 22 – Sabél/Puma; GRUR 1998, 922, 923 Rn. 17 – Canon; GRUR Int. 1999, 734, 736 Rn. 19 – Lloyd; GRUR Int. 2000, 899, 901 Rn. 40 – Marca/Adidas; GRUR 2008, 343, 345 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 1040, 1042 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, 932 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B/; GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2011, 826 Rn. 11 – Enzymax/Enzymix; GRUR 2011, 824 Rn. 18 – Kappa; GRUR 2010, 235 Rn. 35 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 766, 768 Rn. 26 – Stofffähnchen; GRUR 2009, 772, 776 Rn. 51 – Augsburger Puppenkiste; GRUR 2009, 484, 486 Rn. 23 – Metrobus; GRUR 2008, 1002, 1004 Rn. 23 – Schuhpark; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 40).
3. Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist beim Warenvergleich und bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit jeweils von der Registerlage auszugehen.
Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 f. Rn. 22-29 – Canon; GRUR 2006, 582, 584 – VITAFRUIT; MarkenR 2009, 47, 53 Rn. 65 – Edition Albert René; BGH GRUR 1998, 925, 926 – Bisotherm-Stein; GRUR 1999, 158, 159 – GARIBALDI; GRUR 1999, 164, 166 – JOHN LOBB; GRUR 2004, 594, 596 – Ferrari-Pferd; GRUR 2006, 941, 942 Rn. 13 – TOSCA BLU; GRUR 2007, 321, 322 Rn. 20 – COHIBA; GRUR 2007, 1066, 1068 Rn. 23 – Kinderzeit; GRUR 2009, 484, 486 Rn. 25 – Metrobus; GRUR 2014, 488, 489 Rn. 14 – DESPERADOS/DESPERADO; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 58).
Zwischen den von der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke jeweils beanspruchten Waren „Fruchtsäfte“ der Klasse 32 und „Alkoholische Getränke“ der Klasse 33 besteht Identität. Auf die Feststellung des Grades der Ähnlichkeit der übrigen sich gegenüber stehenden Waren und Dienstleistungen kann verzichtet werden, weil selbst hinsichtlich der genannten identischen Waren keine Verwechslungsgefahr besteht.
4. Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
Bei der Feststellung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist zwischen den verschiedenen Waren/Dienstleistungen zu differenzieren. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss deshalb bezogen auf die jeweils in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ermittelt werden (BGH GRUR 2009, 484, 491 Rn. 83 – Metrobus; OLG München GRUR-RR 2010, 285, 286 – Pneus-Online; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 125).
Nach der Rechtsprechung des BPatG (GRUR 2005, 772 Rn. 24 – Public Nation/PUBLIC; BPatGE 44, 1, 3 Rn. 19 – Korodin; GRUR 1997, 840, 842 – Lindora/Linola), die in der Literatur Zustimmung gefunden hat (Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 129), bezeichnet der Begriff der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft nicht eine scharfe Trennlinie, auf der gleichermaßen alle Marken anzusiedeln wären, für die sich weder eine besondere Kennzeichnungsschwäche noch eine erhöhte Kennzeichnungskraft im Sinne einer bekannten Marke feststellen lässt, sondern einen verhältnismäßig großen Bereich, innerhalb dessen Differenzierungen möglich und im Sinne einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalls notwendig sind, weshalb die Kennzeichnungskraft einer Marke sich im oberen oder unteren Grenzbereich des durchschnittlichen Schutzumfangs befinden kann.
Ergibt sich bei der Prüfung des Grades der Kennzeichnungskraft einer Marke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, ist diese Durchschnittlichkeit aber nach neuerer Rechtsprechung des BGH (GRUR 2013, 833 Rn. 55 – Culinaria/Villa Culinaria) nicht weiter nach „schwach durchschnittlich“, „normal durchschnittlich“ und „stark durchschnittlich“ abzustufen. Einer solchen Unterscheidung steht – so der BGH (a. a. O.) – entgegen, dass der Begriff „Durchschnitt“ einen aus mehreren vergleichbaren Größen errechneten Mittelwert in Bezug auf Quantität oder Qualität bezeichne und die weitere Differenzierung eines mittleren Werts nicht ohne weiteres vorstellbar sei.
Hinsichtlich der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren der Klasse 32 „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“ und der Waren der Klasse 33 „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ kommt der Widerspruchsmarke durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Denn insoweit ist die Widerspruchsmarke uneingeschränkt geeignet, zur Unterscheidung der genannten Waren von den Waren anderer Unternehmen zu dienen.
Hinsichtlich der „Dienstleistungen eines Destillateurs“ der Klasse 40 ist die Widerspruchsmarke dagegen nur unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig, weil die Wortmarke „Forschergeist“ insoweit beschreibende Anklänge aufweist. Denn bei der Destillation durch das Brennen von Alkohol kommt es nicht auf das zufällige Entdecken thermischer Trennverfahren an, sondern auf die systematische Suche nach solchen Verfahren, also auf das Forschen nach Destillationsverfahren.
5. Zeichenvergleich und Grad der Zeichenähnlichkeit
a) Ähnlichkeit bei kombinierten Zeichen
Hinsichtlich des Grades der Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Zeichen ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Vergleichszeichen dem angesprochenen Verkehr, also dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher vermitteln (EuGH GRUR 2004, 843, 845 Rn. 29 – MATRATZEN; GRUR 2007, 700, 701 Rn. 35 – HABM/Shaker; GRUR Int. 2010, 129, 132 Rn. 60 – Carbonell/La Espanola; GRUR 2010, 1098, 1099 Rn. 45 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2011, 148, 149 Rn. 13 – Goldhase II; GRUR 2010, 833, 834 Rn. 12 – Malteserkreuz II). Eine künstlich zergliedernde, analysierende Betrachtungsweise ist zu vermeiden, weil auch eine größere Anzahl von Übereinstimmungen im Einzelnen nicht notwendig zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck führen muss. Der Verkehr nimmt eine Marke regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 1998, 387, 390 Rn. 23 – Sabèl/Puma; GRUR Int. 1999, 734, 735 Rn. 25 – Lloyd; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 211, 294 ff. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Insofern stehen sich vorliegend im Grundsatz die angegriffene Wortmarke „müncheberger forschergeist“ und die Widerspruchsmarke „Forschergeist“ gegenüber.
Bei – wie hier – kombinierten Zeichen kann eine Verwechslungsgefahr nur bejaht werden, wenn der übereinstimmend-ähnliche Bestandteil den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffenden Zeichens derart prägt, dass die übrigen Bestandteile für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (BGH GRUR 1976, 353, 354 COLORBOY; GRUR 1996, 775, 777 – Sali Toft; GRUR 1996, 777, 778 – JOY; GRUR 1998, 942, 943 – ALKA SELTZER; GRUR 1999, 995, 997 – HONKA; GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 330 ff.).
Beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile dürfen nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Aus ihnen können zwar keine isolierten Rechte hergeleitet werden. Ebenso wenig prägen sie für sich allein den Gesamteindruck einer Marke. Mit weiteren Angaben können sie sich aber zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis verbinden (Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 333 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen in Fußn. 792). Im Einzelfall kann auch eine für sich gesehen beschreibende Angabe in Verbindung mit einem weiteren Bestandteil wesentlich zur besonderen Identifizierung und Einprägsamkeit der Gesamtmarke beitragen. Dies kann insbesondere bei der Verbindung einer für sich gesehen schutzunfähigen geographischen Herkunftsangabe mit einem weiteren, eher kennzeichnungsschwachen Bestandteil der Fall sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2009, 772, 777 Rn. 59 – Augsburger Puppenkiste) kann zwar Ortsbezeichnungen die Kennzeichnungskraft fehlen, wenn sie beschreibend aufgefasst werden oder freihaltebedürftig sind. Als Bestandteil von Kombinationszeichen werden sie nach Auffassung des BGH (a. a. O.) regelmäßig nur als Sachhinweis zur Unterrichtung des Publikums und nicht als Herstellerangabe aufgefasst. Ihnen kommt im Zweifel keine prägende Bedeutung zu. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Wird eine geographische Herkunftsbezeichnung von beachtlichen Teilen des Verkehrs nicht als bloß beschreibende Angabe, sondern als Warenkennzeichen aufgefasst, verfügt sie über Kennzeichnungskraft. Besteht das Gesamtzeichen aus kennzeichnungsschwachen Bestandteilen, kann auch eine für sich genommen beschreibende Angabe herkunftshinweisende Bedeutung erlangen, so dass sie im Gesamteindruck nicht zu vernachlässigen ist oder diesen sogar dominieren kann.
Der Wortbestandteil „forschergeist“ prägt die angegriffene Marke nicht. Denn zum einen ist die Marke „müncheberger forschergeist“ grammatikalisch wie die Marke „Augsburger Puppenkiste“ aufgebaut, was dafür spricht, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall den Wortbestandteil „müncheberger“ der angegriffenen Marke als Bestandteil des Kombinationszeichens „müncheberger forschergeist“ zu verstehen und deshalb den Wortbestandteil „müncheberger“ nicht zu vernachlässigen. Zum anderen wird die geographische Herkunftsbezeichnung „müncheberger“, die auf die östlich von Berlin im Landkreis Märkisch-Oderland (Land Brandenburg) gelegene amtsfreie Stadt Müncheberg verweist, von beachtlichen Teilen des Verkehrs nicht als bloß beschreibende Angabe, sondern als Warenkennzeichen aufgefasst, weshalb sie über eine gewisse Kennzeichnungskraft verfügt und auch aus diesem Grunde nicht vernachlässigt werden kann. Denn die Stadt Müncheberg zählte laut dem Onlinelexikon Wikipedia am 31.12.2012 lediglich 6686 Einwohner, weshalb Müncheberg von dem größten Teil der normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht als geographische Herkunftsangabe erkannt wird.
Das bedeutet im Ergebnis, dass die angegriffene Marke „müncheberger forschergeist“ nicht durch den Wortbestandteil „forschergeist“ geprägt wird, weshalb sich die Zeichen „müncheberger forschergeist“ der angegriffenen und „Forschergeist“ der Widerspruchsmarke gegenüberstehen.
b) Zeichenvergleich und Grad der Zeichenähnlichkeit
Die Beurteilung des Gesamteindrucks getrennt in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ergibt, dass zwischen den Vergleichszeichen keine hinreichenden Ähnlichkeiten in einer Wahrnehmungsrichtung festzustellen sind, die eine Verwechslungsgefahr der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke begründen könnten.
Die Zeichen „müncheberger forschergeist“ und „Forschergeist“ sind im Blick auf den nicht zu vernachlässigenden Wortbestandteil „müncheberger“ der angegriffenen Marke sowohl klanglich als auch schriftbildlich und begrifflich so verschieden, dass der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Marken trotz teilweiser Warenidentität nicht verwechseln wird.
Insgesamt betrachtet ist der Zeichenabstand zwischen der angegriffenen und der Widerspruchsmarke daher so groß, dass der Verkehr die beiden Marken auseinander hält und eine Verwechslungsgefahr ausscheidet, weshalb zwischen den Marken keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht. Für die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken hat weder die Widersprechende Tatsachen vorgetragen noch sind solche Tatsachen sonst ersichtlich.
6. Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 71 Abs. 1 MarkenG
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung.