Entscheidungsdatum: 14.03.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 09 301
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
Auf die Beschwerde werden die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 vom 5. Mai 2011 und vom 30. März 2009 insoweit aufgehoben, als die Löschung der jüngeren Marke für „Biere; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ angeordnet worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33: Alkoholische Getränke, ausgenommen Biere;
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“
seit 27. März 2007 eingetragenen Wortmarke 307 09 301
AQUITAS
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren
„29 Milch und Milchprodukte; alkoholfreie Milch- und Milchmischgetränke.
32 Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; stille Wässer; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Fruchtnektare; Limonaden; Brausen; isotonische Getränke; Molkegetränke; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; Biermischgetränke.
33 Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“
eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke EM 003 213 006
Aquintus.
In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 32 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klassen 32 und 33 angeordnet, im Übrigen (für die Dienstleistungen der Klasse 35) den Widerspruch zurückgewiesen. Die Erinnerung der Markeninhaberin hatte keinen Erfolg.
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt: Hinsichtlich identischer oder ähnlicher Waren bestehe zwischen beiden Marken Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, wobei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Die Zeichenunterschiede reichten sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht nicht mehr aus, um die Gefahr von Verwechslungen sicher ausschließen zu können. Die Zeichenunterschiede erschöpften sich in dem im Widerspruchszeichen zusätzlich enthaltenen Konsonanten „n“ und den abweichenden Vokalen in der Schlusssilbe. Das Klangbild werde durch das „n“ nur marginal abgewandelt. Zwar verlängere es sich um einen Laut und würde weicher, doch verändere es sich in der Gesamtwirkung, die abgesehen von den Vokalen insbesondere von den im Vergleich zum eher klangschwachen „n“ wesentlich klangstärkeren Konsonanten „qu“ und „t“ bestimmt werde, nur unwesentlich. Auch der optische Eindruck werde durch das mittig eingeschobene „n“ kaum beeinflusst, zumal es sich um einen Buchstaben ohne jegliche markante Ober- und/oder Unterlänge handele. Die übereinstimmende Einbettung der abweichenden Vokale „a“ bzw. „u“ zwischen den klangstarken Konsonanten „t“ und „s“ schwäche die Unterschiede in ihrer Klangwirkung deutlich ab. Hinzukomme, dass „a“ und „u“ beides dunkle, untereinander phonetisch verwandte Selbstlaute seien, deren Platzierung am Wortende ihre klangliche Dominanz reduziere, weil Wortendungen in aller Regel weniger deutlich gesprochen würden als Wortanfänge. Dadurch hätten Klangunterschiede hier geringere Auswirkungen als am Wortanfang. Auch optisch ließen sich „u“ und „a“ als Buchstaben ohne gestalterische Besonderheit wie Ober- oder Unterlänge oder einen zusätzlichen Punkt kaum unterscheiden und fielen angesichts ihrer Position an vorletzter Stelle der jeweiligen Vergleichswörter wenig auf. Selbst dann, wenn man der Argumentation der Erinnerungsführerin folgend annähme, dass der Erfahrungssatz, dass Wortanfänge stärker wahrgenommen werden als Wortendungen, hier nicht zum tragen komme, weil der Wortanfang wegen seiner Anspielung auf „Aqua“, also Wasser, für den Verbraucher eher weniger kennzeichnend wirke und dieser seine Aufmerksamkeit auf den hinteren Teil der Begriffe lenke, führe dies nicht dazu, dass damit klangliche und bildliche Verwechslungen sicher ausgeschlossen werden könnten. Denn bei Einwort-Marken bestimmten auch kennzeichnungsschwache oder sogar schutzunfähige Bestandteile den Gesamteindruck mit. Insbesondere dann, wenn die Kollisionszeichen nicht nur denselben schwachen Bestandteil beinhalteten, sondern darüber hinaus weitere Ähnlichkeiten aufwiesen, könne eine Gemeinsamkeit im schutzunfähigen oder kennzeichnungsschwachen Bestandteil die Ähnlichkeit der Gesamtzeichen zusätzlich verstärken. Die hier bestehende Übereinstimmung, eine identische Silbenfolge, ein identischer Anfangsbuchstabe, ein nahezu gleicher erster Begriffsbestandteil (Aqui/Aquin), und eine dreibuchstabige Endsilbe, die jeweils mit „t“ beginne und auf „s“ ende, bewirkten derart deutliche klangliche und optische Ähnlichkeiten, dass bei einer Kennzeichnung von identischen Waren ein sicheres Auseinanderhalten nicht hinreichend gewährleistet sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie hat erstmals im Beschwerdeverfahren die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, worauf unstreitig wurde, dass die Widersprechende die Widerspruchsmarke ausschließlich für „Mineralwässer“ benutzt, und zwar seit mehr als zwei Jahrzehnten. Eine darüber hinausgehende Benutzung der Widerspruchsmarke erfolgt unstreitig nicht.
Die Markeninhaberin geht von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus und verweist hierzu auf die Entscheidung BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 159/05 - Aquavie/Viaqua. Sie geht davon aus, dass die Vorsilbe „aqui-“ bzw. „aqu-“ für die hier interessierenden Getränke der Klassen 32 und 33 eine Assoziation zum Wort Aqua für Wasser hervorrufen. Die Unterschiede in den Endsilben „-tas“ und „-intus“ reichten aus, um die sich gegenüberstehenden Waren hinreichend sicher voneinander abgrenzen zu können.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. März 2009 und 5. Mai 2011 aufzuheben, soweit die Marke 30709301.8/32 für die Waren „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke, ausgenommen Biere“ teilweise gelöscht wurde, sowie den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist darauf, dass die beanspruchten Waren der Klassen 32 und 33 identisch bzw. ähnlich seien und von daher die Zeichen den erforderlichen Abstand nicht einhielten.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache wie im Tenor ersichtlich Erfolg, weil eine Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nur hinsichtlich identischer Waren anzunehmen ist.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594 - Ferraripferd, GRUR 2005, 427 - lila Schokolade; GRUR 2005, 513 - May/ELLA MAY).
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker MarkenG 10. Aufl. § 9 Rdn. 180). Im Zeichenvergleich stehen sich „AQUINTUS“ und „AQUITAS“ mit den von der Markenstelle ausführlich beschriebenen klanglichen und schriftbildlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden gegenüber. Gegen eine klangliche Verwechslungsgefahr spricht die unterschiedliche Betonung beider Wörter. So wird die Widerspruchsmarke auf der ersten Silbe, das eingetragene Kennzeichen auf der zweiten Silbe betont. Die übrigen von der Markenstelle ausführlich beschriebenen klanglichen Unterschiede wirken sich jedoch umso nachhaltiger auf das Gesamtklangbild der Kennzeichen aus, als es sich um relativ kurze und leicht erfassbare Markenwörter handelt, bei denen klangliche Abweichungen das gesamte Gepräge stärker beeinflussen, so dass klanglich die Marken den erforderlichen Abstand wahren, soweit nicht identische Produkte gekennzeichnet werden. Im Bereich der Mineralwässer und kohlensäurehaltigen Wässer und anderen alkoholfreien Getränken besteht indes Identität.
Schriftbildlich sind die beiden Marken unzweifelhaft ähnlich, denn sie unterscheiden sich nur in der Wortmitte durch das im Schriftbild leicht zu übersehende „n“ und durch die Abweichung in ihrem letzten Vokal voneinander.
Da die Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG mit steigender Produktähnlichkeit zunimmt und andererseits durch den in Abhängigkeit von den beanspruchten Waren unterschiedlichen Grad der Kennzeichnungskraft beeinflusst wird, kann eine Verwechslungsgefahr für die nur ähnlichen Waren nicht begründet werden. Dies gilt für „Biere, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken sowie alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“, die zu „Mineralwässern und kohlesäurehaltigen Wässern und anderen alkoholfreien Getränken“ nur mit gewissem Abstand ähnlich sind.
Insoweit wirkt sich die von der Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung im normalen Bereich angesiedelte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für „Mineralwässer“ und die anderen identischen Waren aus. In diesem Bereich hält die jüngere Marke den erforderlichen hohen Abstand zur Überzeugung des Senates nicht mehr ein.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ist unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke einerseits und einer schriftbildlichen Ähnlichkeit der Marken auf der anderen Seite eine Verwechslungsgefahr angesichts des hier gegebenen, mindestens mittelgradigen Warenabstandes - anders als bei identischen Waren - sicher auszuschließen, weshalb der Widerspruch gegen die angefochtenen Beschlüsse - mit Ausnahme der Waren „Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke“ - unbegründet ist.
Die angefochtenen Beschlüsse waren also wie im Tenor erkannt zum Teil aufzuheben.
Anlass, von dem in § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG normierten Grundsatz, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, abzuweichen, bestand vorliegend nicht.