Entscheidungsdatum: 04.07.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 005 732.7
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Anmeldung der Wortmarke
Radio Ostfriesland - Heel Watt besünners
für die Dienstleistungen
„Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken, Aktualisierung von Werbematerial, Öffentlichkeitsarbeit (Public-Relations), Online-Werbung in einem Computernetzwerk, Plakatanschlagwerbung, Planung von Werbemaßnahmen, Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien, Rundfunkwerbung, Sponsorensuche, Vermietung von Werbeflächen, Vermietung von Werbeflächen im Internet, Vermietung von Werbematerial, Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien, Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben), Verteilung von Werbemitteln, Werbung, Werbung im Internet für Dritte; Ausstrahlung von Rundfunk- und Hörfunksendungen, Bereitstellung des Zugriffs auf Information im Internet, Übermittlung von Nachrichten; insbesondere Auskünfte über Freizeitaktivitäten, Auskünfte über Veranstaltungen (Unterhaltung), Bereitstellen von Karaokeeinrichtungen, Betrieb einer Diskothek, Betrieb von Nachtclubs, Betrieb von Tonstudios, Coaching, Demonstrationsunterrichtung in praktischen Übungen, Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung, Dienstleistungen eins Ton- und Fernsehstudios, Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten, Durchführung von Spielen im Internet; Durchführung von Tanzveranstaltungen, Durchführung von Lifeveranstaltungen, Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung), Komponieren von Musik, Layoutgestaltung, außer für Werbezwecke, Musikdarbietungen (Orchester), Musikproduktion, Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, Organisation und Veranstaltung von Konzerten, Partyplanung (Unterhaltung), Platzreservierung von Unterhaltungsveranstaltungen, Produktion von Shows, Rundfunkunterhaltung, Schulung, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Unterhaltung, Veranstaltung und Durchführung von Work-Shops (Ausbildung), Veranstaltung von Bällen, Veranstaltung von Unterhaltungsshows (Künstleragenturen), Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen“
hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, dem Zeichen fehle jegliche Unterscheidungskraft. Es handele sich um ein aus einem rein beschreibenden Teil bestehendes Zeichen, der auf den Inhalt, die Bestimmung und die geographische Verbreitung hinweise bzw. darauf, dass die Dienstleistung durch einen Radiosender aus Ostfriesland erbracht würde. Der weitere Teil des Zeichens sei ein werbeüblicher Slogan, der eine gängige mundartliche Redewendung wiedergäbe. Aus Voreintragungen, die zudem nicht vergleichbar seien, ergäbe sich nichts zugunsten des Anmelders.
Der Anmelder hat dagegen Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, Ostfriesland sei regional nicht einheitlich definiert umgrenzt und daher als Herkunftshinweis unscharf. Die Wendung "Heel watt besünners" sei durch den spielerischen orthographischen Fehler ("watt") originell und daher in der Zeichenkombination unterscheidungskräftig. Ein Freihaltebedürfnis bestehe schon wegen des Erfordernisses der Frequenzzuteilung nicht.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den angeforderten Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II.
Nachdem der Anmelder keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, kann über die zulässige Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die angemeldete Marke ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr für die angemeldeten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138 Rn. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum Einen in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und zum Anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 - EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 - STREETBALL).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 - Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus). Weiter fehlt solchen Angaben die erforderliche Unterscheidungskraft, bei denen es sich um ein geläufiges und alltägliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 38 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 735 - Test it; a. a. O. - City Service).
Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. O. - Postkantoor).
Die angemeldete Wortmarke erfüllt nach den obengenannten Grundsätzen selbst diese geringen Anforderungen nicht, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich ausschließlich in der Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen erschöpft (vgl. BGH a. a. O. - marktfrisch).
Dies hat die Markenstelle für das Anmeldezeichen "Radio Ostfriesland - Heel watt besünners" eingehend und zutreffend begründet. Der Senat nimmt hierauf Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden.
Dass "Ostfriesland" mangels eindeutiger geografischer Definition unscharf sei, begegnet zunächst schon deshalb Bedenken, weil die Regionsbezeichnung lexikalisch nachweisbar ist. Im Übrigen vermag dieser Gedanke nichts daran zu ändern, dass der Verkehr damit unzweifelhaft eine Region im norddeutschen Raum in Verbindung bringt, aus der das angebotene Radioprogramm stammen kann oder an deren Bewohnerschaft als Publikum sich die Dienstleistungen richten mögen. Insoweit liegt ein reiner Sachhinweis auf Thema, Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Waren und Dienstleistungen vor und kein markenmäßiger Herkunftshinweis (vgl. auch PAVIS PROMA BPatG 27 W (pat) 541/11 zu "heimat LIVE OSTFRIESLAND" sowie die bereits von der Markenstelle erwähnten Entscheidungen PAVIS PROMA 32 W (pat) 3/04 - Rügen Radio und 32 W (pat) 96/03 - Radio Thüringen).
Auch durch den Zusatz der mundartlichen Beschreibung der Waren und Dienstleistungen als etwas ganz Besonderes ergibt sich eine Schutzfähigkeit der Marke nicht. Denn es handelt sich hierbei um einen Slogan, der in einer im ostfriesischen Raum bekannten Mundart mit einem werbeüblichen Spiel in der Ortographie versehen auf die Besonderheit des angebotenen Programms hinweist. Auch im übrigen Bundesgebiet dürfte der Zusatz durch den Hinweis "Ostfriesland" unschwer als Plattdeutsch erkannt werden und jedenfalls der Bestandteil "Besünners" sich in seinem Sinngehalt erschließen. Dies hat die Markenstelle bereits mit der von ihr vorgenommenen Recherche belegt, ohne dass die Beschwerde über die gegenteilige Ansicht hinaus Substanz enthielte. Auf die schon von der Markenstelle erwähnten Entscheidungen PAVIS PROMA BPatG 29 W (pat) 262/99 Smoortaal, 32 W (pat) 142/04 FLÄSCHLEPARTY, 28 W (pat) 51/00 Zwiebelschwitz wird ergänzend verwiesen. In dem Zusatz "Heel watt Besünners" ist entgegen der Ansicht des Anmelders daher ausschließlich ein beschreibender Inhalt zu sehen. Eine markenmäßige Identifizierung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen kann dieser allgemeinen, üblichen Werbeaussage nicht entnommen werden, was Voraussetzung für die Schutzfähigkeit wäre (vgl. BGH GRUR 2000, 321 - Radio von hier).
Soweit der Registrierung auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, weil es den Inhalt (heimatbezogene Informationen) von Medien bzw. Informationsangeboten auch sloganhaft beschreibt, kommt es auf die vom Anmelder angesprochene, mangelnde konkrete anderweitige Verwendung schon deshalb nicht an, weil es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG genügt, wenn die Angabe wenigstens in einer ihrer Bedeutungen zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen kann, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt ist oder verwendet wird (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).
Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 - Windsurfing Chiemsee; GRUR Int. 2003, 632, Rn. 73 - Linde).
Soweit sich der Anmelder auf Eintragungen von entsprechenden Marken für Dritte beruft, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung, weil selbst Eintragungen gleicher Marken nicht zu einer Bindung führen (vgl. BGH BlPMZ 1989, 192 - KSÜD); die Eintragung ist keine Ermessensentscheidung. Im Übrigen liegen den Entscheidungen zum Teil deutlich unterschiedliche Sachverhalte zu Grunde. So bezieht sich z. B. "Radio Preußen" (PAVIS PROMA BPatG 29 W (pat) 17/93) auf einen nicht mehr existierenden Staat.