Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.10.2011


BPatG 26.10.2011 - 26 W (pat) 29/11

Markenbeschwerdeverfahren – "FRUCHT VITAL" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
26.10.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 29/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 062 706.9

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung der Wortmarke 30 2008 062 706.9/32

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FRUCHT VITAL

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teilweise, nämlich für die Waren

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"Klasse 29: Tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus;

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Klasse 30: Getreidepräparate einschließlich Cerealienriegel;  feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren; Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis;

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Klasse 32: alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate zur Zubereitung von Getränken“

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mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Zeichen insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Mit der Aneinanderreihung der Wörter "FRUCHT" und "VITAL" werde keine über den Hinweis auf Fruchtgehalt und Vitalität hinausgehende Aussage getroffen, die die Herkunft der so bezeichneten Waren aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb bezeichnen könnte. Der Verkehr begegne täglich Warenbezeichnungen wie "Fruchtgetränk, Fruchtriegel" oder "Vitalgetränk, Vitalriegel", weshalb für ihn keine Veranlassung bestehe, auch in den Wörtern "Frucht" und “Vital“ in Nebeneinanderstellung etwas anderes als eine beschreibende Aussage über die Beschaffenheit bzw. Bestimmung der Waren zu sehen.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie hält das angemeldete Zeichen, welches eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneuschöpfung darstelle, für unterscheidungskräftig und verweist auf die Entscheidung BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 146/99 - POWER MALT.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. März 2009 und 3. März 2011 im Umfang der Zurückweisung aufzuheben.

II.

11

Die gem. § 66 Abs. 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil dem angemeldeten Zeichen für die von der Zurückweisung durch die Markenstelle umfassten Waren das gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehlt.

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Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517 - Linde, Winward und Rado). Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Prüfung, ob das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft vorliegt, muss - seitens der Markenstelle ebenso wie in der Beschwerdeinstanz - streng, vollständig, eingehend und umfassend sein (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 - Libertel, Nr. 59; GRUR 2004, 674 - Postkantoor, Nr. 123). Kann einer Wortmarke ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und/oder handelt es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so entbehrt diese jeglicher Unterscheidungseignung und damit jeglicher Unterscheidungskraft (st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2004, 30 - Cityservice). Die bloße Aneinanderreihung beschreibender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, führt nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 – Postkantoor). Für eine Schutzversagung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es bereits aus, dass ein Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 (Rdn. 21) - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 (Rdn. 32) - Doublemint, MarkenR 2004, 99, 109 (Rdn. 97) - Postkantoor; MarkenR 2004, 111, 115 (Rdn. 38) - Biomild).

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Als verbreitetes und allgemein geläufiges Wort der deutschen Sprache weist „vital“ in der von der Markenstelle zutreffend ermittelten Bedeutung in Verbindung mit den von der Zurückweisung umfassten Lebensmitteln allein auf deren belebende, kräftigende und gesundheitsfördernde Wirkung hin (vgl. BPatG PAVIS PROMA 32 W (pat) 304/03 - VITAL). Der weitere Wortbestandteil „FRUCHT“ wird im Zusammenhang mit diesen Waren ausschließlich als Sachhinweis auf deren Fruchtgehalt verstanden. In der angemeldeten Wortfolge „FRUCHT VITAL“ ergeben die beiden Wortbestandteile keinen über die bloße Kombination dieser Bedeutungsgehalte hinausgehenden Sinngehalt. Wird „FRUCHT VITAL“ zur Kennzeichnung der von der Zurückweisung umfassten Lebensmittel verwendet, wird der angesprochene allgemeine Endverbraucher in dieser Wortkombination daher lediglich einen Hinweis darauf verstehen, dass die so gekennzeichneten Waren Fruchtanteile enthalten und ihnen eine belebende, kräftigende und gesundheitsfördernde Wirkung zukommt. Einen Hinweis auf deren betriebliche Herkunft wird er in dieser Bezeichnung hingegen nicht erblicken. Mithin fehlt dem Anmeldezeichen insoweit das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Ob insbesondere der Wortbestandteil „VITAL“ daneben für die beanspruchten Waren auch als Produktmerkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geeignet ist, kann angesichts dessen dahingestellt bleiben.

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Die von der Anmelderin in ihrer Beschwerdeschrift zitierte Entscheidung BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 146/99 - POWER MALT ist vor den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Unterscheidungskraft von Wortkombinationen ergangen, die sich in einer bloßen Aneinanderreihung beschreibender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, erschöpfen und nach welchen es für eine Schutzversagung bereits ausreicht, dass ein Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 – Postkantoor; EuGH GRUR 2003, 58, 59 - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 - Doublemint). Insbesondere mit der damals für zutreffend erachteten Begründung - sofern der überwiegende Teil des Verkehrs die Bezeichnung „POWER MALT“ lediglich als werbeüblichen übertreibenden Hinweis darauf werte, dass es sich bei den beanspruchten Waren um kraftspendende (Malz-)Getränke handele, rechtfertige es diese Annahme nicht, dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen - würde diese Entscheidung heute voraussichtlich nicht mehr ergehen.

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Aus der Schutzgewährung für andere Marken vermag ein Anmelder schließlich keinen Anspruch auf Eintragung abzuleiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat).

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Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.