Entscheidungsdatum: 22.08.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 305 76 319.9
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 22. August 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2008 und 10. Februar 2011 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren der Klasse 16 "Glückwunsch- und Anzeigenkarten" zurückgewiesen worden ist.
I
Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der für eine Vielzahl von Waren der Klassen 8, 11, 14, 16, 18, 20, 21, 24, 28 und 30 bestimmten Wortmarke
TISCHWELT
mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, teil-weise - u. a. auch für die Waren der Klasse 16 "Glückwunsch- und Anzeigenkarten" zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle für die versagten Waren jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Sie bezeichne lediglich ein Sortiment von Dingen, die dem Verbraucher zur Schaffung einer ansprechenden Welt auf dem Esstisch oder einem anderen Tisch dienen könnten, bzw. eine Angebotsstätte, die alle diese Gegenstände anbiete. Alle versagten Waren seien dazu geeignet und bestimmt, auf einem Esstisch oder einem anderen Tisch zum Einsatz zu kommen bzw. der Ausstattung oder Dekoration eines schönen Tisches zu dienen. Bei dieser Sachlage würden die angesprochenen Verkehrskreise der angemeldeten Marke nur einen beschreibenden Sachhinweis, jedoch keinen Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie hat das Warenverzeichnis der angemeldeten Marke im Beschwerdeverfahren beschränkt und begehrt die Eintragung der angemeldeten Marke nunmehr nur noch für die Waren, für die die Markenstelle die Anmeldung nicht zurückgewiesen hat, sowie für die mit den angegriffenen Beschlüssen versagten Waren der Klasse 16 "Glückwunsch- und Anzeigenkarten".
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die mit der Beschwerde angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit die Anmeldung für die Waren der Klasse 16 "Glückwunsch- und Anzeigenkarten" zurückgewiesen worden ist.
II
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die Waren der Klasse 16 "Glückwunsch- und Anzeigenkarten", die nach der Einschränkung des Verzeichnisses allein noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, steht das von der Markenstelle angenommene Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) nicht entgegen.
Unterscheidungskraft i. S. d. vorstehenden Bestimmung weist ein Zeichen auf, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 - Libertel). Die Eintragung eines Zeichens als Marke kommt nur in Betracht, wenn es diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Nr. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zu Gunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (EuGH GRUR 2008, 608, 610, Nr. 59 - EUROHYPO). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (BGH a. a. O. Nr. 28 - FUSSBALL WM 2006). Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft kann schließlich solchen Angaben und Zeichen fehlen, die aus anderen Gründen nicht zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung geeignet sind, weil sie der Verkehr ausschließlich als Sachbegriff in seiner ursprünglichen Bedeutung und daher nicht als Unterscheidungsmittel verstehen wird (Ströbele/Hacker, 9. Aufl., § 8, Rn. 49 m. w. N.). Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Angabe kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und fehlt es an einem engen sachlichen, beschreibenden Bezug der angemeldeten Angabe zu den Waren und Dienstleistungen und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der angemeldeten Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Die angemeldete Wortmarke "TISCHWELT" bezeichnet weder eine Eigenschaft der Waren "Glückwunsch- und Anzeigenkarten" noch weist sie einen engen sachlichen Bezug zu diesen Waren auf. Glückwunsch- und Anzeigenkarten dienen - anders als z. B. Tischkarten - regelmäßig nicht zur Dekoration eines Tisches, sondern werden den Empfängern dieser Karten ausgehändigt oder übersandt. Auch die Markenstelle hat in den beiden angegriffenen Beschlüssen keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Weise die angemeldete Marke einen beschreibenden Bezug zu diesen Waren aufweisen soll. Es ist von ihr auch nicht dargelegt worden, dass es sich bei der angemeldeten Marke in Bezug auf diese Waren um ein in der Werbung geläufiges Wort handelt, dem der Verkehr auf Grund seiner Werbeüblichkeit keine betrieblichen Herkunftshinweis mehr entnimmt. Auch der Senat hat diesbezüglich keine Feststellungen treffen können. Bei dieser Sachlage kann der angemeldeten Marke bei Anlegung des gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs nicht jegliche Fähigkeit zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung und damit nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.
Auch das von der Markenstelle in ihrem Beanstandungsbescheid zunächst aufgegriffene, in den angegriffenen Beschlüssen jedoch letztlich dahingestellt gelassene Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt nicht vor, weil die angemeldete Marke keine Angabe ist, die zur Bezeichnung u. a. der Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder zur Bezeichnung eines sonstigen Merkmals von Glückwunsch- und Anzeigenkarten dienen kann.
Der Beschwerde der Anmelderin war daher in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang stattzugeben.