Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.01.2011


BPatG 12.01.2011 - 26 W (pat) 21/10

Markenbeschwerdeverfahren – "XXXL (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft - kein Nachweis der Verkehrsdurchsetzung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
12.01.2011
Aktenzeichen:
26 W (pat) 21/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 303 68 393.7

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann, des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung der Wort-Bildmarke 303 68 393.7/20

Abbildung

2

für die Waren- und Dienstleistungen

3

"Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Möbel, Spiegel, Rahmen; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Teppiche, Fußmatten, Matten; Werbung für Dritte"

4

mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem angemeldeten Zeichen insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Als eine aus dem Angloamerikanischen stammende Größenbezeichnung habe das angemeldete Zeichen „XXXL“ die Bedeutung „extra-extra-extra-large“. Die ursprünglich auf dem Textilsektor als Größenangabe eingeführte Bezeichnung „XXL“ sei in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch übergegangen und werde nicht mehr nur wie ursprünglich als Größenangabe verwendet, sondern diene auf den verschiedensten Warengebieten als beschreibende Angabe für etwas sehr Großes. Dies gelte, wie die wie Markenstelle unter Vorlage von Belegen näher ausgeführt hat, auch für die Bezeichnung „XXXL“. Die grafische Gestaltung mit weißem „L“ auf rotem Hintergrund und dem schwarzen „XXX“ auf weißem Grund nebst schwarzem Gesamtrahmen sei werbeüblich und nicht schutzbegründend.

5

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Ansicht nach fehlt ein enger sachlicher beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Sie verweist auf eine Reihe ihrer Ansicht nach einschlägiger Voreintragungen und beruft sich nunmehr auf Verkehrsdurchsetzung. Sie sei Mitglied der sogenannten „XXXL-Gruppe“ und Tochtergesellschaft des weltweit zweitgrößten Möbelhandelsunternehmens, das vornehmlich in Deutschland und Österreich an rund 150 Standorten vertreten sei und mehr als 16.000 Mitarbeiter beschäftige. Den angesprochenen preisbewussten Endverbrauchern sei das Wort-/Bildzeichen „XXXL“ als Herkunftshinweis dadurch geläufig, dass es landesweit an zahlreichen Standorten großflächig an Möbelhäusern angebracht und in der Werbung in Printmedien, im Internet sowie in Rundfunk- und TV-Spots herausgestellt werde.

6

Die Anmelderin beantragt,

7

die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

8

Ergänzend wird auf die Akte des Amtes 303 68 393.7 Bezug genommen.

II.

9

Die zulässige Beschwerde der Markenanmelderin ist unbegründet. Einer Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis der § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Der angemeldeten Wort-/Bildkombination fehlt jegliche Unterscheidungskraft, weil der Wortbestandteil „XXXL“ die Beschaffenheit der angemeldeten Waren und der Dienstleistung jeweils objektiv und für die angesprochenen Endverbraucher und Zwischenhändler erkennbar beschreibt und der Bildbestandteil nicht selbst derart prägnant in Erscheinung tritt, dass er in der Lage wäre, dem angemeldeten Zeichen insgesamt zum notwendigen Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu verhelfen. Dieses Eintragungshindernis wird nicht in Wege der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden, weil die vorgetragenen Tatsachen und die zur Akte gereichten Belege nicht geeignet sind, eine Verkehrsdurchsetzung für die beanspruchten Waren und die Dienstleistung glaubhaft zu machen.

10

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

11

„XXXL“ ist die Steigerungsform der allgemein bekannten Größenangaben „L“ für large, „XL“ für extra large und „XXL“ für extra, extra large (vgl. Langenscheidts Großwörterbuch, Der kleine Muret-Sanders, Englisch-Deutsch, S. 1139, BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 244/09 – Die XXXL-Erlebniswelt). Diese sind auf dem Bekleidungssektor zur Bezeichnung von Konfektionsgrößen üblich (siehe Mossman Acronyms, Initialisms & Abbreviations Dictionary, 16. Aufl. 1992 S. 3790; Peter Wennrich, Angloamerikanische und deutsche Abkürzungen in Wissenschaft und Technik, 1. Ausgabe, Teil 3, 1997 S. 2238; Bertelsmann, Lexikon der Abkürzungen, S. 499) und haben sich, wie bereits von der Markenstelle belegt, inzwischen am Markt auch für andere Waren und für Dienstleistungen durchgesetzt. Für die hier angemeldeten Waren kann „XXL“ im Verkehr ebenfalls jeweils als beschreibender und werbeüblicher Hinweis auf die besonders herausragende Größe der Ware verwendet werden. Auch „XXXL“ ist den hier angesprochenen Endverbrauchern und Zwischenhändlern als Größenbezeichnung für Kleidung geläufig, die am Markt inzwischen in Konfektionsgrößen bis „8XL“ angeboten wird. Begegnen sie dem Wortbestandteil „XXXL“ zur Bezeichnung der übrigen angemeldeten Waren, für welche ihnen „XXL“ bereits als Größenangabe bekannt ist, werden sie ihn ebenfalls als werbeüblichen Hinweis auf ein ganz besonders großes Produkt seiner Art, aber nicht als Herkunftshinweis wahrnehmen.

12

Über eine Größenangabe hinaus hat sich „XXL“ ebenso wie „super“, „mega“ oder „riesig“ in der Werbung, aber auch in Sprachwendungen zusätzlich als Hinweis auf eine - wie auch immer geartete - Sonderstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung entwickelt (vgl. zuletzt BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 244/09 - Die XXXL-Erlebniswelt m. w. N.; BPatG PAVIS PROMA 27 W (pat) 7/05 - Schuhe XXL). Werden Werbedienstleistungen mit „XXXL-Werbung“ bezeichnet (vgl. z. B. www.bernd-kirchdoerfer.de/wt_grossflaechen.html - 3k -), kann auf diese Weise einerseits auf ein besonders großes Angebot vielfältiger Dienstleistungen und andererseits auf Werbung mittels ganz besonders großer Werbeträger wie beispielsweise zu bedruckende Lkw-Planen oder Werbebanner hingewiesen werden. Begegnen potentielle Kunden von Werbedienstleistungen der Zeichenfolge „XXXL“, werden sie diese daher nicht als Herkunftshinweis wahrnehmen.

13

Die grafische Ausgestaltung der angemeldeten Wort-/Bildmarke besteht in der Anordnung von drei - in ihrer Typographie üblichen - großen „X“ in schwarz auf weißem Grund und einem großen „L“ in weiß auf rotem Grund in einem schwarzen, die Buchstabenfolge verbindenden Rahmen. Gegenüber ihren Wortbestandteilen tritt diese graphische Ausgestaltung im Gesamteindruck der Wort-/Bildmarke zurück und bleibt selbst nicht prägnant als betriebskennzeichnend in Erinnerung (vgl. BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl. § 8 Rn. 69, BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK). Der angemeldeten Wortfolge steht damit das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

14

Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob zusätzlich - wofür einiges spricht - ein Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit des angemeldeten Zeichens besteht, dessen Wortbestandteil für die beanspruchten Waren und die Dienstleistung eine beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG enthält.

15

Die von der Anmelderin erstmals im Beschwerdeverfahren zur Akte gereichten Belege sind nicht zur Glaubhaftmachung einer Verkehrsdurchsetzung geeignet, § 8 Abs. 3 MarkenG. Geeignete Belege, um glaubhaft zu machen, dass ein Verkehrsdurchsetzungsverfahren Aussicht auf Erfolg hat, d. h. einen Durchsetzungsgrad von mehr als 50 Prozent erbringen wird, sind beispielsweise Unterlagen über Werbeaufwendungen und Umsätze, Bescheinigungen von einschlägigen Fachverbänden oder Meinungsumfragen (vgl. Ströbele, MA 1984, 127, 136; GRUR 1987, 75 ff.). Das Anlagenkonvolut 2 der Anmelderin belegt demgegenüber lediglich eine Kennzeichnung der Außenflächen nicht näher bezeichneter Einrichtungshäuser und eine schlagwortartige oder allgemein anpreisende Benutzung  der Zeichenkombination „XXXL“ („XXXL Auswahl“, „XXXL Preis“, „XXXL Service“, „XXXL Zahlen und Fakten“) auf der Internetseite „www.xxxlmoebelhaeuser.de/.“ In den am rechten Rand abgebildeten, kleineren Darstellungen erscheint das angemeldete Markenzeichen untergeordnet neben „neubert“, „MANN MOBILIA“, „hiendl“ und „siegle“ oder neben „bierstorfer“ übergeordnet. In „mömaX“ und „Möbelix“ ist allenfalls ein X erkennbar. In „XXXLutz“ ist das „L“ von „XXX“ durch die reverse Unterlegung abgetrennt und dem ebenfalls revers dargestellten Wort „Lutz“ zugeordnet. Diese Benutzungsformen sind nicht geeignet, die Benutzung des Zeichens für die angemeldeten Waren und die Dienstleistung „Werbung für Dritte“ glaubhaft zu machen.

16

Wird eine beschreibende Angabe nur als solche benutzt und verstanden, kann der Anmelder eine Verkehrsdurchsetzung nicht damit begründen, dass die beschreibende Angabe häufig mit seinen Produkten in Verbindung gebracht wird. Dasselbe gilt für Werbeaussagen, bei denen eine Verkehrsdurchsetzung ebenfalls nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass aus Sicht der beteiligten Kreise nicht die mögliche Werbewirkung, sondern die betriebliche Herkunftsfunktion im Vordergrund steht (EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 (Nr. 35) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Glaubhaftmachungsmittel müssen sich unmittelbar auf die Herstellung und den Vertrieb der beanspruchten Waren bzw. die Erbringung der angemeldeten Dienstleistungen beziehen, denn nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 MarkenG und des Art. 3 Abs. 2 der Markenrichtlinie ist eine Verkehrsdurchsetzung nur durch markenmäßige Benutzung des angemeldeten Zeichens gerade für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen möglich. Ein Einzelhandelsunternehmen, das, wie hier die Anmelderin, eine Vielzahl von Waren vertreibt und beansprucht, benutzt ein Zeichen durch dessen Verwendung auf den Außenflächen seiner Filialen sowie in der Eigenwerbung ohne einen konkreten Bezug zur Ware nicht markenmäßig. Auf diese Weise verwendet, weist „XXXL“ allenfalls auf eine hier von der Anmelderin nicht beanspruchte Einzelhandelsdienstleistung, aber weder auf die Herkunft ihrer Waren zur Unterscheidung von Waren anderer Herkunft noch auf die Dienstleistung „Werbung für Dritte“ hin (vgl. BGH GRUR 2006, 150 – 152 – NORMA; BGH GRUR 2005, 1047 – 1049 - OTTO).

17

Auch auf vermeintlich gleiche Marken, die zur Eintragung gelangt sind, kann sich die Anmelderin nicht berufen. Die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke stellt schließlich eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage dar. Weil dem Deutschen Patent- und Markenamt insoweit kein Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht, scheidet auch eine anspruchsbegründende Selbstbindung dieser Behörde aus. Wegen ihrer spezifischen Eigenart ist in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG die Geltung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts für Verfahren vor dem DPMA ausdrücklich ausgeschlossen worden. Indes steht dem Markenanmelder die gegen die Zurückweisung seiner Anmeldung durch das DPMA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Überprüfung im Beschwerdeverfahren zur Verfügung. Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache C - 39/08 klargestellt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu Gunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen (vgl. EUGH Slg. 1994, 3465, Beck Rs 2004, 7211 Rdnr. 510 - White/Parliament; Slg. 1985, 22, 25, Beck Rs 2004, 7157 Rdnr. 14  - Willems/Rechnungshof). Die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates, die über eine Markenanmeldung zu entscheiden hat, ist nicht verpflichtet, die in Art. 3 Abs. 1 lit b und c der Richtlinie 89/104 aufgeführten Eintragungshindernisse unberücksichtigt zu lassen und einem Antrag auf Eintragung deshalb stattzugeben, weil das angemeldete Zeichen auf identische oder vergleichbare Art und Weise wie ein Zeichen gebildet wird, dessen Eintragung als Marke sie bereits bewilligt hat und das sich auf identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen bezieht.

18

Da die Markenstelle somit der Anmeldemarke im Ergebnis zutreffend die Eintragung versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen