Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.04.2016


BPatG 28.04.2016 - 26 W (pat) 18/15

Markenbeschwerdeverfahren – "Lille Smuk" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
28.04.2016
Aktenzeichen:
26 W (pat) 18/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 047 808.8

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. April 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2014 und 14. April 2015 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

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Lille Smuk

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ist am 23. August 2013 unter der Nummer 30 2013 047 808.8 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren der

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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Reise- und Handkoffer; Regen- und Sonnenschirme; Taschen jedweder Art, insbesondere Brieftaschen, Aktentaschen, Badetaschen, Campingtaschen, Kindertragtaschen, Einkaufstaschen, Handtaschen, Bauchtaschen, Geldbörsen, Schlüsseletuis, Rucksäcke;

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Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Gürtel (Bekleidung);

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Klasse 26: Anstecker, Broschen (Bekleidungszubehör), Aufnäher, Schlüsselbänder, Haarspangen, Haarreifen, Haarbänder, Haarklemmen

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angemeldet worden.

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Mit Beschlüssen vom 8. Januar 2014 und 14. April 2015, wovon letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 18 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft bzw. wegen Freihaltebedürfnisses gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, das Zeichen „Lille Smuk“ sei eine Wortfolge zweier dänischer Adjektive mit der Bedeutung „klein schön“ bzw. „klein hübsch“. Damit sei es geeignet, die beanspruchten Waren ihrer Art und Beschaffenheit nach unmittelbar in dem Sinn zu beschreiben, dass die Waren „klein“ und „schön“ seien. Begriffe des dänischen Grundwortschatzes seien entscheidungserheblichen Teilen der Verkehrskreise bekannt, da Dänemark an Deutschland angrenze und Dänen in Deutschland lebten. Wörter einer EU-Sprache oder WTO-Sprache seien grundsätzlich zur Beschreibung geeignet. Von der Anmelderin angeführte Voreintragungen seien aufgrund auffälliger grafischer Gestaltungen schutzfähig oder hätten keinen unmittelbar beschreibenden Bezug zu den Waren und Dienstleistungen. Selbst die Eintragung eines identischen Zeichens begründe keinen Anspruch auf Eintragung, da es sich bei der Prüfung der Schutzhindernisse um eine Rechtsfrage handele.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2014 und 14. April 2015 aufzuheben.

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Sie ist der Ansicht, dass die Wortbedeutung des Zeichens von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht verstanden werde, wobei auch bei fremdsprachigen Zeichen auf die inländischen Verkehrskreise abzustellen sei. Diese seien hier vorrangig der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher und daneben auch der Handel. Der dänische Grundwortschatz sei den angesprochenen Verbrauchern in Deutschland nicht bekannt. Lediglich die in Nordschleswig lebende dänische Minderheit und die in äußerst geringer Anzahl in Deutschland lebenden Dänen seien der dänischen Sprache mächtig. Dies seien insgesamt geschätzt etwa 50.000 Personen, was bei einer Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland von 80,5 Mio. Menschen lediglich einen Bevölkerungsanteil von 0,06 % darstelle. Dänisch sei keine Welthandelssprache, werde nicht an deutschen Schulen unterrichtet, sei nicht in den Medien präsent und sei auch keine gebräuchliche Fachsprache des Fachhandels für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren. Zwar seien Wörter einer EU-Sprache oder einer WTO-Sprache grundsätzlich zur Beschreibung geeignet, jedoch sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Maße fremdsprachige Wörter vom Verkehr verstanden würden. Ferner seien zahlreiche Marken mit den Bestandteilen „Lille“ oder „Smuk“ als Marke in das Register eingetragen worden, was jedenfalls indizielle Bedeutung für die Schutzfähigkeit der Wortfolge habe. Die angemeldete Wortfolge sie als Unionsmarke ohne Beanstandung eingetragen worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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Der Eintragung der Wortfolge „Lille Smuk“ stehen für die beanspruchten Waren der Klassen 18, 25 und 26 keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 16 – for you).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. - CELLTECH; BGH a. a. O. Rdnr. 16 - DüsseldorfCongress).

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2. Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt die angemeldete Wortfolge „Lille Smuk“.

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a) Die angesprochenen Verkehrskreise sind die Verbraucher und der Fachhandel der mit der Anmeldung beanspruchten Waren.

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b) Das Wortzeichen setzt sich aus den Wörtern „Lille“ und „Smuk“ zusammen. Beide entstammen der dänischen Sprache. Das Adjektiv „lille“ wird mit „klein, -chen, -lein“ und das Adjektiv „smuk“ mit „schön, hübsch“ übersetzt (Langenscheidts Taschenwörterbuch Dänisch, 2006).

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c) Damit kommt dem Anmeldezeichen die Gesamtbedeutung „klein schön“ oder „klein hübsch“ zu.

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d) Die große Mehrheit der angesprochenen inländischen Verkehrskreise werden diese Wörter aber weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit verstehen.

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aa) Nach der Recherche des Senats lebten am 31. Dezember 2015 laut Ausländerzentralregister knapp 21.000 dänische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland (http://de.statista.com). Weiterhin existiert in Schleswig-Holstein eine dänische Minderheit (Südschleswiger), deren Stärke je nach Quelle auf 50.000 bis über 100.000 Angehörige beziffert wird (www.wikipedia.de, Stichwort „Dänische Minderheit“). Dänisch wird an einigen allgemeinbildenden Schulen in Schleswig-Holstein unterrichtet (www.wikipedia.de, Stichwort „Dänischunterricht“). Es ist daher davon auszugehen, dass in Deutschland allenfalls eine niedrige sechsstellige Zahl an Personen des dänischen Grundwortschatzes mächtig ist und den wahren Bedeutungsgehalt der Wortfolge „Lille Smuk“ erkennt.

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bb) Zwar kann neben dem Durchschnittsverbraucher ebenso das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein, um ein Eintragungshindernis zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 ff. – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682, Rdnr. 26 – Bostongurka; BPatG GRUR 2014, 79, 81 – Mark Twain). Dies würde aber voraussetzen, dass die Bedeutung des aus dänischen Wörtern bestehenden Anmeldezeichens zumindest den am Handel beteiligten Fachkreisen bekannt ist. Dänisch ist keine Welthandelssprache. Der Senat hat auch nicht feststellen können, dass der hier angesprochene Fachhandel für Lederwaren, Bekleidung, Bekleidungszubehör und Haarschmuck an die Verwendung dänischer Begriffe gewöhnt ist.

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e) Da somit der Mehrheit der inländischen Verkehrskreise der Sinngehalt der Wortfolge „Lille Smuk“ unbekannt ist, wird sie als Phantasiebezeichnung wahrgenommen, so dass ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden kann.

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3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung der angemeldeten Wortfolge als Marke für die beanspruchten Waren nicht entgegen.

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Zwar kann bei fremdsprachigen Markenwörtern ein Freihaltebedürfnis dann angenommen werden, wenn sie sowohl im Im- und Export als auch - wegen der Üblichkeit mehrsprachiger Sachhinweise auf Waren, Ankündigungen und dergleichen - beim inländischen Absatz von Waren zur ungehinderten beschreibenden Verwendung benötigt werden (vgl. BGH GRUR 1990, 517 - SMARTWARE; 1992, 515 - Vamos).

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Gegen die wirtschaftliche Notwendigkeit einer beschreibenden Verwendung dieses Markenwortes im Inland für die beanspruchten Waren spricht aber bereits die konkrete Wortkombination mit der Bedeutung „klein hübsch“ oder „klein schön“. Die Einzelbestandteile des Anmeldezeichens „klein“ sowie „hübsch“ oder „schön“ mögen je für sich die in Rede stehenden Waren glatt beschreiben können, aber die maßgebliche Gesamtaussage „klein hübsch“ bzw. „klein schön“ in dieser konkreten Zusammensetzung, ohne die erst den Sinngehalt vermittelnde Konjunktion „und“, sondern in ungewöhnlicher, unmittelbarer Abfolge nebeneinander entfernt sich von einer klar beschreibenden Angabe so weit, dass sie auch nicht für die Außenhandelsbeziehungen mit Dänemark benötigt wird.