Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.12.2010


BPatG 01.12.2010 - 26 W (pat) 171/09

Markenbeschwerdeverfahren – "URBAN PLUS" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
01.12.2010
Aktenzeichen:
26 W (pat) 171/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 028 954.6

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung der Wort-/Bildmarke 30 2008 028 954.6

Abbildung

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für die Waren

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„Stadt- und Außenmöblierungsartikel, nämlich Absperrungen, Gitter, Geländer, Ketten, Parkgestelle für Zweiräder (insbesondere Fahrräder), Poller, Säulen, Masten, Boden- und Wandbefestigungen, Abfall- und Müllbehälter sowie Papierkörbe (nicht für Küche und Haushalt), Blumen- und Pflanzentöpfe, -kübel und -körbe (nicht für den häuslichen Bereich), Baumscheiben, Baumschutzgitter, Baumschutzbügel, Brunnenstöcke, Brunnenabdeckungen, Brunnenbecken; sämtliche vorgenannten Waren aus Metall;

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Stadt- und Außenmöblierungsartikel, nämlich Absperrungen, Gitter, Geländer, Ketten, Parkgestelle für Zweiräder (insbesondere Fahrräder), Poller, Säulen, Masten, Blumen- und Pflanzentöpfe, -kübel und -körbe (nicht für den häuslichen Bereich), Baumscheiben, Baumschutzgitter, Baumschutzbügel, Brunnenstöcke, Brunnenabdeckungen, Brunnenbecken; sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Metall;

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Stadt- und Außenmöblierungsartikel, nämlich Sitz- und Liegebänke, Sitze, Stühle, Hocker, Tische, Ständer für Blumen- und Pflanzentöpfe sowie Blumenständer (nicht für den häuslichen Bereich), Berankungshilfen für Masten und Wände, Park- und Straßenbänke mit Metallgestellen oder aus Mauerwerk; Stadt- und Außenmöblierungsartikel, nämlich Abfall- und Müllbehälter sowie Papierkörbe (nicht für Küche und Haushalt und nicht aus Metall), Boden- und Wandbefestigungen (nicht aus Metall)“

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unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass einer Eintragung für alle beanspruchten Waren die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstünden. Der Wortbestandteil „URBAN PLUS“ beschreibe für die angemeldeten Stadt- und Außenmöblierungsartikel ein Mehr/Plus an städtischen Lebensbedingungen. Der durchschnittlich informierte Verbraucher werde diesen Bedeutungsgehalt der sprachüblich gebildeten Wortzusammensetzung ohne weiteres erfassen und das grafisch werbeüblich ausgestaltete Zeichen nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen. Zusätzlich bestehe ein Freihaltebedürfnis.

7

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Für die beanspruchten Waren lasse sich kein im Vordergrund stehender, beschreibender Begriffsgehalt des angemeldeten Zeichens feststellen. Beide Wortbestandteile seien mehrdeutig. So könne „urban“ als „städtisch, kultiviert“ oder „gewandt“ verstanden werden und „plus“ ein qualitatives oder quantitatives Mehr bezeichnen. „URBAN PLUS“ stelle keinen geläufigen Gesamtbegriff der deutschen oder einer gängigen Fremdsprache dar. Über „Stadt- und Außenmöblierungsartikel“ hinaus werde das angemeldete Zeichen für eine Reihe konkreter Spezialwaren beansprucht, welche beispielsweise auch im Gartenbau Verwendung fänden. Im Zusammenhang mit diesen Waren könne „urban“ auch im Sinne von „kultiviert“ verstanden werden.

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Die Anmelderin beantragt,

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die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

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Ergänzend wird auf die Akte des Deutschen Patent- und Markenamtes Az. 30 2008 028 954.6 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2010 Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil einer Eintragung des angemeldeten Zeichens das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

12

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 – Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Die tatsächliche Verwendung eines Markenwortes im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist für die Frage seiner Unterscheidungskraft nicht maßgeblich (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 945 – SAT.2). Insoweit genügt, dass sich das angemeldete Markenwort zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen eignet.

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Das angemeldete Zeichen setzt sich aus zwei Wortbestandteilen lateinischen Ursprungs zusammen, die mit ihren Bedeutungen „städtisch, fein, gebildet“ und „mehr“ sowohl in den deutschen (vgl. jeweils Brockhaus, Enzyklopädie, 17. Auflage 1972) als auch in den englischen Sprachgebrauch übergegangen sind. Alle angemeldeten Waren können der Gestaltung städtischer Anlagen dienen und sind im Warenverzeichnis durch die Bezeichnung „Stadt- und Außenmöblierungsartikel, nämlich (…)“ auch mit dieser Bestimmung angemeldet worden. „URBAN PLUS“ kann jeweils in werbeüblicher Weise hervorheben, dass die beanspruchten Waren zur Verbesserung städtischer Anlagen beitragen. So können Poller und Absperrungen funktionelle Verbesserungen nach sich ziehen, wenn sie zur Verkehrsberuhigung oder zur Abgrenzung von Fußgängerzonen eingesetzt werden. Artikel zum Brunnenbau, Abfallbehälter, Pflanzkübel und andere der Stadtbegrünung dienliche Waren können ästhetische Verbesserungen im Stadtbild herbeiführen. Parkgestelle für Zweiräder erhöhen den Komfort für die Benutzer städtischer Anlagen. Gitter, Geländer, Ketten, Boden- und Wandbefestigungen sowie Masten, die zur Lichtinstallation verwendet werden können, erhöhen die Sicherheit im öffentlichen Raum. Werden die angemeldeten Waren zur Montage in ländlich oder dörflich geprägten Arealen oder auf privatem Grundbesitz erworben, kann „URBAN PLUS“ den Kaufinteressenten zusätzlich suggerieren, dass die jeweilige Ware dem zu gestaltenden Raum zu (einem Mehr an) städtischem Flair verhilft. Unterscheidungskraft fehlt einem Zeichen bereits dann, wenn eine von mehreren Bedeutungen des Zeichens für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen beschreibend ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, Tz. 32– Wrigley).

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Mit den verfahrensgegenständlichen Waren werden private Geschäftskunden und solche der öffentlichen Hand wie Städte und Gemeinden ebenso wie die durchschnittlichen, aufmerksamen Bürgerinnen und Bürger in ihrer Eigenschaft als Wahlberechtigte und potentielle Nutzer der beanspruchten Waren im öffentlichen Raum angesprochen. Wie beispielsweise die aktuelle Berichterstattung zum Bahnprojekt „Stuttgart 21“ zeigt (vgl. etwa http://handelsblatt.com/politik-/deutschland/gegner-uneins-schlichtung-bei-stuttgart-21), ist diesen Verkehrskreisen das Wort „URBAN“ in seiner Bedeutung von „städtisch“ inzwischen ebenso geläufig wie die Bedeutung des Wortes „PLUS“, an dessen werbeübliche Verwendung der Verkehr u. a. zur Hervorhebung von Verbesserungen gewöhnt ist (vgl. BPatG PAVIS PROMA, 28 W (pat) 102/01 – Plus ./. GILETTE GII PLUS). Bei einer Verwendung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren werden sie „URBAN PLUS“ als werbeüblichen Hinweis darauf wahrnehmen, dass diese zur Verbesserung städtischer Anlagen beitragen können und in dem Markenwort einen Sachhinweis, aber keinen betrieblichen Herkunftshinweis erblicken.

15

Die grafische Ausgestaltung der angemeldeten Wort-/Bildmarke im Übrigen verbessert die visuelle Wahrnehmung ihrer Wortbestandteile, vermag aber die Schutzfähigkeit nicht zu begründen. Unter Verwendung von in ihrer Typographie üblichen Großbuchstaben sind die Wortbestandteile „URBAN“ und „PLUS“ in grauer, schnörkelloser Druckschrift auf weißem Grund angeordnet. Gegenüber ihren Wortbestandteilen tritt diese graphische Ausgestaltung im Gesamteindruck der Wort-/Bildmarke zurück und bleibt selbst nicht prägnant als betriebskennzeichnend in Erinnerung (vgl. BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl. § 8 Rn. 69, BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK). Der angemeldeten Wortfolge steht damit das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob zusätzlich - wofür einiges spricht - ein Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit des angemeldeten Zeichens besteht, dessen Wortbestandteil für die beanspruchten Waren eine beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG enthält.

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Da die Markenstelle somit der Anmeldemarke im Ergebnis zutreffend die Eintragung versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.