Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.03.2016


BPatG 16.03.2016 - 26 W (pat) 15/15

Markenbeschwerdeverfahren – "hund" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
16.03.2016
Aktenzeichen:
26 W (pat) 15/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 050 986.5

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. März 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2015 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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hund

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ist am 26. Juni 2014 unter der Nummer 30 2014 050 986.5 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 11, 20, 40, 41 und 42 angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 26. Januar 2015 hat die Markenstelle für Klasse 20 die Anmeldung teilweise wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 20: Möbel, Bilderrahmen; Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen; sämtliche vorgenannte Waren nicht im Zusammenhang mit lebenden Tieren, nämlich Hunden;

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Klasse 41: Organisation und Durchführung von Seminaren und Schulungen; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen nicht im Zusammenhang mit lebenden Tieren, nämlich Hunden.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, der aus der deutschen Alltagssprache stammende Begriff „hund“ sei eine beschreibende Angabe, weil er trotz der Kleinschreibung von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen dahingehend verstanden werde, dass es sich bei den Waren und Dienstleistungen um solche handele, die die Form eines Hundes haben bzw. mit der Abbildung von Hunden versehen sein können oder sich thematisch mit Hunden beschäftigen. Dabei könnten sich die Dienstleistungen der Klasse 41 nicht nur auf lebende Hunde beziehen, sondern sich auch allgemein mit der Geschichte und der Evolution der Hunde befassen. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Wortzeichens führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Das Anmeldezeichen weise daher auf Art, Thema und Gestaltung der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen hin. Dass es sich bei dem angemeldeten Markenwort um den Firmennamen der Anmelderin bzw. den Eigennamen des Inhabers handele, ändere nichts an der Beurteilung der Schutzfähigkeit, weil dieser Name den angesprochenen Verkehrskreisen in der Regel nicht bekannt sei. Eine Internetrecherche habe ergeben, dass es Möbel und Bilderrahmen in Hundeform oder mit der Abbildung von Hunden sowie Abhandlungen zur Geschichte des Hundes und der Mensch-Hund-Beziehung gebe. Die von der Anmelderin vorgenommene Einschränkung sei für die Mitbewerber nicht nachvollziehbar. Im Übrigen hätten vergleichbare Anmeldungen ebenfalls nicht zur Eintragung als Marke geführt.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Januar 2015 aufzuheben.

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Im Amtsverfahren hat sie die Ansicht vertreten, das Anmeldezeichen sei schutzfähig, zumal es der Name des Firmeninhabers sei. Die jeweiligen Disclaimer dienten der Klarstellung und seien für die Mitbewerber nachvollziehbar.

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Auf gerichtliche Hinweise hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis zuletzt mit Schriftsatz vom 7. März 2016 (Bl. 59 GA) in den beschwerdegegenständlichen Klassen wie folgt eingeschränkt:

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Klasse 20: Möbel, nämlich Büromöbel, Konferenzsysteme [Möbel], Tische, nämlich Schreib- und Bürotische;

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Klasse 41: Organisation und Durchführung von Seminaren und Schulungen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Büroräumen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet.

16

Der Eintragung des Wortzeichens „hund“ stehen für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen in den beschwerdegegenständlichen Klassen 20 und 41 keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 16 – for you).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).

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2. Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Wortzeichen „hund“ nach erfolgter Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren, denn es weist nunmehr weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen der Klassen 20 und 41 auf.

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a) Die von den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen angesprochenen inländischen Verkehrskreise sind sowohl Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene im Möbelfachhandel als auch der Endverbraucher.

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b) Die um Schutz nachsuchende Angabe besteht aus dem im Deutschen orthographisch nicht korrekt mit kleinem Anfangsbuchstaben geschriebenen Hauptwort „hund“. Dieses aus dem althochdeutschen „hunt“ stammende deutsche Substantiv bezeichnet ein (in vielen Rassen gezüchtetes) kleines bis mittelgroßes Säugetier, das besonders wegen seiner Wachsamkeit und Anhänglichkeit als Haustier gehalten wird, einen gut ausgebildeten Gehör- und Geruchssinn besitzt sowie beißen und bellen kann; einen „männlichen Hund (im Gegensatz zur Hündin); (salopp) einen Menschen oder Mann; (salopp abwertend) einen gemeinen Mann, Lump oder Schurken, in der Bergmannssprache einen kleinen kastenförmigen Förderwagen (www.duden.de/rechtschreibung/Hund); ein Rollbrett für Möbel und ein vor allem in Schlesien verbreitetes Kartenspiel (https://de.wiktionary.org/wiki/Hund). Ferner kann es auch ein deutscher Nach- bzw. Familienname sein (https://de.wiktionary.org/wiki/Hund), wie es bei den Inhabern der Anmelderin der Fall ist. In der angemeldeten Kleinschreibung entspricht das Markenwort dem dänischen, norwegischen und schwedischen Wort für Hund (https://de.wiktionary.org/wiki/hund).

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c) Wenngleich somit das begriffliche Verständnis der Bezeichnung „hund“ in seinen im Vordergrund stehenden Bedeutungen „Haustier“, Schimpfwort und „Rollbrett für Möbel“ dem angesprochenen Publikum keinerlei Schwierigkeiten bereitet, zumal der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige deutsche Durchschnittsverbraucher an sprachlich inkorrekte Schreibweisen aus der Werbung umfänglich gewöhnt ist (BPatG 30 W (pat) 528/13 – hygieneXXL; 27 W (pat) 26/11 – jungbrunnen; 32 W (pat) 156/07 – christmarkt; 29 W (pat) 132/04 – bayernpress; 26 W (pat) 34/04 – touristikboerse), drängt sich gleichwohl vorliegend ein Sachbezug zu den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht auf.

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aa) Ein Rollbrett für Möbel oder ein in seiner Funktion ähnliches Produkt ist im Warenverzeichnis der Anmelderin nicht aufgeführt. Die nach Einschränkung des Warenverzeichnisses verbliebenen Waren der Klasse 20 „Möbel, nämlich Büromöbel, Konferenzsysteme [Möbel], Tische, nämlich Schreib- und Bürotische“ werden weder in Hundeform oder mit Hundefiguren gestaltet noch mit Hundeabbildungen (z. B. Hundefotos oder –zeichnungen) versehen. Sie sind als Büromöbel auch nicht für Hunde bestimmt. Das können nur Trimm- und Schertische als Pflegetische oder Ess- und Wohnzimmertische für Hunde sein. Dies hat eine Internetrecherche des Senates ergeben, deren Ergebnis der Anmelderin mit dem gerichtlichen Hinweis vom 3. März 2016 übersandt worden ist. Die angesprochenen Verkehrskreise haben deshalb keinen Anlass, das angemeldete Zeichen bei diesen Waren nicht als Unterscheidungsmittel aufzufassen. Vielmehr steht die Verwendung des Anmeldezeichens als Hinweis auf den Namen des Unternehmens im Vordergrund.

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bb) Das Anmeldezeichen „hund“ enthält auch keinen Sachhinweis auf die noch beanspruchten, beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 41 Organisation und Durchführung von Seminaren und Schulungen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Büroräumen“. Da es keine Büromöbel in Hundegestalt, mit Hundeabbildungen oder speziell für Hunde gibt, können diese auch nicht Thema oder Gegenstand von Seminaren und Schulungen im Zusammenhang mit Büroeinrichtung sein. Da sich Hunde normalerweise nicht in Büroräumen aufhalten bzw. aufhalten dürfen, liegt auch der Gedanke fern, die Seminare und Schulungen würden sich speziell damit befassen, in welcher Weise die Büroeinrichtung an Hunde angepasst werden kann. Denn etwa drei Viertel der Arbeitgeber einschließlich des Bundestages lehnen Haustiere am Arbeitsplatz ab (http://www.welt.de/wirtschaft/article148621802/Der-absurde-Hundewahn-in-Deutschlands-Bueros.html). Ohne Erlaubnis des Arbeitgebers droht nach Abmahnung die fristlose Kündigung (http://www.welt.de/wirtschaft/article148621802/Der-absurde-Hundewahn-in-Deutschlands-Bueros.html; http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/job-mit-hund-wenn-vierbeiner-im-buero-erlaubt-sind-a-975489.html; vgl. auch Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 4.9.2013 - 8 Ca 7883/12).

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Aber selbst wenn Arbeitgeber Hunde im Büro erlauben (http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/job-mit-hund-wenn-vierbeiner-im-buero-erlaubt-sind-a-975489.html; http://www.bildungsxperten.net/ratgeber/hunde-im-buro-so-vereinbaren-sie-haustier-und-beruf/http://www.zeitblueten.com/news/hund-im-buero/), wird eine Anpassung der Büroeinrichtung an den Aufenthalt von Hunden oder mit welchem Mobiliar Hunde in Büroräumen untergebracht werden könnten, nicht thematisiert.

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Damit verfügt das angemeldete Wortzeichen „hund“ auch für die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft, so dass es als individualisierender Betriebshinweis aufgefasst wird.

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3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung des angemeldeten Markenwortes für die nach Einschränkung des Verzeichnisses noch verbliebenen Waren und Dienstleistungen nicht entgegen, denn „hund“ beschreibt diese weder unmittelbar, noch ist die Anmeldung für diese Waren und Dienstleistungen im Interesse der Mitbewerber freihaltebedürftig.