Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 01.09.2014


BPatG 01.09.2014 - 26 W (pat) 14/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Weiss-Gold" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
01.09.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 14/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 037 722.4

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom  29. August 2011 und 20. November 2012 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der für Waren der Klassen 8, 9, 11, 14, 16, 21, 24, 25, 26, 28, 29, 30, 31, 32 und 33 sowie Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 39, 41, 42 und 43 bestimmten Marke

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Weiss-Gold

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mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, teilweise für die Waren

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„Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; Edelmetalle und deren  Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Schreibwaren; Künstlerbedarfsmittel; Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken, Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder, Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln, künstliche Blumen, Christbaumschmuck“

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zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für diese Waren die Unterscheidungskraft fehle (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung „Weiss-Gold“ werde vom Verkehr als beschreibender Hinweis auf die Farbe und das Material der so bezeichneten Waren, nicht aber als betriebliche Herkunftsangabe aufgefasst. Der Begriff „Weißgold“ sei ein Sammelbegriff für Goldlegierungen mit Beimengungen entfärbender Zusatzmetalle, wie z. B. Platin, Silber oder auch Kupfer, Zink und Nickel. Verwendet werde Weißgold sowohl in der Uhren- und Schmuckherstellung als auch bei der Herstellung von Besteck. Für die Waren „Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente“ sei die angemeldete Marke damit lediglich ein beschreibender Hinweis darauf, um welche Legierung es sich handele bzw. aus welcher Legierung diese Produkte hergestellt seien. Auch wenn das Wort „Weißgold“ korrekt zusammen- und mit „ß“ geschrieben werde, sehe man in der Werbung auch die Schreibweisen „Weiss-Gold“, „Weissgold“ oder „Weiß-Gold“. Der Verkehr werde auch diese Bezeichnungen nur als beschreibende Angaben ansehen. Für die übrigen versagten Waren erschöpfe sich die angemeldete Marke in einer Bezeichnung über deren Farbgestaltung. Auch insoweit werde die nicht korrekte Schreibweise unbemerkt bleiben.

7

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie vertritt unter Darlegung der allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen zur Unterscheidungskraft die Ansicht, bei der angemeldeten Marke handele es sich auch in Bezug auf die versagten Waren um eine orthografisch falsche und grammatikalisch ungewöhnliche Angabe, die im Verkehr nicht verwendet werde und lexikalisch nicht nachweisbar sei und deshalb dem Begriff „Weißgold“ nicht gleichgesetzt werden könne. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die angemeldete Marke bei einer Benutzung für die versagten Waren als Phantasiebegriff und damit als betriebliche Herkunftsangabe, was die Markenstelle dadurch selbst bestätigt habe, dass sie die angemeldete Marke für andere Waren für eintragungsfähig erachtet habe. Ein derartiges gespaltenes Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise gebe es nicht. Der Verkehr müsse die angemeldete Marke zunächst einer Bedeutungsanalyse unterziehen, um zu dem von der Markenstelle unterstellten beschreibenden Verständnis zu gelangen. Es handele sich bei „Weiss-Gold“ um eine vage und mehrdeutige Angabe. Bei dieser Sachlage stehe der Eintragung der angemeldeten Marke auch das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen.

8

Die Anmelderin, die das Warenverzeichnis in Klasse 25 auf

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„Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, alle vorgenannten Waren nicht in der Farbe Weißgold und/oder nicht in den Farben Weiß und Gold“

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beschränkt und die Anmeldung in Bezug auf die übrigen von der Markenstelle versagten Waren zurückgenommen hat, beantragt,

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die angefochtenen Beschlüsse im Umfang der Versagung aufzuheben.

II

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nach der im Beschwerdeverfahren erklärten Beschränkung des Warenverzeichnisses begründet.

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Die angemeldete Marke kann für die Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, alle vorgenannten Waren nicht in der Farbe Weißgold und/oder nicht in den Farben Weiß und Gold“ nicht zur Bezeichnung der Art oder Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Eigenschaften dieser Waren dienen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG); denn die im Verfahren verbliebenen Waren bestehen nicht aus Weißgold und weisen auf Grund der im Warenverzeichnis enthaltenen Einschränkung auch weder die Farbe Weißgold noch die Farben weiß und/oder Gold auf. Für alle nicht aus diesem Material und nicht in den vorgenannten Farben gehaltenen Waren der Klasse 25 stellt die Bezeichnung „Weiss-Gold“ aber keine zur Beschreibung von Wareneigenschaften geeignete Angabe dar.

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Der angemeldeten Marke fehlt für die zuvor genannten, allein noch verfahrensgegenständlichen Waren auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

15

Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren bzw. Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2008, 1093 - Marlene-Dietrich-Bildnis; GRUR 2010, 640 – hey!; EuGH GRUR 2010, 228 – Vorsprung durch Technik). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten. Wortmarken besitzen namentlich dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 - Link economy; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1153 - antiKALK). Beschreibende Sachaussagen fasst der Durchschnittsverbraucher auch dann, wenn es sich um bisher noch nicht verwendete oder grammatikalisch fehlerhafte, aber gleichwohl verständliche Begriffe handelt, als solche und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auf (BGH GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT). Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft kann in Einzelfällen schließlich solchen Angaben fehlen, die aus anderen Gründen nicht zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung geeignet sind, weil sie der Verkehr ausschließlich als Sachbegriff und daher nicht als Unterscheidungsmittel versteht (EuGH GRUR Int. 2011, 400 – Zahl 1000).

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Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke für die Waren, die nach der Beschränkung des Warenverzeichnisses noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, nicht die Eignung, sie ihrer betrieblichen Herkunft nach zu kennzeichnen und zu unterscheiden. Sie stellt, wie bereits zuvor dargelegt worden ist, für diese Waren keine unmittelbar beschreibende Angabe dar und wird bei einer Verwendung für Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen, die andere Farben als Weißgold, Weiß und/oder Gold aufweisen, von einem angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auch nicht nur als beschreibende Farb- oder sonstige Beschaffenheitsangabe verstanden. Auch ein enger beschreibender Bezug der angemeldeten Marke zu den zuvor genannten, andersfarbigen Waren ist für den Senat nicht erkennbar. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich schließlich auch nicht um eine bloße Werbeaussage oder einen vom Verkehr für die im Verfahren verbliebenen Waren üblicherweise ausschließlich als Sachbegriff verstandene Angabe, so dass ihr für diese Waren nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann. Der Beschwerde der Anmelderin war daher nach der erklärten Beschränkung des Warenverzeichnisses stattzugeben.