Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.01.2012


BPatG 18.01.2012 - 26 W (pat) 118/10

Markenbeschwerdeverfahren – "kugelförmiges Verbindungselement" (Bildmarke) – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
18.01.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 118/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 022 472.2

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts die für die Waren

2

„Klasse 06: Kugelförmige Verbindungselemente aus Metall mit über die Kugeloberfläche verteilten, insbesondere Innengewinde aufweisenden, Öffnungen;

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Klasse 20: Systemmöbel mit Metallstangen, die mit kugelförmigen Verbindungselementen aus Metall mit über die Kugeloberfläche verteilten, insbesondere Innengewinde aufweisenden Öffnungen verbunden sind“

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beanspruchte Bildmarke 30 2009 022 472.2

Abbildung

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mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Zeichen gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG nicht dem Schutz als Marke zugänglich sei und seiner Eintragung darüber hinaus die absoluten Schutzhindernisse fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses entgegenstünden, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Auch für den technischen Laien erkennbar bestehe die Anmeldung aus der Abbildung eines dreidimensionalen Verbindungselements in Form einer Kugel, die drei zueinander senkrecht stehende Bohrungen mit Innengewinde aufweise. Angesichts dessen werde der angesprochene Verkehr das Bildzeichen lediglich als Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren der Klasse 6 um solche handele und die beanspruchten Systemmöbel der Klasse 20 derartige Verbindungselemente beinhalteten. Als Mittel zur betrieblichen Herkunftsindividualisierung werde er das Zeichen jedenfalls nicht auffassen.

6

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Er hält das Zeichen für schutzfähig und verweist darauf, dass die glänzende Oberfläche des Verbindungselements sowie die zueinander orthogonale Lage der Gewindebohrungen, die, auf drei Achsen liegend, alle durch den Kugelmittelpunkt verliefen, nicht i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch die Art der Ware selbst bedingt seien. Die das Zeichen prägende Kugelform zähle nicht zu seinen funktionalen Merkmalen i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die technische Wirkung der Ware, nämlich das Verbinden mehrerer Möbelelemente, lasse sich unter Verwendung verschiedener anderer Außenformen wie Quader oder Zylinder in gleicher Weise erreichen. Das Zeichen bestehe auch nicht ausschließlich aus einer Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleihe, § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhalte das Zeichen durch seine Kugelform und die optisch hervorstechende glänzende Metalloberfläche. Insbesondere die spezielle Kugelform unterliege im Interesse von Mitbewerbern, die auf gängige Alternativformen für Verbindungselemente zurückgreifen könnten, keinem Freihaltebedürfnis, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Der Anmelder beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juni 2009 und vom 29. September 2010 aufzuheben.

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Seinen auf Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gerichteten Hilfsantrag hat er mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2011 zurückgenommen.

II.

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Die gem. § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

11

Dabei kann dahinstehen, ob die angemeldete Bildmarke gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schon deshalb vom Markenschutz ausgeschlossen ist, weil es sich um die Abbildung einer Form handelt, deren für ihren Gesamteindruck wesentliche Merkmale ausschließlich zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind (vgl. EuGH GRUR 2010, 1008 – Lego; EuGH GRUR 2002, 804, 809 (Nr. 79, 80) - Philips; BGH GRUR 2004, 507, 509 – Transformatorengehäuse; GRUR 2004, 506, 407 – Stabtaschenlampen II; GRUR 2004, 502, 504 - Gabelstabler II; BPatG GRUR 2005, 327, 328 – Waschmitteltablette), oder ihrer Eintragung noch weitere, von der Markenstelle geprüfte Schutzhindernisse entgegenstehen. Denn dem Zeichen fehlt das zu einer Eintragung notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift besitzt eine Marke nur dann, wenn sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die Schutz begehrt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Produkte somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2002, 804 ff. - Philips). Zweidimensionale Abbildungen von Waren, wie sie die angemeldete Bildmarke darstellt, sind nicht nur hinsichtlich der Voraussetzungen einer abstrakten Markenfähigkeit und der besonderen, für Formmarken bestehenden Ausschließungsgründe, sondern auch für die Frage der erforderlichen Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG dreidimensionalen Warenformen gleichzustellen (st. Rspr., EuGH GRUR 2006, 1022 (Nr. 29) - Wicklerform; EuGH GRUR Int. 2008, 43 (Nr. 38) - rot-weiße rechteckige Tablette mit blauem ovalem Kern; BGH GRUR 2001, 56, 57 – Likörflasche; BGH GRUR 2004, 502, 504 – Gabelstapler II).

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Zwar darf die Prüfung bei dreidimensionalen Marken  - und ihren zweidimensionalen Abbildungen - nicht strenger als bei anderen Markenformen ausfallen (EuGH GRUR Int. 2004, 631 - TABS). Da aber davon auszugehen ist, dass der Verkehr die Form einer Ware nicht in gleicher Weise auffasst wie eine Wortmarke und aus der Form der Ware gewöhnlich nicht auf deren betriebliche Herkunft schließt, besitzt eine Formmarke nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann Unterscheidungskraft, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht (EuGH GRUR 2004, 428, 431 [Tz. 49] - Henkel; GRUR Int. 2004, 631, 634 [Tz. 39] - Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2004, 635, 638 [Tz. 37] - Dreidimensionale Tablettenform II; GRUR Int. 2004, 639, 643 [Tz. 37] - Dreidimensionale Tablettenform III; GRUR Int. 2005, 135, 137 [Nr. 31] - Maglite; GRUR Int. 2006, 226, 227 [Nr. 31] - Standbeutel; GRUR Int. 2006, 842, 844 [Nr. 26] - Form eines Bonbons II; BGH GRUR 2004, 329, 330 - Käse in Blütenform; GRUR 2004, 507, 509 - Transformatorengehäuse). Die Warenform muss es dem durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher auch ohne analysierende und vergleichende Betrachtungsweise ermöglichen, die betreffenden Waren von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH a. a. O. - Henkel; GRUR Int. 2005, 135 - Maglite). Weist das Warenumfeld bereits eine große Vielfalt von Formen auf, in die sich die angemeldete Marke ohne weiteres einfügt, so wird der Verkehr in einer bestimmten, ggf. auch neuen Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen, wenn er diese Form nicht einer konkreten Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH GRUR 2004, 329 - Käse in Blütenform; BGH GRUR 2006, 679 - Porsche Boxster; BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 7/09 - dreidimensionale Bonbonformmarke).

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Diese Voraussetzungen liegen bei der angemeldeten Abbildung eines Verbindungselements in Kugelform mit Innengewinde, welche gerade für kugelförmige Verbindungselemente der Klasse 6 und mit diesen verbundene Systemmöbel der Klasse 20 als Bildmarke beansprucht wird, nicht vor. Die angesprochenen Fachverkehrskreise für „kugelförmige Verbindungselemente aus Metall mit über die Kugeloberfläche verteilten, insbesondere Innengewinde aufweisenden, Öffnungen“ werden das angemeldete Bildzeichen ausschließlich als Erscheinungsbild der Ware selbst, jedoch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen, wenn sie den so gekennzeichneten Waren der Klasse 6 und ihren Verpackungen im Verkehr begegnen. Werden mit dem Anmeldezeichen „Systemmöbel mit Metallstangen, die mit kugelförmigen Verbindungselementen aus Metall mit über die Kugeloberfläche verteilten, insbesondere Innengewinde aufweisenden Öffnungen verbunden sind“ gekennzeichnet, werden Fachhändler und Kaufinteressenten dieser Waren das Bildzeichen für die Abbildung eines solchen Knotenelements, also eines Möbelbestandteils, halten, aber ebenfalls nicht als Hinweis auf den Hersteller der in Klasse 20 beanspruchten Ware verstehen.

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Ein spezifisches Merkmal, das die abgebildete Warenform nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur als eine weitere Variante im vorhandenen Formenschatz von Verbindungselementen insbesondere für Systemmöbel erscheinen ließe, sondern sie bei aller gegebenen Vielfalt als etwas Individuelles heraushöbe und kennzeichne, vermochte der Senat als Ergebnis seiner Recherchen nicht festzustellen. Die vom Anmelder insoweit hervorgehobene glänzende Metalloberfläche des abgebildeten Verbindungselements wird der Verkehr lediglich allgemein dem Bemühen zuschreiben, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen. Kaufinteressenten von Systemmöbeln und anderen Einrichtungsgegenständen sind an die Verwendung verschiedenster, u. a. glänzender, matter, eloxierter, verchromter, polierter oder gebürsteter Oberflächen von Metallteilen, an eine dementsprechende gestalterische Auswahl und daran gewöhnt, sich - beispielsweise mit Rücksicht auf eine bereits vorhandene Raumgestaltung - für die von ihnen aus ästhetischen Gründen bevorzugte Oberflächengestaltung zu entscheiden. Metallbauern und potentiellen Kaufinteressenten der in Klasse 6 ohne spezifischen Möbelbezug beanspruchten Verbindungselemente ist die Oberflächenvielfalt von Metallbauteilen als eines von vielen Gestaltungs- und Verarbeitungsmerkmalen dieser Bauteile ohnehin bekannt.

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Die vom Anmelder zusätzlich herausgestellte Kugelform des Verbindungselements gehört zu den geometrischen Grundformen. Sie stellt ebenfalls kein spezifisches, aus dem insoweit maßgeblichen, vorbekannten Formenschatz herausragendes Gestaltungsmerkmal dar. Zum einen beansprucht die Anmeldung in beiden Warenklassen 6 und 20 von vornherein ausschließlich Schutz für kugelförmige Verbindungselemente. Zum anderen ist dem angesprochenen Fachverkehr für Metall- und Möbelbau die Kugelform seit vielen Jahren als eine von mehreren möglichen Verbindungsformen für Hohlprofile bekannt. So verweist die Offenlegungsschrift DE 199 21 690 A1 (Offenlegungstag 30. November 2000; Patentschrift DE 199 21 690 B4 2005.02.17) zum Stand der Technik beispielhaft auf das erstmals im Jahre 1969 in Serie produzierte, ebenfalls Innengewinde aufweisende Kugel-Rohrverbindungssystem der Firma USM Haller (Quelle: www.usm.com/firma/geschichte/produkte/produkte.php?lang=de&country=ch). Die am 6. August 1997 veröffentlichte, eine Tragkonstruktion für ein Möbelsystem betreffende Europäische Patentanmeldung EP 0 787 907 A2 nimmt auf das inzwischen erloschene deutsche Gebrauchsmuster G 88 02 139.4 für eine Tragkonstruktion Bezug, in welcher Kuppelglieder in Form von Kugeln Tragelemente miteinander verbinden, die stirnseitig eine entsprechend der Kugelform ausgebildete Ausnehmung aufweisen. All diese Patent- und Geschmacksmusteranmeldungen stammen nicht vom Anmelder des in diesem Verfahren streitgegenständlichen Bildzeichens.

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Auch der interessierte Durchschnittskunde der in Klasse 6 ohne Bezug zu Möbeln angemeldeten kugelförmigen Verbindungselemente aus Metall weiß um die durch ihre verschiedenen Einsatzbereiche begründete, am Markt anzutreffende Gestaltungsvielfalt dieser Bauteile. So begegnen ihm kugelförmige Verbindungselemente aus Metall im Alltag neben anderen, u. a. quaderförmigen Verbindungselementen beispielsweise als Eckverbindungen von Geländern, Handläufen (www.rohrundkugel.de) und Gardinenstangen (http://www.chamberline.de/zu-satzgeraumlte-1), oder auch, - um ein gänzlich anderes Einsatzgebiet anzusprechen -, als Elemente von Zahn- und Hüftgelenksimplantaten (http://www.cumdente.com/uploads/pics/patrize-kugelkopf02.jpg; http://www.neo-gramm.de/wp-content/uploads/2010/08/aesculap_h%C3%BCftim-plantat.jpg). Dabei wird er die Wahl der Kugelform bei ersteren wiederum allgemein dem Bemühen zuschreiben, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen und die Form von Bauteilen für Implantate ausschließlich einer konkreten Funktion der Ware zuordnen.

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Vor diesem Hintergrund wird selbst ein technisch wenig versierter Betrachter, der das Anmeldezeichen als Variation im gesamten Formenschatz aller, u. a. auch quaderförmiger Verbindungselemente, insbesondere solcher für Möbel, wahrnimmt, das Gesamterscheinungsbild mit glänzender Oberfläche, Kugelform und Innengewindebohrungen daher entweder seiner Funktion oder dem Umstand zuschreiben, aus dem überschaubaren Formenschatz geometrischer Grundformen die Kugelform ausgewählt und mit einer ästhetisch ansprechenden glänzenden Oberfläche kombiniert zu haben. Einen betrieblichen Herkunftshinweis wird er dem Zeichen jedoch nicht entnehmen. Denn eine erhebliche Abweichung von der Norm oder Branchenüblichkeit, die der Verkehr ohne besondere Aufmerksamkeit, analysierende und vergleichende Betrachtung oder nähere Prüfung erkennen könnte (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 179 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen, vgl. insbesondere auch GRUR 2004, 428, 431, Nr. 49 - Henkel; MarkenR 2004, 461, 465, Nr. 31 - Maglite; MarkenR 2004, 456 - Seifenstück; MarkenR 2006, 19 - Standbeutel), weist das Anmeldezeichen weder im Vergleich mit kugelförmigen Verbindungselementen verschiedener Art, noch im Vergleich mit verschiedenförmigen Verbindungselementen für Systembaumöbel auf.

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Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.