Entscheidungsdatum: 31.07.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 044 229
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 31. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die für die Waren
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
Klasse 32: Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirup und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
eingetragene Wort-/Bildmarke 30 2009 044 229
ist aus der für die Waren
Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
eingetragenen Wortmarke 306 66 983
Biosfere
Widerspruch erhoben worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. November 2012 hat die Markenstelle für Klasse 32 im Erinnerungsverfahren unter Aufhebung des vorangegangenen, den Widerspruch insgesamt zurückweisenden Beschlusses vom 24. Mai 2011 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, nämlich für die Waren der Klassen 32 und 33.
Zur Begründung hat die Markenstelle angenommen, die markenrechtliche Verwechslungsgefahr bemesse sich nach dem Zusammenwirken der Faktoren Warenähnlichkeit, Zeichenähnlichkeit sowie Schutzumfang der rangälteren Marke, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch den höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden könne.
Die Widerspruchsmarke weise normale Kennzeichnungskraft auf, da dem Begriff „Biosphäre“ als wissenschaftliche Benennung des Raumes um die Erde, in dem Leben vorkommt, keine beschreibende Bedeutung für die von der Anmeldung umfassten Waren zukomme, die seiner Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis entgegenstünde. Die Waren seien in Klasse 32 identisch, in Klasse 25 unähnlich. Die Getränke aus Klasse 33 wiesen entgegen der Ansicht der Anmelderin auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts hinreichend Berührungspunkte in Bezug auf Warengattung (Getränk/Lebensmittel), Zweckbestimmung, Beschaffenheit und Angebotsstätte auf, um sie als markenrechtlich ähnlich zu werten. Insbesondere sei hier auch auf ihre Eigenart als einander ergänzende Waren abzustellen, die sich darin zeige, dass auf diesem Warensektor ein starker Trend zu Mischgetränken festzustellen sei. Auch zwischen Bier und alkoholischen Getränken der Klasse 33 könne nach der Rechtsprechung trotz der unterschiedlichen betrieblichen Herkunft und Herstellungsverfahren aufgrund der o. g. Kriterien noch eine Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne angenommen werden.
Die Zeichenähnlichkeit sei erheblich. Begrifflich betrachtet seien beide Marken phantasievolle Abwandlungen des Begriffes „Biosphäre“ und daher im Bedeutungsgehalt identisch. Auch beim klanglichen Vergleich, bei dem die grafischen Elemente naturgemäß außer Acht blieben, seien die vorhandenen Unterschiede in den Vokalen sowie im Doppel-s der angegriffenen Marke kaum hörbar. „E“ und „Ä“ seien sehr klangverwandt, das zusätzliche „s“ verschmelze mit dem vorangehenden gleichen Buchstaben und werde nicht gehört. Gerade bei einer im Verkehr zu erwartenden raschen Aussprache, eventuell auch am Telefon oder beeinflusst von Nebengeräuschen, sei ein sicheres Auseinanderhalten beider Marken nicht mehr hinreichend gewährleistet, was auch gelte, wenn die Marken nicht nur als Kennzeichnung für identische, sondern auch für ähnliche Getränke eingesetzt würden. Wegen bestehender Verwechslungsgefahr in klanglicher und begrifflicher Hinsicht für die Waren im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich sei daher die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen, für die Waren außerhalb des markenrechtlichen Ähnlichkeitsbereichs sei der Widerspruch unbegründet.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Die Zeichen seien auch bei identischen Waren ausreichend sicher voneinander abgrenzbar, würden insbesondere nicht ähnlich klingen. Der Bestandteil „fere“ der Widerspruchmarke weise auf einen Traubensaft oder die chemische Bezeichnung für Eisen hin.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. November 2012 aufzuheben und die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und geht insbesondere wegen der klanglichen Ähnlichkeit von Verwechslungsgefahr aus.
II.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594 - Ferraripferd, GRUR 2005, 427 - lila Schokolade; GRUR 2005, 513 - May/ELLA MAY).
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Hacker in Ströbele/ Hacker MarkenG 10. Aufl. § 9 Rdn. 180). Eine markenrechtlich erhebliche Zeichenähnlichkeit kann sowohl in klanglicher wie auch in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht vorliegen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414, Nr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, 1044, Nr. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, 487, Nr. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60 ff., Nr. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/ Zweibrüder). Dabei kann schon die Ähnlichkeit in einer Wahrnehmungsrichtung eine Verwechslungsgefahr hervorrufen (vgl. BGH a. a. O., Nr. 17 - SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 803, 804, Nr. 21 - HEITEC; Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rdn. 183 m. w. N.). Dabei ist allgemein davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/ TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li. Spalte - ALKASELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239, Nr. 24 - Lloyd/Loint’s).
Zwischen den Waren der Widersprechenden einerseits und denjenigen der Inhaberin der angegriffenen Marke andererseits besteht im von der Markenstelle begründeten Sinn und Umfang Identität und Ähnlichkeit oder - in Klasse 25 - Unähnlichkeit, wie die Parteien auch nicht mehr in Frage stellen.
Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Annahme normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, weshalb die Markenstelle zutreffend unter Anwendung entsprechend strenger Anforderungen an den Markenabstand eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angenommen hat, soweit Warenähnlichkeit besteht.
In klanglicher Hinsicht wird die Marke „biosSphäre“ mit der prioritätsälteren Wortmarke „Biosfere“ verwechselt, denn beide Marken werden fast völlig identisch gesprochen, was bereits die Markenstelle zutreffend begründet hat. Ein klanglicher Unterschied vermag sich jedenfalls nicht hinreichend hörbar durchzusetzen, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen, wobei insbesondere hinzuweisen ist auf mündliche Bestellungen von „ein biosSphäre“ in lebhafter Umgebung. Im Übrigen kann auf die folgenden, zutreffenden Ausführungen der Widersprechenden verwiesen werden:
„Wie die nachfolgende Gegenüberstellung zeigt, sind die Marken „Biosfere“ und „biosSphäre“ insbesondere hochgradig klanglich verwechselbar:
- die Marken sind jeweils 4-silbig
(„bi-os-fe-re“ = „bi-o(s)-sphä-re“)
- der Klangrhythmus ist identisch
- die Marken weisen klanglich identische Vokale auf
(„i-o-e-e“ = „i-o-ä-e“)
- die Marken weisen klanglich identische Konsonanten
(„b-s-f-r“ = „b-ss-ph-r“) auf.
Das zusätzliche „s“ in „biosSphäre“ fällt klanglich nicht auf.
Genau wie bei „Bios-“ und „-fere“ macht man zwischen „Bios-“ und „-sphäre“ beim Sprechen keine große Pause („s“ und „ss“ werden auch identisch ausgesprochen, wie z. B. „bis“/„Bisschen“). Das „s“ in „sphäre“ wird beim Aussprechen der ganzen Marke „biosSphäre“, nicht explizit betont, so dass im Mittelteil von beiden Marken nur ein „s“ zu hören ist.
Da die Vokale „e“ und „ä“ in vielen Worten identisch ausgesprochen werden (z. B. Ehre/Ähre, Nerz/März u. a. - identische Aussprache gemäß Wiktionary) und „ph“ und „f“ stets identisch ausgesprochen werden, muss man davon ausgehen, dass die Verbraucher „Biosfere“ und „biosSphäre“ ebenfalls identisch aussprechen werden.“
Diesen Ausführungen, die sich der Senat zu eigen macht, ist nichts hinzuzufügen.
Auch ein möglicher unterschiedlicher Sinngehalt verfängt gegen die Annahme der Verwechslungsgefahr nicht, da ein solcher jedenfalls nicht auffällig ist. Klanglich weisen beide Zeichen auf die Biosphäre hin. Entgegen der Ansicht der (jüngeren) Markeninhaberin gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr aus dem Umstand, es gebe eine Kernmarke bios, darauf schließen würde, das Getränk stamme aus der Sphäre von bios. Der Begriff Biosphäre steht bei beiden Zeichen unmissverständlich im Vordergrund. Daher verhilft der Hinweis auf „Fe“ für Eisen oder die im Zusammenhang mit Getränken wohl eher unbekannte französische Gemeinde „La Fère“ den Zeichen auch nicht zu dem zeichenrechtlich gebotenen Abstand.
Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.
Anlass, von dem in § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG normierten Grundsatz, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, abzuweichen, bestand vorliegend nicht.