Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.04.2016


BPatG 07.04.2016 - 25 W (pat) 86/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Snowden" – keine bösgläubige Markenanmeldung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
07.04.2016
Aktenzeichen:
25 W (pat) 86/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 045 153.8

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters am Amtsgericht Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. März 2014 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wort

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Snowden

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ist am 6. August 2013 für die folgenden Waren der Klasse 30 als Marke angemeldet worden:

4

Brot, feine Backwaren und Konditorwaren.

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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat die Anmeldung mit Beschluss vom 18. März 2014 zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Anmeldung das Schutzhindernis der bösgläubigen Markenanmeldung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG entgegenstehe. Das angemeldete Zeichen sei der Nachname von S…, eines ehemaligen Mitarbeiters des U…, S… habe die unerlaubte Überwachung (u. a.) deutscher Telekommunikation durch die NSA enthüllt. Hierdurch habe er in der Öffentlichkeit eine erhebliche Bekanntheit erlangt, an der der Anmelder partizipieren wolle. Eigene schützenswerte Interessen könne der Anmelder nicht anführen. Die Bösgläubigkeit des Anmelders werde durch den zeitlichen Zusammenhang der Anmeldung des Zeichens mit dem Bekanntwerden der Enthüllungen und der intensiven Berichterstattung über S… belegt. Weiterhin habe der Anmelder für das Zeichen in drei unterschiedlichen Anmeldungen mit nur zum Teil identischen Warenverzeichnissen Schutz gesucht, um durch die Zuweisung der Anmeldungen an unterschiedliche Sachbearbeiter die Eintragungschancen zu erhöhen. Es handle sich bei der Anmeldung um den Fall einer Sperrmarke, da der Anmelder den Namen einer bekannten Person ohne eigenen Nutzungswillen angemeldet habe, um den Berechtigten von der Nutzung auszuschließen bzw. durch den Verkauf der Marke einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Die vom Anmelder gegenüber dem DPMA vorgebrachte vertragliche Gestattung der Nutzung des Namens „S…“ durch eine Frau … S1… sei ohne Belang, da diese nicht die Trägerin des bekannten Namens sei.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Die Vermutungen des DPMA würden nicht zutreffen. Der Anmelder habe nur versucht, einen Namen für ein neues Gebäck zu finden. Für dieses Gebäck sei bereits ein Geschmacksmuster eingetragen worden. Für die Nutzung des Namens „S…“ zahle man an Frau S1… eine Lizenzgebühr. An dem Namen „S…“ habe man kein Interesse.

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Der Anmelder beantragt sinngemäß,

8

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. März 2014 aufzuheben.

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Der Anmelder hat in dem beim DPMA eingegangenen Anmeldeformular als Zustelladresse die P… GmbH in E… benannt. Im Anmeldeverfahren ist der Schriftverkehr seitens des Anmelders mit dem DPMA auf dem Geschäftspapier der P… GmbH geführt worden. Die Beschwerdeschrift, die am 22. April 2014 beim DPMA eingegangen ist, ist gleichfalls auf dem Geschäftspapier der P… GmbH verfasst worden. Der Anmelder, der nicht Geschäftsfüh- rer der P… GmbH ist, hat die Beschwerdeschrift mit seinem Namen und ohne einen weiteren Vermerk (wie etwa „im Auftrag“) unterschrieben.

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Während des zugrundeliegenden Anmeldeverfahrens ist ein Schreiben des Anmelders beim DPMA eingegangen. Dieses Schreiben ist vom DPMA unter dem Aktenzeichen 30 2013 053 659.2 als neue Markenanmeldung behandelt worden. Daraufhin hat der Anmelder dem DPMA mitgeteilt, dass eine weitere Anmeldung nicht beabsichtigt gewesen sei. Das Schreiben, das vom DPMA als neue Anmeldung behandelt worden sei, sei lediglich eine Berichtigung der ersten Anmeldung gewesen, für die auch schon die Anmeldegebühr bezahlt worden sei. Der Anmelder hat das DPMA um Berichtigung gebeten. Neben der streitgegenständlichen Anmeldung hat der Anmelder ein Wort/Bildzeichen mit dem Wortbestandteil „S…“ beim DPMA zur Eintragung angemeldet (Aktenzeichen 30 2013 053 922.2). Die Anmeldung ist bestandskräftig zurückgewiesen worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Anmelder ist zugleich der Beschwerdeführer. Er hat die Beschwerdeschrift selbst und im eigenen Namen unterschrieben. Soweit die Beschwerdeschrift auf dem Geschäftspapier der P… GmbH verfasst worden ist, ändert dies nichts daran, dass die Beschwerdeschrift dem Anmelder zuzurechnen ist. Der Anmelder hat erkennbar nicht im Namen der P… GmbH gehandelt, da bereits im Anmeldeverfahren die P… GmbH als Zustelladresse benannt und das Geschäftspapier der P… GmbH verwendet worden war. Zu keinem Zeitpunkt des Anmeldeverfahrens hatten wegen der Verwendung des Geschäftspapiers der P… GmbH Zweifel hinsichtlich der Person des Anmelders bestanden.

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2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Anmeldung stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere nicht das Schutzhindernis der bösgläubigen Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG.

14

Von der Bösgläubigkeit des Anmelders ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Die bereits unter Geltung des Warenzeichengesetzes entwickelten Grundsätze zu den Voraussetzungen einer bösgläubigen Markenanmeldung gelten auch nach der Einführung des Eintragungshindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG weiter, weil hierdurch die für die bösgläubige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe nicht geändert werden sollten. Das Schutzhindernis aus § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG soll im Interesse der Rechtssicherheit das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte bereits im Eintragungsverfahren verhindern (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015, Az. I ZB 69/14 Rn. 16 – Glückspilz). In der deutschen Rechtsprechung sind vor allem drei Fallgruppen der Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung herausgearbeitet worden. Diese Fallgruppen sind die der „Spekulationsmarke“ und der „Sperrmarke“ sowie des zweckfremden Einsatzes der Markenanmeldung als Mittel des Wettbewerbskampfes (Ströbele/Hacker, Markengesetz 11. Aufl. § 8 Rn. 838). In allen Fällen ist zudem gem. § 37 Abs. 3 MarkenG Voraussetzung für die Zurückweisung der Markenanmeldung, dass die Bösgläubigkeit ersichtlich ist (vgl. hierzu: Ströbele/Hacker, a. a. O. Rn. 850).

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a) Eine bösgläubige Markenanmeldung kann vorliegen, wenn der Anmelder in der Absicht handelt, die Marke dazu zu verwenden, gutgläubige Dritte mit Unterlassungs- und Geldforderungen unter Druck zu setzen, ohne dass ein genereller eigener Nutzungswille des Markenanmelders vorliegt (Spekulationsmarke). Darüber hinaus können sich auch dann Indizien für die Annahme einer Spekulationsmarke ergeben, wenn ersichtlich Nichtberechtigte Namen oder Abbildungen bekannter lebender oder verstorbener Personen zur Marke anmelden und sowohl eine rechtmäßige Benutzung durch den Anmelder selbst als auch eine entsprechende Lizensierung an Dritte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (Ströbele/Hacker, Markengesetz 11. Aufl. § 8 Rn. 867 m. w. N.).

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Unter diesem Gesichtspunkt verweist die Markenstelle zutreffend darauf, dass das Wort „S…“ von einem relevanten Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Name erkannt und mit S… in Verbindung gebracht wird. Insofern ist es auch nicht ganz fernliegend, dass mit der Anmeldung dieses Nachnamens als Marke, die Bekanntheit von S… - als eine Art Werbegag – ver- kaufsfördernd ausgenutzt werden soll. Dafür könnte - wie das DPMA ausführt - der Zeitpunkt der Anmeldung des Markenwortes, der in die Zeit des Bekanntwerdens der sogenannten N…-Affäre fällt, ein Indiz sein. Auch der Umstand, dass der Markenanmelder die Gestattung eines bzw. einer völlig unbekannten Dritten gleichen Namens einholte, könnte dafür sprechen, dass der Anmelder bewusst auf den Namen S… abzielte und sich mit der Gestattung einer Dritten eine Scheinlegitimation verschaffen wollte.

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Ein Schutzhindernis liegt im Ergebnis aber nicht vor, weil die rechtmäßige Benutzung des Zeichens durch den Anmelder nicht ausgeschlossen werden kann. Zwischen dem NSA-Skandal bzw. der Person von S… einerseits und dem vom Anmelder beanspruchten Backwerk andererseits besteht kein erkennbarer sachlicher Zusammenhang. Auch in freier Assoziation lässt sich keine nachvollziehbare Verbindung zwischen der Person S… bzw. der Aufdeckung eines Geheimdienstskandals und Brot, feinen Backwaren und Konditorwaren herstellen. Damit ist es durchaus fraglich, ob für diese Waren eine werbende Nutzung des Namens „S…“ im Sinne eines Imagetransfers überhaupt nahe- liegt. Es liegt jedenfalls nicht nahe, dass der Verkehr bei der Wahrnehmung des angemeldeten Markenwortes annehmen wird, dass zwischen dem so gekennzeichneten Brot und S… eine Verbindung besteht. Damit ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass eine rechtmäßige Benutzung des Markenwortes wegen entgegenstehender Namensrechte Dritter nicht möglich ist.

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b) Ein sittenwidriger Markenerwerb kann auch darin liegen, dass der Markeninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung für gleiche oder ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen mit dem Ziel eintragen lässt, den schutzwürdigen Besitzstand des Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund zu stören oder den weiteren Gebrauch der vorbenutzten Bezeichnung durch den Vorbenutzers zu sperren (BGH, GRUR 2008, 160 Rn. 18 - CORDARONE; BGH, GRUR 2001, 242, 244 - Classe E). Der vorliegenden Anmeldung liegt eine solche Absicht nicht zugrunde, da kein schutzwürdiger Besitzstand eines Dritten besteht. Das angemeldete Markenwort „Snowden“ wird nicht von Dritten benutzt, insbesondere nicht für die hier beanspruchten Waren.

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c) Eine bösgläubige Anmeldung kann vorliegen, wenn der Anmelder in der Absicht handelt, die mit der Eintragung der Marke entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen. (BGH, GRUR 2005, 414, 417 - Russisches Schaumgebäck). Vorliegend fehlt es - wie oben dargelegt - an Mitbewerbern, die der Anmelder behindern könnte.

20

d) Eine bösgläubige Markenanmeldung lässt sich auch nicht mit dem Argument begründen, dass der Anmelder sich des Mittels der Mehrfachanmeldung bedient habe. Eine solche Mehrfachanmeldung liegt tatsächlich nicht vor. Ausweislich der Akten des Anmeldeverfahrens war eine der drei Anmeldungen, auf welche das DPMA Bezug nimmt, lediglich ein Versehen. Der Anmelder teilte dem DPMA mit Schreiben vom 11. September 2013 mit, dass keine weitere Anmeldung beabsichtigt gewesen sei, und bat darum, „dies zu berichtigen“. Dem Anmelder lag offensichtlich daran, keine zweite Anmeldegebühr entrichten zu müssen. Die Tatsache, dass der Anmelder zusätzlich zu der Wortmarke auch eine Wort/Bildmarke mit dem Wortbestandteil „S…“ anmeldete, legt für sich genommen eine Bösgläubigkeit nicht nahe, auch wenn unterschiedliche Waren beansprucht wurden. Die parallele Anmeldung eines Zeichens bzw. Zeichenbestandteils als Wortmarke und als Bestandteil einer Wort/Bildmarke ist in der Praxis häufig anzutreffen. Abweichungen im Warenverzeichnis können auch auf gänzlich anderen Gründen beruhen. Indizien für eine planvolle Variation der Warenverzeichnisse, um durch die Befassung mehrerer Markenstellen die Chance der Eintragung einer bösgläubigen Anmeldung zu erhöhen, sind im vorliegenden Verfahren nicht zu erkennen.

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Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben.