Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.05.2012


BPatG 15.05.2012 - 25 W (pat) 7/12

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Sternenkranz (HV Kanaltechnik) [Wort-Bild-Marke]" – Gestaltungselemente weichen von der heraldischen Beschreibung des EU-Enblems mit dem insoweit wesensbestimmenden Element des geschlossenen Sternenkranz ab – keine Nachahmung des EU-Emblems bzw. der EU-Flagge


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
15.05.2012
Aktenzeichen:
25 W (pat) 7/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 6quinquies Abschn A PVÜ
Art 6quinquies Abschn B PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Löschungsverfahren S 272/09

gegen die Marke 30 2009 003 559

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. Mai 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Richterin Grote-Bittner

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 21. Januar 2009 mit der Farbangabe schwarz/weiß angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 20. März 2009 für folgende Waren und Dienstleistungen der

3

Klasse 07:

4

Straßenbaumaschinen; Maschinen für Kanal- und Schachtarbeiten; Maschinen zur Herstellung von Bitumen,

5

Klasse 08:

6

handbetätigte Werkzeuge für Straßenbau-, Kanal- und Schachtarbeiten; handbetätigte Zementmischer,

7

Klasse 19:

8

Baumaterialien (nicht aus Metall); Rohre (nicht aus Metall) für Bauzwecke; Asphalt, Pech und Bitumen; Straßenbaumaterialien und Straßenbelagmaterialien; Straßenbaubindemittel; Teerbänder, Teerbahnen für Bauzwecke; Steinkohlenteer; Teer; Teerpappe, Dachpappe; Bitumenerzeugnisse für Bauzwecke; Asbestmörtel; Mörtel (Baumaterial); Zementputz (feuerfest); Platten aus Zement; Zementmischungen; Rohre aus Ton oder Zement; Asphaltpflastersteine; Asphalt; Schachtdeckel, nicht aus Metall,

9

Klasse 35:

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Dienstleistungen des Großhandels, auch über das Internet, in den Bereichen: Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel; Beratung und Planung in Fragen der Geschäftsführung; Geschäftsführung für Dritte; Erteilung von Auskünften in Handels- und Geschäftsangelegenheiten,

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Klasse 37:

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Auskünfte in Straßenasphaltierarbeiten; Kanal- und Schachtbaugelegenheiten; Vermietung von handbetätigten Werkzeugen für Straßenbau-, Kanal- und Schachtarbeiten; Vermietung von handbetätigten Zementmischern; Vermietung von Maschinen für Kanal- und Schachtarbeiten im Bereich Straßen-, Kanal- und Schachtbau; Bauberatung (Straßenbau); Vermietung von Maschinen zur Herstellung von Bitumen; Hoch- und Tiefbauarbeiten; Leitung von Straßenbau- und Kanalschachtarbeiten (Oberaufsicht); Schacht- oder Brunnenbohrung; Straßenbelagsarbeiten; Straßenreinigung,

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Klasse 42:

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Erstellung von technischen Gutachten im Bereich Straßen-, Kanal- und Schachtbau; Konstruktionsplanung; Materialprüfung; technische Beratung im Bereich Straßen-, Kanal- und Schachtbau; Bauberatung (Straßenbau),

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in das Markenregister unter der Nummer 30 2009 003 559 eingetragen worden.

16

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 die Löschung dieser Marke gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG mit der Begründung beantragt, dass diese entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG i. V. m. Art. 6ter Abs. 1 Buchstabe a PÜV eingetragen worden sei. Die Markeninhaberin, an die der Löschungsantrag am 9. November 2009 zugestellt worden ist, hat der Löschung am 5. Januar 2010 widersprochen.

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Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag zurückgewiesen,  da die angegriffene Marke nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG i. V. m. Art. 6ter PVÜ von der Eintragung ausgeschlossen sei. Zwar fielen unter den Schutz dieser Vorschrift nicht nur die identische Übernahme der vom Bundesministerium der Justiz im Bundesgesetzblatt bekannt gemachten Wappen, Flaggen und anderen Kennzeichen internationaler Organisationen, die offensichtlich bezüglich der angegriffenen Marke nicht gegeben sei, sondern auch ihre Nachahmung im heraldischen Sinne. Von einer solchen Nachahmung, für die die heraldische Beschreibung maßgeblich sei, könne bei der angegriffenen Marke aber ebenfalls nicht ausgegangen werden. Im Gegensatz zu dem EU-Emblem,  das als "ein auf blauem Grund befindlichen Kreis von zwölf fünfzackigen Sternen, deren Spitzen sich nicht berühren" beschrieben sei, fehle bei der angegriffenen Marke der Eindruck eines zusammengehörigen Sternkranzes angesichts der linksseitigen Lücke, der balkenförmigen Unterlegung von jeweils drei Sternen sowie der abweichenden farblichen Gestaltung der Sterne auf der rechten Seite (hell) zu denjenigen auf der linken Seite (dunkel). Letztlich könne aber dahingestellt bleiben, ob die angegriffen Marke das Hoheitszeichen unmittelbar übernehme oder eine heraldische Nachahmung enthalte, da jedenfalls die weitere Voraussetzung nicht erfüllt sei, dass beim angesprochenen Verkehr die irrige Vorstellung hervorgerufen werde, es bestünde eine Verbindung zu der internationalen Organisation, was im Einzelnen näher ausgeführt wird.

18

Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

19

Sie meint weiterhin, dass die angegriffene Marke eine heraldische Nachahmung des Europäischen Emblems enthalte und - auch in Anbetracht der geschützten Waren und Dienstleistungen - entgegen der Auffassung der Markenabteilung dazu geeignet sei, den fälschlichen Eindruck zu vermitteln, es bestünde eine Verbindung zwischen der Marke und der Europäischen Union. Der Verkehr werde die angegriffene Marke, da er den fehlenden Stern auf der linken Seite automatisch ergänze, ohne weiteres als Sternenkreis erkennen. Jedenfalls habe dies das DPMA in einem ähnlich gelagerten Fall betreffend die Marke "TRUCKFUSION", die nur acht Sterne enthalten habe, so gesehen. Wie sich zudem aus anderen Entscheidungen ergäbe, stehe der Annahme einer heraldischen Nachahmung weder eine Stilisierung des Hoheitszeichens in bestimmter Weise noch eine nur teilweise Verwendung oder eine vom Hoheitszeichen abweichende Farbgestaltung, z. B. wie hier in schwarz/weiß, entgegen. Der Sternenkreis in der komplexen, angegriffenen Marke trete darüber hinaus auch als dominierendes Element hervor. Des weiteren sei die Auffassung der Markenabteilung, dass ein sachlicher Bezug zwischen dem Tätigkeitsbereich der EU und den Dienstleistungen der Markeninhaberin fehle, nicht zutreffend, da der Anwendungsbereich der maßgebenden Vorschriften von dieser zu eng gezogen werde. Sie stehe auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts. Der 25. Senat habe nämlich in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2009 (25 W (pat) 3/09) klar gestellt, dass ein Verständnis von § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG i. V. m. Art. 6 ter Abs. 1 lit. b PVÜ, einen sachlichen Bezug zur Tätigkeit einer international zwischenstaatlichen Organisation nur auf die Waren und Dienstleistungen zu beschränken, für die die angegriffene Marke registriert sei, dem Normzweck dieser Regelungen wegen der regelmäßig primär hoheitlich ausgerichteten Aufgaben der internationalen Organisationen nicht gerecht werde. Vielmehr seien in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auch solche Waren und Dienstleistungen einzubeziehen, bei denen die Europäische Union lenkend, regulierend oder informierend tätig sei, was hier der Fall sei.

20

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

21

den Beschluss der Markenabteilung 3.4. vom 12. Mai 2010 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2009 003 559 anzuordnen.

22

Die Markeninhaberin beantragt,

23

die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Sie nimmt auf die Ausführungen des Senats in seinem Hinweis vom 25./26. Januar 2012 Bezug, die sie für zutreffend erachtet.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

I.

26

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

27

1. Zunächst ist festzustellen, dass die Voraussetzung für die Durchführung des Löschungsverfahrens mit inhaltlicher Prüfung nach § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG erfüllt ist, nachdem die Markeninhaberin dem Löschungsantrag rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen hat.

28

2. Die Markenabteilung hat den Löschungsantrag der Antragstellerin auch zu Recht zurückgewiesen, da ein Löschungsgrund i. S. d. §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4 Satz 1 MarkenG i. V. m. Art 6ter PVÜ nicht gegeben ist.

29

Mit § 8 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4 MarkenG wird die völkervertragsrechtliche Bestimmung des Art. 6 ter Abs. 1 lit. b der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) in deutsches Recht umgesetzt. Diese Bestimmung nimmt Bezug auf Art. 6 ter Abs. 1 lit. a PVÜ, wonach nicht nur die identische Wiedergabe, sondern auch Nachahmungen im heraldischen Sinn von staatlichen Hoheitszeichen bzw. von Zeichen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen vom Markenschutz ausgeschlossen sind. Es ist daher zutreffend, wenn von der Nachahmung eines Zeichens einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation dann ausgegangen wird, wenn die betreffende Marke die charakteristischen heraldischen Merkmale aufweist, die das Zeichen von anderen Zeichen unterscheidet, wobei es genügen kann, dass das Hoheitszeichen in bestimmter Weise stilisiert ist oder nur in Teilen verwendet wird (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 8, Rdnr. 634).

30

Dies ist, wie die Markenabteilung zutreffend ausgeführt hat, hinsichtlich der angegriffenen Marke  nicht der Fall. Heraldisch geprägt wird das Kennzeichen, das ursprünglich die Flagge des Europarats darstellte, entsprechend in BGBl 1979 I S. 1800/1801 bekannt gemacht wurde, und seit 1986 als Kennzeichen der Europäischen Gemeinschaft unverändert auch nach Erweiterung der Anzahl der Mitgliedstaaten genutzt wird, durch einen geschlossenen Sternenkranz bestehend aus zwölf goldenen fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Grund. Diese Merkmale weist die angegriffene Marke entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht auf, wobei aber weder die absolute Sternenzahl, d. h. ob acht oder wie bei der angegriffenen Marke elf Sterne abgebildet sind, noch die Farbgestaltung der angegriffenen Marke in schwarz/weiß von Bedeutung sind. Entscheidend ist, dass die angegriffene aus mehreren Elementen bestehende Marke keinen geschlossenen Sternenkreis enthält. Als geschlossener Sternenkranz ist der Sternenkreis in der angegriffenen Marke infolge einer Lücke im linken Halbrund nicht erkennbar. Dabei wird der Verkehr entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht geneigt sein, die Lücke durch einen weiteren Stern zu schließen, da der Eindruck eines nicht geschlossenen Kreises von mehreren nicht zusammengehörenden Sternen noch durch weitere Gestaltungselemente verstärkt wird. Die unterschiedliche Gestaltung auf der linken Seite mit weißen Sternen auf dunklem Untergrund und auf der rechten Seite mit schwarzen Sternen auf weißem Untergrund sowie die balken-/viertelkreisförmige Einfassung von jeweils drei Sternen auf der linken Hälfte, die als zwei eigenständige Sternengruppen erscheinen, führen zusätzlich von dem Eindruck eines geschlossenen Sternenkranzes weg. Die angegriffene Marke weicht aufgrund dieser Gestaltungselemente bereits recht deutlich von der heraldischen Beschreibung des EU-Emblems mit dem insoweit wesensbestimmenden Element des geschlossenen Sternenkranzes ab.

31

Der Markenabteilung ist auch darin zuzustimmen, dass dies von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt werden wird, zumal die streitgegenständliche Marke noch zusätzliche Elemente enthält, die vom Eindruck eines EU-Kennzeichens weiter wegführen.  Die in der kreisförmigen Gestaltung der angegriffenen Marke enthaltenen Buchstaben "H" und "V" lassen schon eine Assoziation zu der Europäischen Union bzw. EU fernliegend erscheinen. Dies gilt erst recht für den unterhalb des Bildes befindlichen Wortbestandteil "Kanaltechnik", in dem der angesprochene Verkehr nur einen Hinweis auf den Tätigkeitsbereich des Verwenders aus der Baubranche erkennen wird, jedenfalls aber nicht einen solchen auf eine hoheitliche Tätigkeit bzw. eine Tätigkeit einer supranationalen Organisation. Mit dieser Beurteilung steht der Senat auch nicht im Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2009 (25 W (pat) 3/09 - "Vital Life Europe""), bei der er eine Nachahmung der angegriffenen Marke im heraldischen Sinne bejaht hatte, da die Marke neben einem geschlossenen Sternenkranz als charakteristischem Merkmal des EU-Emblems zudem mit dem Wortbestandteil "Europe" über ein weiteres Element verfügte, das noch zusätzlich einen Bezug zur Europäischen Union herstellte. Vorliegend verfügt die streitgegenständlichen Marke - wie ausgeführt - schon nicht über das wesensbestimmende grafisch-heraldische Kernelement des Kennzeichens der Europäischen Gemeinschaft, nämlich den geschlossenen Sternenkranz, so dass schon deshalb eine Nachahmung des EU- Emblems nicht bejaht werden kann.

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Da zudem mit den weiteren Elementen, nämlich den Wortbestandteilen "H" und "V" und dem Wort "Kanaltechnik", die angegriffene Marke im Gesamteindruck keine Assoziation zu der Europäischen Union hervorzurufen vermag, kann letztlich offen bleiben, ob unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG ein sachlicher Bezug zwischen den Waren und Dienstleistung der Klassen 7, 19, 35, 37, 42 (Bauwesen im weiteren Sinne), für die die angegriffene Marke Schutz genießt, und dem Tätigkeitsbereich der Europäischen Union angenommen werden kann.

33

Nach alldem war die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

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3. Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.