Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.05.2013


BPatG 23.05.2013 - 25 W (pat) 593/12

Markenbeschwerdeverfahren – "MORGEN FRUCHT" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
23.05.2013
Aktenzeichen:
25 W (pat) 593/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 010 304.9

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 23. Mai 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Richterin Grote-Bittner

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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MORGEN FRUCHT

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ist am 20. Januar 2012 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die folgenden Waren der

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Klasse 29:

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Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und –fette;

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Klasse 30:

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Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate einschließlich Cerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung, Schokoladewaren (soweit in dieser Klasse enthalten), Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis;

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Klasse 32:

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Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

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angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2012 010 304.9 geführte Anmeldung nach vorheriger Beanstandung durch Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes überwiegend, nämlich für die Waren

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Klasse 29:

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tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Milchprodukte;

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Klasse 30:

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Tee; Getreidepräparate einschließlich Cerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung, Schokoladewaren (soweit in dieser Klasse enthalten), Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis;

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Klasse 32:

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alkoholfreie Getränke (ausgenommen Mineralwässer und andere kohlensäurehaltige Wässer); Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken,

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zurückgewiesen.

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Nach Auffassung der Markenstelle ist die angemeldete Marke in Bezug auf diese Waren wegen der im Vordergrund stehenden sachbezogenen Bedeutung nicht unterscheidungskräftig i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Denn in der angemeldeten Bezeichnung „Morgen Frucht“ werde der angesprochene Verbraucher im Zusammenhang mit diesen Produkten lediglich einen Hinweis auf Art und Bestimmung der Waren in dem Sinne erkennen, dass es sich bei dem Produkt selbst um eine Frucht handele oder um eine Zubereitung aus einer Frucht oder dass die Waren Fruchtstücke enthielten, und dass diese Produkte morgens (zum Frühstück) genossen werden können. Als „Morgen“ werde die Tageszeit des frühen Vormittags bezeichnet. Als „Frucht“ würden allgemein essbare Pflanzenteile genannt, die in ihrem Inneren Samen enthielten. Es handele sich aber auch um eine allgemein für Obst oder Südfrüchte verwendete Bezeichnung. Die angemeldete Marke sei damit zweifellos eine sprachübliche und für den Verkehr naheliegende Wortverbindung, die in ihrer Gesamtheit nicht über die Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile hinausgehe.

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Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde erhoben.

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Sie hält die angemeldete Wortfolge auch in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren für schutzfähig. Die Anmelderin meint, dass es sich bei der Bezeichnung „MORGEN FRUCHT“ um eine ungewöhnliche und als Sachaussage ungeeignete, nach dem Sinngehalt eher verschwommene Wortzusammenstellung handele. Zwar sei die Bezeichnung „FRUCHT“ beschreibend, stelle aber in der konkreten Kombination mit dem weiteren Wortbestandteil „MORGEN“ keine unmittelbar beschreibende Angabe in Bezug auf die beanspruchten und zurückgewiesenen Waren dar. Insbesondere ergebe sich bei der Anmeldemarke kein solcher Sachbezug, der auf eine bestimmte für den Verkehr bedeutsame Wareneigenschaft hinweise. So gäbe es keine speziellen Früchte, die nur am Morgen verzehrt würden. Vielmehr würden sich alle Früchte gleichermaßen als Frühstücksbestandteile eignen. Die Anmelderin verweist auf mehrere Entscheidungen des Bundespatentgerichts zu ihrer Meinung nach vergleichbaren Anmeldemarken, die als schutzfähig angesehen worden seien. So sei die angemeldete Bezeichnung „Fisch und fertig“ (Beschluss vom 7.3.2007, 32 W (pat) 93/05) trotz des deutlich warenbezogenen Anklangs nicht als eine unmittelbar beschreibende Warenangabe oder gar als ein generischer Gesamtbegriff, sondern als mehrdeutig und interpretationsbedürftig angesehen worden, und ebenso sei die Anmeldemarke „drink & fun (Beschluss vom 10.3.1999, 29 W (pat) 45/97) nicht als unmittelbar warenbeschreibende oder sloganartige Wortfolge beurteilt worden. Auch der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 20. September 2001 die Bezeichnung „Baby-dry“ (angemeldet für Baby-Windeln) für schutzfähig erachtet, obwohl er in dieser Wortkombination einen Hinweis auf die Funktion der Waren gesehen hat, weil eine ihrer Struktur nach ungewöhnliche Verbindung zweier englischer Begriffe vorliege.

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Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. August 2012 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 MarkenG zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass der angemeldeten Bezeichnung „MORGEN FRUCHT“ im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 29, 30 und 32 jegliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Anmeldung ist deshalb von der Markenstelle insoweit zu Recht gemäß § 37 Abs. 1, Abs. 5 MarkenG zurückgewiesen worden.

1.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 18 FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Tz. 19 FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH - FUSSBALL WM 2006 a.a.O.). Zumindest in diesem Sinne fehlt der angemeldeten Marke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren die Unterscheidungskraft.

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Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30). Die beanspruchten Waren der Klassen 29, 30 und 32 sind an die breiten Kreise der inländischen Verbraucher gerichtet.

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Bei der angemeldeten Marke, die sich ohne weiteres erkennbar aus zwei Begriffen der deutschen Alltagssprache zusammensetzt, nämlich den Begriffen „MORGEN“ und „FRUCHT“ verbunden zu „MORGEN FRUCHT“, handelt es sich um eine sprach- und werbeübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe zu einem verständlichen, schlagwortartigen Sachbegriff. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sich selbst zwei Sachangaben durch ihre Zusammenstellung zu einem kennzeichnungskräftigen Zeichen verbinden. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass ein merklicher und schutzbegründender Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR 2006, 680, Tz. 39-41 Biomild).

29

Als „Morgen“ wird die Tageszeit des frühen Vormittags bezeichnet (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., Seite 1214, wie schon in der 4. Aufl., S. 1110, auf die die Markenstelle im Beanstandungsbescheid vom 23. Februar 2012 hingewiesen hatte, Bl. 4 der Patentamtsakte). Der Begriff „FRUCHT“, der ursprünglich die Bedeutung der Blüte einer Pflanze im Zustand der Samenreife hat, wird im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch in erster Linie mit „Obst“ gleichgesetzt (vgl. hierzu in der freien Enzyklopädie Wikipedia zu dem Stichwort „Frucht“; vgl. auch DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl., Seite 580 und Dr. Oetker, Lebensmittellexikon, 2004, S. 279, auf die das DPMA im Beanstandungsbescheid vom 23. Februar 2012 hingewiesen hatte, Bl. 4 der Patentamtsakte). Der Verbraucher wird die angemeldete Wortkombination „MORGEN FRUCHT“ daher im Zusammenhang mit allen beanspruchten und zurückgewiesenen Waren ausschließlich als eine schlagwortartigen Hinweis auf Eigenschaften und Bestimmung der Produkte auffassen. Denn alle diese Produkte können entweder selbst Früchte sein oder aus Früchten bestehen oder ihnen können Früchte oder Frucht(stücke) beigemischt sein oder sie können einen Fruchtgeschmack aufweisen und für ein Frühstücks- oder Pausenmahl am Morgen verwendet werden. Bei den Waren „tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst“ handelt es sich um Früchte. Das Produkt „Fruchtmus“ wird aus Früchten zubereitet und die Waren “Fruchtgetränke, Fruchtsäfte“ werden in erster Linie aus Früchten bzw. einer Frucht hergestellt. Grundstoff bzw. Hauptbestandteil der Waren „Gallerten (Gelees), Konfitüre; Fruchtgummi; Speiseeis; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“ ist typischerweise eine Frucht oder eine Obst(sorte). Diese kann wesentliche Zutat dieser Produkte sein, wie z.B. beim Zitronen- oder Erdbeereis oder beim Pfirsichsirup. Außerdem können Waren wie „Milchprodukte, Tee, Getreidepräparate einschließlich Cerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung, Schokoladewaren (soweit in dieser Klasse enthalten), Bonbons, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren“ Frucht(stücke) enthalten oder einen Fruchtgeschmack aufweisen. So werden auf dem Markt Milchprodukte mit Früchten wie Kirsch-Joghurt, Ananas-Quark usw. angeboten. Des Weiteren werden verschiedene Früchte-Tees offeriert, sei es als Fruchtmischung oder als Teesorte einer einzelnen Obstsorte, wie beispielsweise der Apfel-Tee. Sehr häufig enthalten Müsli-Mischungen getrocknete Fruchtstücke. Des Weiteren werden auf dem Markt Fruchtbrot, in erheblichem Umfang Kuchen mit Früchten bzw. Obst, Schokolade und Pralinen mit Früchten (z.B. das bekannte Mon Cheri mit Kirsche) angeboten. Über einen Fruchtgeschmack können Bonbons, Kaugummis und nicht alkoholische Getränke verfügen, wie z.B. Limonade, Bionade. Dabei sind alle diese Produkte geeignet am Morgen konsumiert zu werden, beispielsweise zum Frühstück oder in der morgendlichen Schul- oder Arbeitspause. Der Umstand, dass die streitgegenständlichen Waren allesamt nicht nur am Morgen konsumiert werden können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn es entspricht im Lebensmittelbereich einer üblichen Marketingstrategie, Lebensmittel als spezielle Produkte für bestimmte Tageszeiten und Mahlzeiten zu konzipieren und entsprechend am Markt zu platzieren unabhängig von ihrer Eignung, auch zu anderen Tageszeiten und Mahlzeiten konsumiert zu werden. Daher wird der Verkehr in einer solchen speziellen Bestimmungsangabe (hier: Morgen) nur eine rein beschreibende Sachangabe und kein betriebskennzeichnendes Element erkennen. Nach alledem wird der Verkehr die angemeldete Wortfolge „MORGEN FRUCHT“ als schlagwortartige Wortkombination zu Eigenschaften und Bestimmung von Produkten – hierfür bedarf es entgegen der Auffassung der Anmelderin auch nicht einer analysierender Betrachtung oder eines vertieften Nachdenkens - und daher nicht als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft dieser Waren wahrnehmen.

30

Die angemeldete Bezeichnung „MORGEN FRUCHT“ weist im Übrigen auch keine ungewöhnliche Struktur oder weitere Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt bezüglich der beschwerdegegenständlichen Waren wegführen könnten.

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Schließlich rechtfertigen die von der Anmelderin genannten Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts betreffend die Anmeldezeichen „Fisch und fertig“ (beansprucht u.a. für Gewürze, Gewürzmittel) und „drink & fun“ (angemeldet u.a. für Zapfanlagen; alkoholische Getränke) keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, dass Vorentscheidungen zu ähnlichen oder sogar identischen Marken keine Bindung für nachfolgende Verfahren entfalten, sind die genannten Marken auch nicht vergleichbar mit der vorliegenden Anmeldemarke. Die Entscheidung des EuGH zu der Anmeldemarke „Baby-dry“ (GRUR 2001, 1145ff) vermag auch keine andere Beurteilung zu begründen. Soweit in dieser „eine übliche Art und Weise“ einer Beschreibung der Waren/Dienstleistungen als Voraussetzung für ein Eintragungsverbot verlangt worden ist, ist diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben worden (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8, Rdn. 292, Fn. 834 m.w.N.).

32

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

2.

33

Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Die Anmelderin hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt (§ 69 Nr. 1 Mar- kenG). Der Senat hat eine mündliche Verhandlung auch nicht aus anderen Gründen für erforderlich gehalten, zumal auch keine Tat- oder Rechtsfragen klärungs- oder in mündlicher Verhandlung erörterungsbedürftig erscheinen.